Herr Müller sieht die Welt

Achterbahn 

Am letzten Wochenende waren wir in einem Freizeitpark bei uns in der Nähe. Nachdem wir geklärt hatten, wo es hingehen sollte – die Auswahl an Freizeitparks ist ja recht umfangreich – konnte unsere Reise starten. Zum Glück mussten wir nicht allzu weit fahren. 

Ernesto fuhr im Gegensatz zu mir gerne Achterbahn. Ich merkte bereits nach der ersten Fahrt, dass das nichts für mich war. Je schlechter ich mich fühlte, desto besser gefiel es Ernesto. Da er in meiner Brusttasche mitfuhr, musste also ein passender Ersatz gefunden werden mit Hemd oder entsprechendem Pulli mit Brusttasche. Wir konnten ja nicht erwarten, dass die Achterbahn extra für Ernesto umgebaut wurde. Gott sei Dank stand in der Schlange der Freizeitpark-Besucher ein freundlicher, junger Mann, der bereit war, Ernesto in seiner Brusttasche mitzunehmen. Damit Ernesto auch in Loopings einen sicheren Platz hatte, musste die Brusttasche mit einem Knopf oder Reißverschluss gesichert werden. Nachdem die sichere Verwahrung von Ernesto geklärt war, konnte es also losgehen. 

Die beiden – Ernesto und sein Mitfahrer – stellten sich in der Schlange der Achterbahnwilligen an und erwarteten ihr Glück. Leider raste genau in diesem Moment ein Zuckerwatte Verkäufer mit seinem Lastenrad genau in die Schlange der Achterbahnerwartenden, sodass Ernesto und sein Mitfahrer noch einmal auf ihr Glück warten mussten. Nach immerhin zwei Stunden, in denen die Verletzten beiseite geräumt wurden, ging es dann endlich mit dem Achterbahnbetrieb für die beiden los. 

Wider Erwarten hatte Ernesto schon nach drei Runden genug. Das lag zum einen am Achselgeruch seines Mitfahrers, zum anderen daran, dass ihm dann drei Runden pures Adrenalin doch genug waren. Er beschloss daraufhin, dass er dann lieber mit mir eine Runde Autoscooter fahren wollte. Er merkte, dass das dann doch eher Seins war. Er setzte seine Sonnenbrille auf, lehnte sich mit einer Pfote cool aus dem Auto und zog seine Sonnenbrille ins Gesicht. Los ging die wilde Fahrt! 

Kein anderes Auto war vor Ernesto und seiner mutwilligen Kollisionsfreude mehr sicher. Mit der Sonnenbrille ähnelte er stark den Blues Brothers. Von mir darauf angesprochen, leugnete er aber jegliche Absichten. Auch hier war die Bodennähe das entscheidende Kriterium der Fahrgeschäfte. Für Höhe muss man halt gemacht sein und das Leben als solches ist ja schon Achterbahnfahrt genug. 

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Zeitung 

Jeden Morgen saßen wir am Frühstückstisch mit der Zeitung und informierten uns über die Geschehnisse in der Welt. 

Dabei hatten wir ein Problem: Immer genau das, was ich lesen wollte, wollte Ernesto auch lesen. Unser Streit kulminierte in dem Wunsch nach dem Sportteil. Erst mit der Umstellung auf ein E-Paper konnte das Problem gelöst werden. Jeder von uns konnte so jederzeit das lesen, was er wollte. Anstrengend war nur, dass Ernesto mir permanent erzählen wollte, was er gerade gelesen hatte, sodass ich in meinem Lesen immer gestört wurde. Aber im Laufe der Zeit hatten wir das Problem dahingehend gelöst, dass wir zunächst beide die Zeitung lasen und uns anschließend über das Gelesene unterhielten. Die Todes- und Kleinanzeigen waren für uns beide von Interesse, wobei Ernesto eher die Kleinanzeigen interessierten und mich die Todesanzeigen, um zu wissen, wer gestorben war. 

Verwundert über die Geschehnisse auf der Welt unterhielten wir uns also über das Gelesene. Verwundert deswegen, weil es immer wieder erstaunlich war, wie wenig die Menschheit in der Lage ist, ihre Umwelt schön zu gestalten. Kriege an jeder Ecke und die Menschheit wird nicht schlauer daraus, dass Krieg eben keine Lösung für Konflikte ist. Ernesto war über das Verhalten von Menschen immer wieder sehr verwundert, da Schildkröten ihre Konflikte zwar langsamer, aber auch friedlicher lösten. Das Menschsein erfordert oft das Innehalten, von daher sollten sich viele Menschen mal bewusst machen, dass gerade in der Ruhe die Kraft liegt, also sie erst denken, dann handeln sollten, auch wenn Geduld nicht Jedermanns Stärke ist. Ich spreche da aus eigener, leidvoller Erfahrung. 

Um das Bild des Menschen zu verbessern – nicht, dass ihr denkt, dass ich nur Negatives denke – sei hier angemerkt, dass es in der Zeitung natürlich auch positive Meldungen gibt. So zum Beispiel auch von Menschen, die anderen uneigennützig helfen. Besonders erwähnenswert sind an dieser Stelle Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte, deren Einsatz leider viel zu selten eine Notiz findet. Gerade Schildkröten können oft ein Lied davon singen, da sie oft genug auf Hilfe anderer angewiesen sind. Zum Beispiel, wenn sie auf dem Rücken liegen oder Türklinken benutzen müssen. Das Problem mit den Türklinken hatten wir in unserer Wohnung fast nicht mehr, da wir sämtliche Türen (bis auf Wohnungs- und Toilettentür) ausgebaut hatten. 

Zeitunglesen ist für Menschen und Schildkröten nach wie vor das ideale Medium und die soziale Funktion von Zeitung wird durch die Bereicherung an unserem Frühstückstisch deutlich. 

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Der Zoobesuch 

Es war mal wieder Sonntag und Ernesto und ich überlegten, was wir mal anstellen konnten. Ernesto schlug vor, seine Verwandten im Zoo zu besuchen. 

Gesagt, getan. Wir fuhren mit der Straßenbahn zum Zoo. Ernesto fuhr wie immer in der Brusttasche meines Hemdes mit. Im Zoo angekommen, gingen wir gleich zum Reptilienhaus, um den Verwandtschaftsbesuch zu starten. Ernesto fand allerdings das bloße Anschauen der Verwandtschaft im Zoo langweilig. Er attestierte, dass diese wohl durch das Leben im Zoo hinter Glas relativ degeneriert waren. Daraufhin gingen wir weiter zum Raubtiergehege, das Ernesto schon spannender fand, auch wenn ihm auch hier die Authentizität fehlte. Die Raubtiere reagierten überhaupt nicht auf Ernesto, seine Existenz wurde von ihnen überhaupt nicht wahrgenommen. Das frustrierte ihn sehr. 

Auch der anschließende Besuch im Zoorestaurant war dann kaum noch ein Stimmungsaufheller für Ernesto. Nur die dort gekauften Gummibärchen erhellten seine Laune. Seine Überlegung, ein eigenes Gehege mit Gummibärchen zu gestalten, wurde von ihm selbst schnell wieder verworfen, weil er zu großen Schwund befürchtete, da diese zu schnell von Mitarbeitern und Besuchern aufgegessen werden würden. Dennoch war seine Idee, Gummibärchen in verschiedenen Lebenssituationen zu zeigen, doch sehr interessant. Das Problem, dass Gummibärchen bei Wind ständig umfielen, musste von ihm allerdings noch gelöst werden, bevor sein Projekt in die Realität umgesetzt werden konnte. 

Die Tatsache, dass lebendige Tiere im Zoo gehalten wurden, fand er relativ doof. Er überlegte spontan, eine Demo zu organisieren, die dies anprangerte. Wir fuhren zunächst nach Hause, um Plakate für die Demo zu malen. Mit Plakaten und Trillerpfeife wollte er auf sich aufmerksam machen. Das Mietshaus inklusive Ernie und Bert waren schnell als Mitdemonstranten aktiviert. Die Polizei guckte relativ belustigt, als sie hörte, dass ein kleiner Demonstrationszug vor dem Zoo aufmarschieren wollte. Dennoch wurde auch diese Demo von einigen Beamten abgesichert. Sie hätten in der Zeit auch Kaffee trinken gehen können, da es keinerlei Unruhen gab und auch nicht zu erwarten waren. Die Idee von Ernesto, sich zu vermummen, wurde ihm dann von mir ausgeredet, da im Zusammenhang mit seiner Bepanzerung sein Outfit dann doch zu martialisch war. 

Beseelt von der Zusage des Fotografen, das Foto in der Zeitung abzudrucken, gingen wir dann nach Hause. Die Reaktionen auf den Zeitungsartikel ließ Ernesto mit seinem Kampf fortfahren für größere Freiräume der Tiere. 

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Sitzheizung 

Unser neues Auto verfügte jetzt über eine Sitzheizung. Mein zu anfangs bestehendes Problem mit dem Gefühl der permanenten Inkontinenz hatte sich schnell wieder gelegt, aber ungewohnt war es schon. So ein vorgewärmter Sitz ist für den Popo schon was Feines. Auch Ernesto gefiel es gut, auf dem vorgewärmten Sitz Platz zu nehmen. Nur zu große Hitze brauchte er nicht, aber das ließ sich ja Gott sei Dank durch Herunterregeln der Sitzheizung verhindern. Gerade bei Minustemperaturen wurde sie von uns hochgeschätzt. Aus der Eiseskälte sich in einen warmen Sitz fallen zu lassen, war für uns beide sehr angenehm. 

Ernesto war es ja gewohnt, weil er oft in meiner Brusttasche umhergetragen wurde, dass seine Umwelt angenehm warm war. Aber genau deswegen war eine zu große Hitze auch für ihn unangenehm. 

Das Leben so in Körpernähe brachte aber auch den Nachteil, dass kühle Winde ihn selten erreichten und anpusten meinerseits half teilweise, aber angesichts meines manchmal vorhandenen Mundgeruchs nur unter größtem Protest von Ernesto. Am wohlsten fühlte sich Ernesto im kühlenden Wind am besten eines Meeres, ob Nord- oder Ostsee war ihm egal, da war er nicht so wählerisch. 

Da ein kühler Wind nicht so schnell von mir herbeigezaubert werden konnte, musste sich Ernesto durch Herunterlassen der Scheiben vom Fahrtwind abkühlen lassen. Doch bei Regenwetter weigerte ich mich, die Fenster zu öffnen. Da unsere Polster nicht wasserabweisend waren, mussten wir schnell eine Lösung für Ernesto finden. Diese wurde von mir gefunden, indem Ernesto auf dem von mir installierten Dachgepäckträger platznahm. Da konnte er auch seine Sturmhaube aus dem 1. Weltkrieg und seine Taucherbrille aufsetzen, um gegen entgegenkommende Insekten geschützt zu sein. Um gegen die Gefahr des Wegfliegens gesichert zu sein, wurde er von mir festgebunden. Er genoss die Möglichkeit, von der frischen Luft umweht zu werden. 

So eine Schildkröte auf dem Dach war schon ein ganz besonderes Extra. Viele Leute grüßten freundlich, wenn sie Ernesto kommen sahen. Die Ausflüge mit dem Auto waren im Sommer eine hochgeschätzte Möglichkeit, mal wieder rauszukommen und die Sommerluft zu genießen. Wir besuchten viele Freunde und Bekannte und gelegentlich auch mal unseren Lieblings-Badesee, damit Ernestos Gefühl von Freiheit größtmöglich wurde, schwammen wir dann ein, zwei Runden durch den See und kehrten dann nach Hause zurück. 

Die Sitzheizung war dennoch in den Wintermonaten ein gerne benutztes Extra von uns beiden. 

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Innenausbau 

Nach Jahren in der 2-Zimmer Dachgeschosswohnung beschloss unser Vermieter, das Dachgeschoss weiter auszubauen und so wurde unsere 2-Zimmer Wohnung zur 5-Zimmer Wohnung. Die neue Wohnung hatte vor allem den Vorteil, dass jeder von uns 2 Zimmer für sich zur Verfügung hatte und wir dennoch eine Vielzahl von Räumen gemeinsam nutzen konnten. Was erstmal wie ein riesen Vorteil erschien, war bei genauerer Betrachtung schwer umzusetzen. Ernesto und meine Vorstellung von der Einrichtung von Wohnungen waren doch sehr verschieden, wie bereits im Text „Wärme und Kälte“ erwähnt. 

Ein viel größeres Problem war aber die Arbeit der Handwerker. Diese musste von uns koordiniert werden und mit meiner Arbeit auf dem Amt zeitlich in Einklang gebracht werden. Ernesto bot sich daher als Bauleiter an, weil ja sonst keiner rund um die Uhr zu Hause war. Die Handwerker guckten zwar zunächst verwirrt, dass ihnen eine Schildkröte Anweisungen geben sollte, waren dann aber schnell überzeugt von Ernestos Fähigkeiten. Die Handwerker wähnten sich in der glücklichen Position, ihre Arbeit von einer Schildkröte abnehmen zu lassen. Sie vergaßen aber dabei, dass Ernesto ein sehr genaues Auge auf ihre Arbeit hatte. 

Teilweise waren wir einfach nur schockiert über die abgelieferte Arbeit. Teilweise hatte man das Gefühl, man beaufsichtigte eine Kindergartengruppe, so unzuverlässig war die Arbeit der Handwerker. Ein Beispiel gefällig? Dämmmaterial über die Fußbodenheizung, sodass die abgestrahlte Wärme nicht mehr oben angekommen wäre… Oder: Der von uns anvisierte Fensterausbau konnte noch in letzter Sekunde zum Positiven verändert werden, da die geplanten Fenster gar nicht gepasst hätten zu den vorhandenen Ausschnitten. Noch ein Beispiel? Aber gerne! Ein Handwerker wurde in Ernestos Beisein vom Architekten angesprochen und gefragt, was er denn da für einen Quatsch täte und dieser antwortete: „Keine Ahnung, wurde mir so gesagt.“ 

Nun könnte man mal das Bildungssystem danach beurteilen, was hinten herauskommt, um weitere Unfälle zu vermeiden, aber das lassen wir an dieser Stelle. 

Zurück zu unseren neuen Räumlichkeiten: Da wir im Dachgeschoss wohnten, mussten die armen Möbeltransporteure die neuen Möbel bis unter`s Dach schleppen. Das tat uns sehr leid, aber auf diese Weise konnte man schnell feststellen, wer fit war und wer gutes Deo benutzte. 

Abschließend bleibt uns, wenn Sie einen Innenausbau planen, nur der Tipp: Viel Zeit und viel Geduld zu haben, denn diese werden Sie brauchen! 

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Wärme und Kälte 

Wärme und Kälte werden von mir oftmals auch als Yin und Yang der Zentralheizung bezeichnet, wobei ich nicht genau weiß, was was ist, aber das soll vom eigentlichen Problem nicht ablenken. Das eigentliche Problem wäre in diesem Fall die undurchsichtige Funktionsweise von Zentralheizungen. Alles über ein Thermostat zu regeln, wäre auch dem Problem nicht angemessen, da es doch um das ausgewogene Verhältnis von Wärme und Kälte geht. Wärme und Kälte nur auf ihre Temperatur in Wohnungen zu reduzieren, wäre allerdings ein bisschen wenig. Ausdruck von Wohnlichkeit und Behaglichkeit ist die Wohnung in ihrer Gesamtkomposition mit ihrer Wärme. 

Ernestos Wohnstil war eher durch Schlichtheit geprägt, weil Stehrumchen und Teppiche dafür sorgten, dass sie ihn an der Bewegung hinderten. Auch zu glatte Böden waren Ernestos Sache nicht. Ein gewisser Vortrieb musste schon geboten werden. Dennoch mangelte es in Ernestos Einrichtungsstil nicht an Wärme, weil er des Öfteren anstelle von Lampen Heizsonden von der Decke baumeln ließ. Das machte zwar einen sehr kärglichen Eindruck, aber zum einen waren die Höhensonnen für die herumstehenden Pflanzen sehr gut und sorgten außerdem für eine angenehme, behagliche Wärme in Ernestos Räumen. 

Ja, in Ernestos Räumen, weil einige Räume unserer Wohnung von ihm eingerichtet und bewohnt wurden. Andere wiederum waren von mir eingerichtet und bewohnt, einige eben von uns beiden. Manchmal war es daher schwierig, mich auf die Temperatur von Ernesto einzustellen. Besonders schwierig war aber die Einrichtung der gemeinsamen Räume, da erstmal ein gemeinsamer Nenner gefunden werden musste. Es war damals gar nicht so einfach, Schlichtheit und Gelsenkirchener Spätbarock unter einen Hut zu bringen. Als wir es dann dennoch geschafft hatten, atmeten wir erleichtert auf und beschlossen, erstmal einen Kaffee zu trinken. Die von Ernesto geforderte Schrankwand konnte ich ihm Gott sei Dank ausreden. Einfache Regale taten es dann auch, diese gab es schon in günstigen Preislagen in unserem SB-Möbelhaus. Dennoch zeichnen sich alle Räume, sowohl die von Ernesto, die von mir und unsere gemeinsamen Räume, durch Behaglichkeit aus. 

Die eingangs erwähnte Wärme umschloss den Besucher oder die Besucherin und er oder sie konnte sich von Beginn an zu Hause fühlen. Die gesuchte Wärme vermittelte sich dem Besucher oder der Besucherin in jedem unserer Räume, sodass es eher schwer war, Besucher wieder loszuwerden. Ernesto war schon ganz genervt von den vielen Besuchern. Oftmals war er froh, wenn der Besuch gegangen war und die Tür wieder ins Schloss fiel. 

Yin und Yang kamen uns übrigens sehr selten besuchen. 

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Sandstrand 

Den Sandstrand in unserem Urlaubsort betrachteten Ernesto und ich aufgrund der großen Hitze in unseren Adiletten, die uns schon so manches Mal aus der Patsche geholfen haben. Die Spuren, die wir dabei im Sand hinterließen, waren denen von Huftieren im Waldboden nicht unähnlich. Sandstrände faszinierten mich immer, weil ich von der Vorstellung fasziniert war, dass jedes Sandkorn nur ein kleiner Teil jedes Sandstrandes ist, die Sandkörner erst in ihrer Vielzahl zu einem Strand wurden. Ein einzelnes Sandkorn macht noch keinen Sandstrand und auch bei Glätte hilft es wenig. Erst die Vielzahl von Sandkörnern werden zum Sandstrand oder zum Streugut. 

Die Spuren im Sand, die Ernesto und ich hinterließen, waren zumindest in ihrer Richtung gut zu lesen. Sie liefen von einem Palmenschatten zum nächsten, stets in Vermeidung der größten Hitzestrahlung. Im Schatten angekommen, machten wir uns dann daran, dort kühle Getränke zu uns zu nehmen. So eine Schildkröte mit Cocktail-Strohhalm im Maul ist bestimmt ein lustiges Bild, aber es hatte einen ernsten Hintergrund, da unser Flüssigkeitspegel bei dieser Hitze immer auf Vordermann gebracht werden musste. Manchmal blieben wir auch länger an einer Strandbar hängen und bewegten uns nicht mehr durch die glühende Hitze des Sandstrandes. 

Ernesto konnte nicht verstehen, wie seine Verwandten die Eier der neuen Brut im glühend heißen Sand verbuddeln konnten – so eine Hitze hielt doch keine Sau aus, meinte Ernesto. 

Erst gegen Abend wurde der Sand wieder halbwegs betretbar, ohne sich auch barfuß Verbrennungen zuzuziehen. Nachdem wir unsere Deckung dann also gegen Abend verlassen hatten, widmeten wir uns den leiblichen Genüssen und verzehrten, was das reichhaltige Speiseangebot hergab. 

Unsere Eskapaden schwimmen zu gehen gestalteten sich mit Ernestos 4 Schwimmflügeln als teilweise sehr schwierig, zumal er trotz der Schwimmflügel zu einer Kopflastigkeit neigte. Er drohte zu ersaufen, sodass wir von da an eher an Land anzutreffen waren und uns anderweitige Abkühlung verschafften. 

Besonders gern aßen wir immer gegen 3 Uhr nachmittags eine Kugel Eis, stets Vanille, weil da ließ sich die Qualität der Strandbars im Vergleich gut beurteilen. Nur gute Bars verwendeten auch gutes Eis! Erst gegen Ende unseres Urlaubs bemerkten wir, dass die Auswahl der Strandbars am Steinhuder Meer recht übersichtlich war. Ich glaube, nächstes Jahr wird`s doch die Ostsee… 

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Frühstück 

Als wichtigste Mahlzeit des Tages darf man das Frühstück nicht unterschätzen. Das Frühstück ist sozusagen die Mutter aller Mahlzeiten. 

Unser Frühstück bestand aus Müsli und Obst, um den Magen möglichst lange beschäftigt zu halten. Insbesondere einheimische Früchte, die es derzeit zu Hauf gab, bereicherten unser Frühstück. Ernestos Vorliebe für Erdbeeren konnte zurzeit aus dem eigenen Anbau aus Deutschland befriedigt werden. 

Die Bedeutung von Mahlzeiten wird einem häufig erst bei genauerem Darüber-Nachdenken klar. Das Frühstück als Start in den Tag ist die, so möchte ich behaupten, wichtigste Mahlzeit des Tages, legt sie doch den Grundstein für einen gut verlaufenen Tag. Morgenstund hat also nicht nur Gold im Mund, sondern sollte auch Frühstück im Mund haben. 

Wo wir gerade bei Redewendungen sind: „Nachts sind alle Katzen grau“ kann insofern verstanden werden, dass alle Farben gedimmt erscheinen, also schwarze Katzen jetzt nur noch grau und weiße Katzen auch grau erscheinen und nicht mehr in strahlendem Weiß. Man kann also feststellen, dass die Dunkelheit dazu beiträgt, dass Katzen in ihrer Fellfarbe und Menschen in ihrer Hautfarbe einander angeglichen werden. Insofern bin ich gerne ein Geschöpf der Dunkelheit, da dadurch Grenzen aufgehoben werden. Grenzen werden ja auch innerhalb der EU aufgehoben, also ist dann auch die EU ein Geschöpf der Nacht, könnte man jetzt mal provokant diagnostizieren. Da dies schnell in die Polemik führt, sei es an dieser Stelle unterlassen. Die unwichtige Bedeutung von Hautfarben wird hier abermals offensichtlich. 

Zurück zum Ausgangspunkt: Das Frühstück hat also eine elementare Bedeutung für den Verlauf des Tages, graue Katzen hin oder her. Eines bleibt gewiss: Katzen – in welcher Couleur auch immer – essen selten Frühstück. Für uns Menschen hat die Abfolge der Mahlzeiten eine elementare Bedeutung. Nicht umsonst wird an dieser Stelle so oft darüber berichtet. 

Die Quintessenz des Gesagten wäre also: Ein Frühstück mit Mutter wäre am Gewinnbringsten. Da nicht mehr alle Menschen über eine Mutter verfügen, bleibt also festzuhalten, auch ein blindes Huhn isst mal Frühstück. Die Sinnhaftigkeit des Gesagten sei an dieser Stelle mal in Frage gestellt, mir fiel nur gerade nichts besseres ein… 

In diesem Sinne: Schönes Frühstück! 

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Waschmittel – Der alte Mann und das Meer 

Die neue Darreichungsform von Waschmittel war für uns erstmal gewöhnungsbedürftig, da es jetzt nicht mehr im Messbecher oder in der Kappe in das entsprechende Fach der Waschmaschine eingefüllt wurde, sondern in fertigen Tabs direkt in die Waschmaschine geworfen wurde. Der Effekt des Waschmittels war jetzt kolossal! Auch wenn die neuen Tabs vor Kindern und Haustieren sicher zu verstauen waren, boten sie doch ein überzeugendes Waschergebnis auch bei niedrigen Temperaturen. Ernestos Wäscheberg war relativ klein, umso mehr war dagegen die von mir zu waschende Wäsche. Egal ob Koch- oder Buntwäsche, die neuen Tabs boten ein überzeugendes Waschresultat. Ernesto ging wegen der tollen Waschergebnisse jetzt dazu über, nur noch weiße Leinenkleidung zu tragen, da diese jetzt ausgesprochen gut gereinigt werden konnte. Der Nachteil von weißer Kleidung stellte sich relativ schnell heraus, weil sie nämlich binnen kürzester Zeit eingesaut war, was gerade ein Leben in Bodennähe mit sich brachte. 

Auch Ernestos großes Vorbild Ernest Hemingway trug ja oft weiße Kleidung. Insgeheim verriet mir Ernesto bei einer weinseligen Stunde, dass er nur wegen Ernest Hemingway Ernesto hieße. Ernestos

Mutter sprach nur Esperanto, daher das „o“ an Ernest. Ernests größter Erfolg „Der alte Mann und das Meer“ würde ja als „Ernesto und das Meer“ keinen Menschen interessieren. Dennoch fand Ernesto Ernests Lebensstil relativ cool, der ja unter anderem auf Kuba lebte und dem Rum und Whiskey nicht abgeneigt war. Ansonsten verband Ernesto relativ wenig mit seinem großen Idol. Es stand nicht zu vermuten, dass sich Ernest als Gemüselieferant verdingt hätte. Aber die Wahl der Idole ist ja nicht an die eigene Lebensweise gebunden. 

Das Leben in Bodennähe hatte neben der häufig verschmutzten Wäsche auch den Nachteil, dass man direkt Autoabgase einatmen durfte. Die Erkenntnis, ob Autos über Katalysatoren verfügten oder nicht, fand ich wirklich erhellend. Vielmehr wünschte sich Ernesto eine Umwelt, die eben nicht durch Abgase 

verschmutzt war. Da das in näherer Zukunft nicht anzudenken war, musste also Ernestos Fortbewegung auf höheren Niveaus erfolgen. Unser Liegerad bot da die ideale Höhe, um durch die Abgasfluten der Stadt zu gleiten. Doof war nur daran, dass Ernesto damit eben nicht selbstständig fahren konnte, sondern stets auf mich als Fahrer angewiesen war. Abhängigkeiten sind generell doof, aber umso doofer, wenn sie für den Abhängigen Folgen haben, die er nicht beeinflussen kann. 

Wichtig ist also nicht nur, dass die Wäsche weiß wird, sondern dass auch die Lebensverhältnisse von Mitbewohnern nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. 

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Kniebeugen 

Im Zuge des allgemeinen Jugendwahns haben sich Ernesto und ich entschlossen, uns fit zu halten. Neben den regelmäßigen Laufrunden machten wir jetzt auch regelmäßig Fitnessübungen, um unsere Muskeln und unseren ganzen Apparat in Bewegung zu halten. Dazu gehörten eben auch Situps, Liegestütze und Kniebeugen. Nun fragt sich der ein oder andere wie eine Schildkröte denn bitte Kniebeugen machen sollte. Dabei geht das gut, da Schildkröten ja auch über eine Art Kniegelenk verfügen, die Beine also einklappen können. Man könnte bei Schildkröten eher von einer Art Lift sprechen, da sie ihren ganzen Panzer dann absenken. Liegestütze und Situps sind da schon schwieriger. Situps sind für Schildkröten nahezu unmöglich, weil sie eben aufgrund ihres Panzers ihren Körper nicht krümmen können. Liegestütze kommen den Kniebeugen bei Schildkröten schon sehr nahe, auch wenn sie thematisch einen völlig anderen Bereich streifen. 

Dennoch ließ Ernesto sich nicht davon abhalten, sich körperlich zu ertüchtigen. Da das Laufen relativ behäbig war, wurden Kniebeugen also Ernestos neue Lieblingsbeschäftigung. Für Außenstehende war es sicher lustig, eine Schildkröte bei Kniebeugen zu beobachten. Ernesto stöhnte aber ob der großen Anstrengung. Sein Stirnband, das er eigentlich nur zum Tennisspielen anlegte, verhinderte jetzt, dass ihm der Schweiß in die Augen tropfen konnte. Außerdem sah er mit dem Stirnband noch mehr aus wie ein großer Sportler, was ihm natürlich sehr zu passe kam. 

Die Nachbarskinder mit Ernie und Bert fragten, ob sie sich demnächst mal anschließen könnten, da auch ihren Schildkröten ein bisschen Bewegung durchaus guttun würde, weil sie ein wenig zur Lethargie neigten. Dass weder Ernie noch Bert Lust dazu hatten, war dabei nicht von Interesse. Der Fußboden kam in der Garage dem einer Turnhalle sehr nahe, sodass sie ihrem sportlichen Treiben freien Lauf lassen konnten. Auch das Spiel mit Bällen mannigfaltiger Art war für Schildkröten eine höchst lustige Veranstaltung, sodass wir auch bald in der Garage Basketballkörbe aufhängten. Die Vorstellung von einer Schildkröte bei einem Slam-Dunk ließ mich und meine Vorstellung dann doch zunächst stutzen. Die schiere Höhe eines Basketballkorbs war für Schildkröten natürlich nicht zu erreichen. Aber mit Hilfe eines Trampolins konnte diese überbrückt werden. Der anschließende Sturz konnte mit Hilfe eines Weichbodens, also einer sehr dicken Matte, abgefangen werden. 

Wer hätte gedacht, dass Schildkröten Slam Dunks machen konnten? Wir schon!