
Hochbett
Tage-, wochen- und monatelang lag Ernesto mir in den Ohren: Er wollte jetzt unbedingt ein Hochbett haben, weil das sei nun der heißeste Scheiß, den man unbedingt haben müsse.
Ich tat wie mir geheißen und versuchte, für Ernesto ein Hochbett zu bauen. Schnell stellte ich dabei fest, dass Schildkröten ja keine Leiter hochgehen können, was sie aber müssten, um ins Bett zu kommen. Also überlegte ich mir, dass doch ein Lift, angetrieben durch Solarzellen, die draußen am Fenster angebracht werden, das Problem lösen könnte. So konnte Ernesto ganz entspannt ins Bett „marschieren“. Ein bisschen verleitete es Ernesto dazu, Harakiri zu machen, weil er auf der bettabgewandten Seite aus dem Fahrstuhl sprang, um auf den Matratzen und Kissen weich zu landen, welche er vorher daruntergelegt hatte. Die Benutzung des Fahrstuhls schien ihm große Freude zu bereiten. Oft drückte er die Notklingel, weil er häufiger stecken blieb.
Seine Idee, die Nachbarschildkröten zur gemeinsamen Fahrstuhlfahrt einzuladen, fand großen Anklang bei ihm und Ernie und Bert. Auch das Springen aus dem Fahrstuhl war von Ernie und Bert hochgeschätzt. Und so vergnügten sich die Schildkröten mit dem neuen Hochbett. Der Sprung aus dem Lift war für alle 3 eine große Überwindung, weil ihnen der natürliche Schutz, von dem sie sonst ja permanent umgeben waren, gar nicht mehr helfen konnte (ihr Panzer). So kam der Sprung einem Extremsport gleich, der jedes Mal wieder große Überwindung kostete. Ich für meinen Teil machte mir eine Menge Sorgen, aber nachdem ich sah, wieviel Spaß sie hatten bei dem Sturz aus dem Fahrstuhl, ließ ich sie gewähren. Ich beschloss für mich, Extremsportarten wären meine Sache nicht. Zum einen bin ich zu alt dafür und zum anderen musste ich auch niemandem mehr noch irgendetwas beweisen, meine Jugend schon mal gar nicht.
Also blieb ich bei meinem Hobby: Briefmarken sammeln. Da konnte höchstens eine Windböe bei geöffnetem Fenster meine Arbeit von Stunden dahinraffen. Das war mir Risiko genug. Während Ernesto und Ernie und Bert sich an immer waghalsigeren Sprüngen versuchten, vom einfachen Salto bis zur eingedrehten Schraube, war ich nur froh, wenn alle 3 danach wieder heile am Küchentisch saßen. Die Idee, die Sprünge mit Haltungsnoten zu bewerten, kam von den Dreien und so bewerteten sie sich und ihre Sprünge. Ein Versicherungsmakler hätte seine helle Freude gehabt.
Schlafen im Hochbett birgt immer ein gewissen Risiko.