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Herr Müller sieht die Welt

Vorgestern

Vorgestern ist im Prinzip das gleiche wie übermorgen, nur anders herum. Die Schnittmenge aus beiden Tagen wäre heute. Wie der Name schon sagt, ist vorgestern der Tag vor gestern. Gestern war auch ein Tag. Eigentlich ein sehr schöner Tag, weil gestern der Tag war, an dem ich Geburtstag hatte. Nun ist ja nicht jedes Gestern dadurch gekennzeichnet, dass ich da immer Geburtstag hätte, aber dennoch war es ein außerordentlich schöner Tag. 

Ernesto hat mich zu Beginn des Tages geweckt mit einem Ständchen zum Geburtstag. Anschließend frühstückten wir gemeinsam und kamen darauf zu sprechen, dass vorgestern das Liegerad vom Papa von Max umgefallen war. Dabei wäre beinahe unser Fahrrad mit umgefallen, mit dem wir immer unsere Ausflüge machen. Das ist nämlich ein ganz besonderes Fahrrad, da es einen Fahrradkorb mit Decke für Ernesto bereithält. Manchmal fahren wir durch den Stadtpark und ich zeige Ernesto die Bäume im Sommer. Ernesto ist dann immer ganz ergriffen von den vielen blühenden Pflanzen um ihn herum. 

Gestern musste also vorgestern geplant werden. Ich kam fast ganz durcheinander mit gestern und vorgestern, fing mich dann aber wieder recht schnell. Gut, dass mich Ernesto vorgestern an gestern erinnert hat. Als Vorbereitung für meinen Geburtstag stellten wir die Stühle auf den Tisch, weil die Küche dann als Tanzfläche zur Verfügung stehen sollte. Für die Party musste außerdem eingekauft werden, aber immerhin waren die Stühle schon oben. Wir brauchten noch dringend Klopapier. Leider war das in der Corona Pandemie schlecht zu kriegen – vielen Dank nochmal, liebe Mitbürger. Aber zurück zur Party. Die Einkäufe waren schließlich gemacht, die Party konnte gestern also beginnen. 

Die Party wäre beinahe völlig eskaliert, als eine Horde Jugendlicher laut grölend durch die Straße zog. Meine zwei Gäste beugten sich aus dem Fenster und riefen zu den Jugendlichen herunter, ob sie wissen, wie spät es sei. Die Jugendlichen drehten sich herum und riefen laut „Ja“ und gingen weiter. Völlig verdattert schlossen meine zwei Partygäste das Fenster wieder und wollten zur Tagesordnung übergehen. Leider hatte keiner meiner beiden Gäste noch die Tagesordnung, also mussten sie improvisieren. Wir alle waren nicht besonders geübt in Partyspielen und Stimmung hochhalten. So verging ein dennoch schöner Tag und wir erwarteten morgen. 

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Kreuzfahrt – Teil 2

Nachdem Ernesto und ich unsere Tage soweit gut strukturiert hatten durch Bingo und Shuffle-Board, fingen wir an, das Schiff zu entdecken. Unter anderem den großen Saal, in dem so hervorragende Musicals wie Mama Mia – die Kreuzfahrtausgabe – aufgeführt wurden. An Bord war wirklich Vieles geboten. Viele Mitreisende fanden es aber nur bedingt lustig, einer Schildkröte im Swimming Pool zuzugucken. Auch das Chlorwasser machte Ernesto stark zu schaffen, da seine Haut zu stark ausgetrocknet wurde. Von daher gingen wir nicht allzu oft Baden. Auch die Vielzahl von Bars und Cafés fanden in unseren Abendstunden Gefallen. Sehr gerne saßen Ernesto und ich bei einem gemütlichen Kaffee beieinander und überlegten, was wir am nächsten Tag unternehmen könnten. 

Morgen sollte es nach Oslo gehen. Wir waren gespannt wie die Flitzebögen auf den Ausflug. Dietmar und Isolde, die wir beim Shuffle-Board kennen gelernt hatten, kamen mit. 

Für große Irritationen sorgten zunächst die verbarrikadierten Fenster in den leeren Häusern am Straßenrand auf dem Weg ins Zentrum der Stadt. Auf unsere Nachfrage hin bekamen wir die Erklärung, dass erst gestern die Königin zu Besuch war und die Stadt in einem Ausnahmezustand war. Zum Schutz wurden die Fenster mit Holzbrettern zugenagelt. 

Oslo war, wie Norwegen insgesamt, sehr schön. Wie viele nordische Länder zeichnet sich Norwegen dadurch aus, dass es im Sommer angenehm kühl bleibt, man also dort die Sommermonate gut verbringen kann, wenn man den heißen Temperaturen im Sommer in unseren Breiten aus dem Weg gehen will. Die Landschaft ist spektakulär! Bahnlinien sind allerdings schwer anzulegen, weil die Landschaft durch die Fjorde so zerklüftet ist. Wie überall in Norwegen war der Handyempfang gestört durch die vielen Fjorde. Daher machen die vielen dort noch existierenden Telefonzellen Sinn. Die Menschen sind sehr viel besonnener im Umgang miteinander und auch mit Touristen. 

Insgesamt konnten Ernesto und ich feststellen, dass wir sehr gerne mit dem Schiff ferne Länder erkunden. Dieser Urlaub bleibt uns als schöne Erinnerung im Gedächtnis. 

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Übermorgen

 Ernesto wollte übermorgen Schlittschuhlaufen gehen. Auf meine Frage hin, warum wir das nicht heute machen könnten, antwortete er, dass er heute keine Lust habe, aber übermorgen sei ja erst in zwei Tagen und überhaupt sei übermorgen ja auch noch ein Tag. Von daher sei die Frage relativ überflüssig, so seine Meinung, da ja bis dahin seine Laune auf Schlittschuhlaufen eine andere sei als heute und er heute definitiv keine Lust habe. Schlechter könne seine Motivation ja nicht mehr werden, von daher habe er also dann übermorgen mehr Lust zum Schlittschuhlaufen. 

Manchmal sind Schildkröten echt anstrengend… 

Stellte sich also die Frage, was wir heute unternehmen würden. Ich schlug vor, Kart zu fahren. Dem Geschwindigkeitsrausch zu erliegen, macht sowohl Ernesto als auch mir großen Spaß. Also fuhren wir zur Kartbahn und liehen uns zwei Karts aus. Das Problem war vor allem, für Ernesto einen passenden Helm zu finden. Dieses konnten wir mit Hilfe eines sehr engagierten Mitarbeiters lösen, der die Schale einer Walnuss als Kopfbedeckung vorschlug. 

Der Kartspaß konnte also für uns losgehen. Nach einigen Proberunden zum Warmfahren fuhr Ernesto wie eine wild gewordene Tarantel und überholte mich in der 3. Runde. Die Tatsache, dass sich noch andere Fahrer auf der Bahn befanden, ließ ihn nicht vorsichtiger fahren, im Gegenteil. Ernesto schien Gefallen daran zu finden, die anderen Fahrer – einschließlich meiner Person – gnadenlos zu überrunden. Sein Fahrstil erinnerte stark an einen frühen Schuhmacher. Ernesto sah mit gezieltem Blick seine Chancen und fuhr auf sein Vorankommen bedacht. Nach 12 Runden bzw. 1 Stunde war der Spaß auch schon wieder vorbei. Aufgepumpt mit Adrenalin und völlig außer Atem gingen wir einen Kaffee trinken. Ernesto erzählte vom Karterlebnis wie alte Männer vom Krieg. Also dachte ich, lass ihn reden! Der Kaffee, um dessen Willen wir eigentlich hier waren, geriet in den Hintergrund und wurde uns erst wieder ins Bewusstsein gerufen, als eine Kellnerin das Tablett, auf dem unser Kaffee stand, fallen ließ. Mit lautem Klirren und Scheppern fluchte die Kellnerin unserem Kaffee hinterher. Ernesto war nur froh, dass die Kekse, die jedem Kaffee beilagen, trocken blieben und er sich über sie her machen konnte. 

Übermorgen kam dann schneller als erwartet. Wir gingen zum Schlittschuhlaufen. 

Feiertage

Neujahr

Das neue Jahr beginnt, wie das alte Jahr geendet hat: mit einer Saukälte. Dank des Klimawandels muss selbst diese dieses Jahr ausfallen. 

Wie immer kommt Neujahr völlig überraschend genau wie Weihnachten. Die guten Vorsätze sind schnell wieder dahin. Nach 3 Wochen ist alles wieder so wie vorher. Dabei hat man 365 Tage, alle 4 Jahre sogar 366 Tage, Zeit, seine guten Vorsätze in die Tat umzusetzen, sei es in den Aktivitäten Schlafen, Sport, Essen und Trinken oder Hobbies und Freizeit und vieles mehr. 

Man könnte nun einmal überlegen, was man im neuen Jahr ändern wollte. Zum Beispiel die Anordnung der Gewürze im Küchenregal, die muss unbedingt mal verändert werden. Der Pfeffer ganz links und das Salz ganz rechts machen ja Sinn, aber benutzt man so weit auseinander liegende Gewürze? Es ist doch vernünftiger, sie nebeneinander zu platzieren, damit man sie schneller erreichen kann. Auch das Chili und der Kardamom machen als wenig genutzte Gewürze in der Folge keinen Sinn. Da muss dringend eine neue Ordnung rein. Wobei Kardamom und Chili häufig unterschätzte Gewürze sind, da sie einem Gericht die gewisse Note verleihen können. 

Auch könnte man im neuen Jahr die Schuhe mal wieder tragen, die man schon lange nicht mehr getragen hat. Diese geben dem Träger die gewisse sportliche Note im Erscheinungsbild. Dazu der Trenchcoat und schon ist das schicke Outfit perfekt! Kein Mensch käme auf die Idee, dass es sich bei dem Träger um einen durchschnittlichen Sachbearbeiter einer Versicherung handelt. 

Bezogen auf das neue Jahr ergibt sich daraus für den Betroffenen: „Mal abwarten, was wird!“ Kein Mensch weiß, was das neue Jahr an Möglichkeiten mit sich bringt – ob nun die vergangene Liebe oder das neue Auto. Was wir daraus machen, hängt ja in erster Linie von uns selbst ab. 

In diesem Sinne: Ein frohes, neues Jahr! 

Herr Müller sieht die Welt

Kreuzfahrt – Teil 1

Es war mal wieder Sommer und Ernesto und ich überlegten, was wir in den Wochen machen könnten. Da wir am Donnerstag nicht ins Stadion kamen, weil Ernesto laut Ordner über eine defensive Angriffswaffe verfügen würde (seinen Panzer), beschlossen wir, uns mit dem Thema Urlaub zu beschäftigen. 

Campingurlaub scheiterte schon daran, dass Ernesto nicht in Klappstühlen sitzen konnte. Hotelurlaub fiel auch aus, weil Ernesto nie rechtzeitig zum Frühstück da war. Wanderurlaube waren relativ langweilig für mich, da Ernesto schon ewig brauchte, um die passenden Schuhe anzuziehen. 

Daher beschlossen wir, es mal mit einer Kreuzfahrt zu versuchen, frei nach dem Mantafahrer-Motto: „Kreuzfahren ist wie wennste fliegst.“. Wir könnten so viele Orte sehen und das Hotel schon mitbringen. Die Vorstellung, tief in die Kultur eines Landes einzutauchen, war sowohl für Ernesto als auch für mich sehr aufregend. Wir überlegten lange, ob es uns eher in warme Gefilde ziehen würde oder in den hohen Norden und entschieden uns dann für den kühlen Norden nach Norwegen. 

Leider hatten sowohl Ernesto als auch ich vergessen, dass Schildkröten zu einer gewissen Kältestarre neigen. Das sollte die Reise jedoch nicht weiter beeinträchtigen. So wurde Ernesto eben bei Landausflügen unter drei Lagen von Decken begraben. An Bord war ja sowieso gut geheizt. 

Die Landausflüge waren toll, aber es war relativ schwierig, den Tourenguides begreiflich zu machen, dass 3-4 Lagen Decken nun auf einem Hundeschlitten liegen sollten. Ernesto hat es dennoch sehr genossen. Wider Erwarten kam sogar ab und zu die Sonne heraus. Ganz zur Freude von Ernesto, aber auch mir, da wir dann auch mal draußen einen Kaffee trinken konnten. 

Norwegen ist ein großes Land und man bekommt gar nicht mit, wie weit oben das auf der Weltkugel schon liegt. Man vergisst, dass das schon ganz schön nah am Pol ist. Da ist es ja meist ganz schön kalt, zumindest war es früher so. Das Schöne an Kälte ist ja, dass man sich gegen sie schützen kann im Gegensatz zur Hitze, genauso wenig wie gegen aufdringliche Nachbarn und Chris Rea Songs zu Weihnachten. 

Aber zurück zur Kreuzfahrt. Am Spannendsten an Bord war sicher das Bingospiel jeden zweiten Abend. Die Magie von Zahlen ist sowohl für Schildkröten als auch für Menschen mysteriös. Dem ist mit blanker Mathematik nicht immer beizukommen. Dass Eins und Eins immer Zwei ergibt, dürfte ja klar sein. Beim Bingo ist nichts errechenbar, das macht Bingo so spannend. Ich kann die Engländer verstehen, dass sie so gerne Bingo spielen und extra Bingohallen dafür haben. 

Wir brauchten den einen Tag Pause zwischen den Bingoabenden, um uns wieder zu erholen und auch nochmal andere Aktivitäten zu unternehmen. Zum Beispiel gab es an Bord ein spektakuläres Shuffle-Board. Auch dieses wurde von Ernesto und mir mit größter Freude benutzt. Ernesto setzte sich auf einen der Shuffle-Steine und ließ sich von mir mit quietschender Freude über das Brett schieben. Von diesen Aktivitäten gab es viele, die uns die Zeit an Bord versüßten. 

Herr Müller sieht die Welt

Mein Küchentisch

Es war mal wieder Freitag und wie immer trafen sich Ernesto und ich am Küchentisch. 

An meinem Küchentisch waren vier Stühle, aber nur einer wurde von mir benutzt und so beschloss ich eines Tages, die Stühle reihum zu benutzen, damit alle gleichmäßig abgenutzt wurden und ein Besucher nicht den Eindruck haben könnte, dass nur ich hier sitzen würde. Ernesto saß auf dem Küchentisch und war damit raus. 

Interessant war dabei auch, dass man von jedem Stuhl einen anderen Blickwinkel auf das Haus gegenüber hatte. Die Veränderung des Blickwinkels kann ja durchaus zu ganz anderen Einsichten ein und desselben Sachverhalts führen. So konnte man auf dem Stuhl gegenüber dem Fenster sehr gut in das Haus schauen. Das war jedoch relativ uninteressant, es sei denn man findet Dachböden toll. Wenn man nun natürlich seine Sichtweise noch einmal komplett verändern wollte und unter den Tisch kroch, änderte sich die Sicht noch einmal kolossal. Aber auch Heizkörper verlieren auf Dauer ihren Reiz. Am besten war die Sicht, wenn ich auf dem Tisch stand, dann konnte ich das ganze Nachbarhaus hervorragend beobachten und in jedes Fenster schauen. Nicht dass ich Lust hatte, die Menschen zu bespannern, aber ein oder zwei interessante Beobachtungen habe ich dennoch gemacht. 

Herr Schulz aus dem 1. Stock brachte zum Beispiel gegen Mittag den Müll runter. Dabei traf er Frau Schmidt, die ebenfalls im Hausflur zugegen war, da sie immer gegen Mittag die Hauswoche machte. Die beiden trafen sich also am Müllcontainer und kamen ins Gespräch, in dessen Verlauf Frau Schmidt Herrn Schulz auf eine Tasse Kaffee zu sich einlud. Es stellte sich heraus, dass Herr Schulz immer am Freitag, wenn Markttag war, zum Markt ging und dort Kartoffeln kaufte. Frau Schmidt ging ebenfalls freitags zum Markt. Sie beschlossen daraufhin, gemeinsam zum Markt zu gehen und Herr Schulz konnte Frau Schmidt beim Tragen des Einkaufs helfen. 

An diesem Freitag beobachtete ich, wie Frau Schröder bepackt mit zwei Einkaufstaschen vom Einkauf zurückkam. Zwei Jungs spielten in der Straße Fußball und sie trafen Frau Schröder mit dem Fußball mitten auf den Rücken. Woraufhin sie ihre gesamten Einkäufe fallen ließ und sie begann, laut zu fluchen. Da ich das Fenster geöffnet hatte, weil es ein warmer Spätsommertag war, konnte ich alles von meinem Küchentisch aus beobachten und bekam mit, wie Frau Schröder die Jungs laut fluchend zurechtwies. Der Papa von Max kam gerade mit seinem Liegerad von der Arbeit und wurde sogleich von Frau Schröder über das Fehlverhalten seines Sohnes aufgeklärt. 

Eigentlich ist die Perspektive unter dem Tisch doch die angenehmste. Das Leben ist so aufregend! 

Feiertage

Weihnachten

Angesichts der Ausnahmezustände in unseren Städten, der Zonen kollektiver Besinnlichkeit und kollidierender Glühweinbecher (auch Weihnachtsmärkte genannt), kommt man nicht umhin festzustellen: Es weihnachtet sehr!! 

Woher kommt aber dieses Fest, das da gesamtgesellschaftlich so verkonsumiert und in Glühwein, Eierpunsch und verordneter Glückseligkeit ertränkt wird? 

Der Anlass ist schnell erzählt und eigentlich jedes Jahr der gleiche: 

Die Geburt Jesu, welcher in unseren Breiten, also denen des als christlich geltenden Abendlandes, elementarer Bestandteil des Glaubens ist (neben Gott Vater und dem Heiligen Geist). 

Aber: Jesu wurde an Epiphanias, also dem 6. Januar, geboren. 

Es ist kaum vorstellbar, dass seit jener Zeit die Auflage bestand, rotnasige Rentiere zu bejubeln oder dicke, bärtige Männer sich in viel zu enge rote, mit Pelzkragen besetzte Leibchen zu zwängen hätten. 

Wie konnte es dazu kommen? 

Ganz im Stil von „Event- Managern“ wurde im Laufe der Zeit nach dem Motto: „Sie haben den Anlass – wir die Ideen!“, ein Szenario kreiert, welches, mal abgesehen von Ostern, bis heute Seinesgleichen sucht. 

Zunächst einmal wurde das Datum passend gemacht: 

Aus alter Väter Sitte (der christliche Glaube war ja anfangs besonders bei den Römern recht verpönt!), wurde es vorverlegt auf den 25.12., da war nämlich bei den Römern sowieso gerade Mithras-Fest. An diesem Tag, dem Tag des römischen Sonnengottes (Sol, auch Mithras genannt), konnten auch die Germanen mitfeiern, da in dieser Zeit ohnehin das Wintersonnenwendfest anstand, welches von ihnen zelebriert wurde. 

Der Anlass (immer noch Jesu Geburt) und die aus dem römischen und altgermanischen stammenden Bräuche, wie sie in den verschiedenen Ländern unterschiedlich praktiziert werden, haben also partout nichts miteinander zu tun. 

Als ein besonders unsäglicher Brauch setzte sich der Weihnachtsbaum (auch Christbaum) seit dem 19. Jahrhundert durch. 

Erstaunlich, dass gerade dieser den Familienfrieden jedes Jahr neu auf eine Zerreißprobe stellende Brauch, erst so spät institutionalisiert wurde, bzw. warum dann eigentlich noch? 

Die in jeder Familie bestehende und doch ach so individuelle und als besonders anders erachtete Tradition des Baumschmückens ist letztlich ein, wenn nicht der Indikator, für eine funktionierende Ehe und Familienstruktur. 

Wahre Könner im Weihnachtsbusiness, sozusagen Manager der organisierten Bedächtigkeit, erarbeiten vorher Schlachtpläne, welche den genauen Hergang der Weihnachtstage regeln (also die Abfolge der Mahlzeiten) und sie legen ebenfalls die Aufgabenverteilung für die einzelnen Familienmitglieder fest. 

Zumeist sieht das wie folgt aus: Mutter kocht sich (nach Vorlage und Absegnen des Menüplans bei Vater) in der Küche einen Wolf und wird dazu verdonnert, um Himmels Willen die Tür nicht zu öffnen, damit’s im Haus ja nicht so unangenehm nach Essen riecht. Die Kinder, sofern vorhanden, gehen ihr dabei zur Hand oder dürfen Vater beim Schmücken des Weihnachtsbaumes helfen. Dies jedoch nur dann, wenn sie den Anweisungen des Vaters („Der Strohstern kommt an den dritten Zweig von oben !“) genauestens Folge leisten. Der Baum soll schließlich eher hinsichtlich mathematisch-symmetrischer Gesichtspunkte entzücken, weniger weiblich-kitschig verbrämten Schönheitsidealen, entsprechen. 

Nachdem der Baum geschmückt, die Kinder bereits heulend, zumindest aber muckelnd auf ihren Zimmern weilen, Mutter immer noch mit dem Garen des 

Menüs beschäftigt ist, geht Vater nun daran, den Weihnachtspunsch anzutesten. 

Gleichzeitig obliegt es ihm, die Sofaecke für das „Chill- Out“ nach der Bescherung anzuwärmen (mit anderen Worten: er sitzt rum, natürlich sehr beschäftigt und beschallert sich). 

Der Weihnachtsbaum, um den es ja eigentlich ging, war übrigens ursprünglich eher ein „Lichtbaum“, mit dessen Hilfe die bösen Geister in den „Rauhnächten“ (der Zeit vom 25.12. bis 6.1.) vertrieben werden sollten. 

Nun ja, angesichts solcher Bräuche, bleiben die bösen Geister wohl lieber zu Hause. Wer so feiert, braucht keine bösen Geister mehr. 

In diesem Sinne: 

beschauliche Weihnachtstage! 

Herr Müller sieht die Welt

Mein Name ist Müller,

ich bin 55 Jahre, arbeite in Kiel beim Katasteramt. Viele denken, das ist genauso spannend wie `ne Zwangsheirat, aber da täuscht man sich schnell. Natürlich wiehert der Amtsschimmel bei uns auch laut, aber wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat, ist es gar nicht mehr so schlimm. 

Ich bin – wie gesagt – 55 Jahre und arbeite beim Katasteramt in Kiel. 

Ich wohne in einer 2-Zimmer Wohnung im Dachgeschoss eines Altbaus. Mein bester Freund ist meine Schildkröte Ernesto. An Freitagen, wenn Markt ist bei uns und ich frische Tomaten mitbringen kann, dann machen es sich Ernesto und ich in der Küche gemütlich und ich schneide für uns Tomate auf. Ernesto ist mir vor 5 Jahren zugelaufen. Es war ein Sonntagmorgen und ich fand Ernesto völlig ausgehungert vor mir auf dem Bürgersteig. Letzten Freitag mochte Ernesto sein Salatblatt und seine Tomate gar nicht mehr. Ich habe natürlich sofort den Verdacht gehabt, dass er wohl irgendwie erkrankt sein müsste. Aber schon am nächsten Tag aß er sie wie eh und je. Da hab` ich mir schon ganz schön Sorgen gemacht um Ernesto und darum, wie es bloß wäre, sollte Ernesto nicht mehr da sein. 

Wie gesagt, ich bin 55 Jahre und arbeite beim Katasteramt. 

Die Arbeit im Katasteramt ist leider manchmal ganz schön eintönig. Manchmal ist diese Eintönigkeit ganz erholsam, kann aber auch leicht sehr anstrengend werden. Nun denkt sich der Normalsterbliche, dass die Arbeit eines Katasteramts doch eigentlich nur aus Zahlenkolonnen und Vermessungen besteht. Aber dem ist überhaupt nicht so. Oft genug müssen wir zwischenmenschliche Probleme innerhalb unseres Büros klären. 

Wie Frau Meier zum Beispiel den Joghurt neulich von Herrn Maler gegessen hat; dann kann das schon für Zoff auf dem Amt sorgen. Oft genug werde ich dann zur Lösung solcher Konflikte hinzugezogen. 

Wenn ich davon abends Ernesto erzähle, kann dieser darüber nur den Kopf schütteln und bestätigt mir mein Vorgehen. Das Leben als Schildkröte muss so einfach sein. Das menschliche Dasein birgt eine Vielzahl von vermeintlichen und tatsächlichen Konflikten, deren Relevanz man erst im Nachhinein begreift. Hätte Frau Meier nicht den Joghurt von Herrn Maler gegessen, so hätte es vermutlich den Kontakt zwischen Frau Meier und Herrn Maler gar nicht gegeben. So aber wird der Konflikt durch den mittelbaren Kontakt am Kühlschrank offensichtlich. Hätte Frau Meier sich nicht widerrechtlich den Joghurt von Herrn Maler einverleibt, hätten die beiden nie voneinander gewusst und Herr Maler hätte nie das Büro B 105 von Frau Meier betreten, um dort mal einen Kaffee zu trinken und von seinem Leben zu erzählen. 

Herr Maler ist nämlich in seiner Freizeit in den Wüsten dieser Welt unterwegs und war schon in Regionen, von denen Frau Meier noch nie gehört hat. Nie hätte sie vermutet, dass eine der größten Wüsten in einem Teil von China liegt. Dorthin zu reisen, ist ihr größter Traum. Gerne möchte sie mal an die Chinesische Mauer und selber riechen, ob der Klebreis, mit dessen Hilfe die Mauer gebaut wurde, nicht langsam streng riecht. Sie macht in ihrer Freizeit gerne Aerobic. Das interessiert Herrn Maler zwar nur begrenzt, aber allein die Vorstellung von Frau Meier im Aerobic-Kostüm sorgt bei ihm für eine schlagartige Verbesserung der 

Laune. Er verspricht, sich einmal mit ihr ein Aerobic-Video von ihrer großen Heldin Jane Fonda anzuschauen. Peter Fonda, der Vater von Jane Fonda, war berühmter Westernheld. Von daher, dachte Herr Maler, müssten die Filme mit Jane Fonda ja gut sein. So kann man sich irren, wurde Herr Maler von der Realität belehrt. Beide sprachen sie nie wieder von dem Abend mit Jane Fonda und Herr Maler kam auch nie wieder auf ein Käffchen in B 105. Kein Mensch kann mehr behaupten, dass das Leben in deutschen Büros nicht durchaus seine Spannungen hat. 

Hoffentlich ist bald wieder Freitag. 

Kopfwürmer

Realität vs. Wunschdenken

Ich habe MS. Fakt. Soviel zum Thema Realität. Wie sich das Ganze aber ausgestaltet, ist mir überlassen. Mein Wunschdenken wäre dann also dahingehend von Belang, wie ich mit der Krankheit umgehe, also der Versuch, mit der Krankheit so normal wie möglich zu leben. Das verlangt natürlich auch eine Umwelt, die das freundlicherweise mitträgt. 

Zum Zeitpunkt der Diagnose 2008 war ich am Beginn einer langen Reise, wusste nur noch nicht, ob diese Reise ein Ziel hat oder der Weg das Ziel war. Ich verstand den Sinn meiner Reise zunächst gar nicht. Vielleicht musste ich es aber auch nicht verstehen, sondern lernen, Dinge hinzunehmen. 

Das Verhalten von Mitmenschen wie auch Krankenkassen ist sehr gewöhnungsbedürftig, dabei bin ich dummerweise derjenige, der krank ist. Vielleicht muss man auch als Erkrankter viel Geduld mit seiner Umwelt haben, aber das wusste ich zu Beginn nicht. Ich war und bin nach wie vor, ziemlich überfordert mit dem Umgang mit der Erkrankung, auch wenn es oft nicht so aussieht. Es beruhigt mich nur, wenn Ärzte einem bestätigen und andere am Hirn Erkrankten (also Epileptiker zum Beispiel), dass die Diagnose nicht gleichzeitig ein Todesurteil ist und somit die Hoffnung bleibt, 100 zu werden. 

Ich merke gerade, dass ich bereits zu Beginn meiner Krankheit solche Zeilen verfasst habe. Das ist vielleicht Ausdruck der Hilflosigkeit. Das ist zum einen eine gute Ausrede, zum anderen verdammte Realität, weil ich wirklich noch nicht weiß, wie der Weg beschritten wird. Sandalen wären für den Weg eher unangebracht, Turnschuhe gehen aber auch schlecht, da ich gar nicht mehr laufen kann. In meinem Fall wären das also Slicks für den Rolli . 

Wenn man so vor sich hin erkrankt, denkt man zwangsläufig, dass alle Welt doch wissen müsste, wie es einem geht. Es wäre schön, wenn es so wäre. Leider ist dem aber so nicht, sondern vielmehr muss man sich täglich neu motivieren, um den Weg weiterzugehen, ob nun im Rolli oder in Turnschuhen und immer wieder merken, dass man die Krankheit alleine hat. Stets versucht man zwar, sie mit anderen zu teilen, aber muss immer wieder feststellen, dass die Umwelt genauso überfordert ist, wie man selber. Das doofe an der Erkrankung ist, dass es kein Medikament gibt, das 

alles wieder gut macht und das nervt ganz gewaltig. Man muss sich also Meilensteine / Fixpunkte auf seinem Weg suchen, zum Beispiel eine Frau oder ein Kind oder wie in meinem Fall am besten beides. Ne, ne, ne, das soll keine Schmunzette über mich werden . 

Ich lebe nach wie vor gerne, wenn mir die Krankheit dabei auch unnötiger Weise auf den Keks geht. Das soll kein infantiler Umgang mit der Erkrankung sein, sondern ein steter Versuch, dem Leben etwas abzugewinnen. 

Nach den vorangegangenen Zeilen, die, wie ich finde, sehr treffend formuliert sind, bleibt mir nur zu sagen, dass ich auf der Suche bin nach der Quintessenz des Lebens. Vielleicht ist ein kindlicher Umgang mit der Erkrankung hilfreich. Kindlich soll nicht heißen naiv, sondern unvoreingenommen, ohne zu wissen, wie der Verlauf ist und ohne mich detailliert damit auseinanderzusetzen, was bei mir eher noch mehr Ängste schüren würde. 

Ich bin behindert? Ja, aber das bezieht sich nur auf das körperliche. Ich bin geistig noch fit, aber es ist immer wieder lustig, wie die Umwelt einen behandelt, nämlich als ob ich geistig behindert wäre. Vielleicht kann ich das der Umwelt nicht vorwerfen, aber trotzdem nervt das ganz gewaltig, wenn ich behandelt werde, als sei ich gaga. So sprechen viele Menschen nur mit meiner Frau, obwohl ich anwesend bin und manchmal sogar über mich in meinem Beisein. Auch die Behandlung als Dreijähriger ist nicht gerade zielführend und angeschrien zu werden amüsiert mich zwar, aber bringt leider nichts . Ob aus Unsicherheit oder aus anderen Gründen, für mich ist das oft demütigend. Liebe Leute, ich und meiner Einer wollen einfach nur normal behandelt werden . 

Das Doofste ist die mangelnde Selbstständigkeit, die mit der Erkrankung in meinem Fall einhergeht. Oft würde ich gerne etwas tun, ich weiß nicht genau was und mit welchem Ziel, ich weiß nur, dass es sowieso nicht klappt. Selbst kleine Dinge sind dann riesengroße Hürden auf dem Weg zu einer Selbstständigkeit. In solchen Momenten werde ich dann leider (nur) manchmal ungerecht zu meinem Sohn oder meiner Frau. Das tut mir sehr leid! Dies soll keine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung für mein Verhalten. Ich liebe euch sehr! 

Feiertage

3. Oktober

Um mal Willy Brandt zu bemühen, der da meinte: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“, wird immer klarer, dass ein Land nicht über das Tragen von Uniformen definiert wird. Durch die Erfahrung mit dem Sozialismus sollte eigentlich jedem bewusst sein, dass dieser schnell missbräuchlich benutzt werden kann. Natürlich hatte Brandt mit seinen Worten Recht, dennoch sollte den Menschen bewusst sein, dass die Füllung des Begriffes „Sozialismus“ nicht allein vom Namen her erfolgen darf. 

Am 3. Oktober wurden die beiden deutschen Staaten wieder zu einem. Sozialismus hin oder her, natürlich Grund genug diesen Tag zu feiern. Dennoch sollte stets mahnend in Erinnerung bleiben, dass dieser Tag auch schnell verunglimpft werden kann. Es geht nicht darum zu schreien: „Hurra, wir sind Deutsche!“, es geht nicht um Ost oder West, sondern um einen sensiblen Umgang mit unserer Geschichte. Dass wir nebenbei Deutsche sind, sollte uns dazu bringen, dass wir uns unser Leben – so wie wir heute leben – bewusst machen: in Freiheit. Der Sozialismus unserer Prägung hat dies leider nicht so sehr bedacht, was sehr schade ist, weil Sozialismus als Vorstufe des Kommunismus ja eigentlich prinzipiell ein toller Gedanke ist, nur leider die weltliche Verwirklichung bisher sehr zu wünschen übrigließ. Und im Gegensatz zum Kapitalismus der Sozialismus eigentlich keine Grenzen kennt, denn im Gegensatz zum Kapitalismus, dessen Grenzen in der Begrenztheit des Wachstums begründet sind, kann der Sozialismus ewig und drei Tage herrschen, wenn er vernünftig umgesetzt wird, was er leider in der Vergangenheit nicht tat. Die Annahme des Sozialismus, dass alle Menschen von Geburt an gleich an Rechten und Pflichten seien, ist ja per se durchaus überzeugend, gerade vor dem Hintergrund von zum Beispiel Inklusion an Schulen. Menschen sind in der Lage, mit ihrer Umwelt zu interagieren und diese zu beeinflussen, was uns von den Tieren unterscheidet. Jedoch sollte uns klar sein, dass dann der Stärkere eben nicht mehr gewinnt, sondern dass uns dieser Sozialdarwinismus von den Tieren unterscheidet und uns eher zum primus inter pares macht. 

Zurück zum 3. Oktober: Den Deutschen sollte an diesem Tag also klar sein, dass ein Leben in Freiheit eben einer täglichen Arbeit bedarf und nicht selbstverständlich sein kann. Diese Freiheit erfordert keine tägliche Auseinandersetzung, sondern vielmehr 

das Akzeptieren des Anderen und der anderen Meinung und diese muss selbstverständlich geäußert werden dürfen. 

Um mal wieder einen weiteren geschichtsträchtigen Vergleich zu bemühen, sei an dieser Stelle Voltaire genannt, der den Gedanken unseres Zusammenlebens in Freiheit schon sehr treffend formulierte, indem er sagte: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würde mein Leben dafür einsetzen, daß Sie sie äußern dürfen.“