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Kopfwürmer

Die Klugscheißerei 

Die banale Klugscheißerei wurde von mir zur Profession geadelt. Nicht mehr nur einfach alles besser wissen, sondern jetzt auch mit staatlichem Examen alles besser wissen zu dürfen / müssen. 

Das war zunächst eine schöne Sache, aber je häufiger das Ganze angezweifelt wurde, desto anstrengender wurde es. Nicht wegen der anschließenden Diskussion, sondern wegen der permanenten Unterstellung, es nicht besser zu wissen. Das kann schon sehr nerven! Dabei war doch mein Besserwissen staatlich lizensiert und Schlausein macht leider manchmal ganz schön einsam. Aber nun ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen, wie man so schön sagt. Ich entschied mich also, mich doof zu stellen, denn Doofe haben es meiner Beobachtung nach leichter im Leben. 

Das genau wurde auch zu meinem Grundproblem: Etwas zu wissen wird von der Umwelt stets in Frage gestellt. Das macht Wissen oft sehr anstrengend. Nichts zu wissen, macht dagegen nichts, um mal einen alten Sponti-Spruch zu bemühen. Ein anderer wäre ja dann: Wissen ist Macht. Wie sehr Wissen Macht ist, wird mir immer klarer, je mehr mein Wissen angezweifelt wird. Aber auch sich doof stellen , hilft auf Dauer nicht. Doofheit muss irgendwie authentisch sein, sonst wirkt sie unglaubwürdig. 

Schwierig wird`s nur, wenn Doofheit mit Schlauheit verwechselt wird. Man sollte stets darauf achten, dass Aggressionen oder Dominanz kein Zeichen von Intelligenz sind. 

Das Feld der Doofheit wird von vielen Treckern gepflügt. Aber auch hier können viele Köche den Brei verderben. Treckerfahren darf man ja auch schon ab 16 Jahren. Dies könnte einen schon zu dem Hinweis verleiten: Kinder an die Macht. Jedoch, das alte Grönemeyer-Album „Sprünge“ greift nach meinem Dafürhalten zu weit, weil ich glaube, dass Kinder noch nicht weit genug sind, diese Macht auszufüllen. Ihre Naivität hilft nur im ersten Moment, gemischt mit Erwachsenenverhalten kann daraus eine brisante Mischung werden. Auch hier stellt sich das Problem, dass Kindern oft Eigenschaften zugeschrieben werden (meist von den Eltern), die über die eigentlichen Fähigkeiten hinausgehen. 

Fazit: 16 jährige Treckerfahrer können zur Gefahr für den Straßenverkehr werden, wenn auf dem Feld der Dummheit gepflügt wird. Das gilt natürlich nicht für staatlich lizensierte Klugscheißer. 

Herr Müller sieht die Welt

Händy 

Die Zahl der Telefonzellen nahm rapide ab in den letzten Jahren. Das fiel auch Ernesto auf und er fragte, wie das denn zu erklären sei. Er vermutete, dass entweder alle jetzt eigene Telefonzellen hätten oder – was wahrscheinlicher war – alle jetzt vor allem mit ihren Handys telefonierten. Wie zur Bestätigung zeigte er mir sein Handy, das ein besonderes Foto auf der Oberfläche hatte. Es zeigte nämlich Ernie und ihn im Hinterhof beim gemeinsamen Kaffee und Kuchenessen auf dem Straßenfest. 

Seitdem Ernesto ein eigenes Handy hatte, hing er ständig an selbigem und war für Kommunikation mit mir überhaupt nicht mehr greifbar. Das nervte mich ganz gewaltig! Als dann eines Tages sein Handy ins Klo fiel, war er auf direkte Kommunikation mit mir zurückgeworfen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mit ihm mal ein paar Dinge zu vereinbaren. Zum einen nervte mich sehr, dass jegliche Kommunikation nicht mehr stattfand und zum anderen, dass er sich stattdessen mit Ernie am Handy über etwaige Unbill unterhielt. Probleme sind doch aber dazu da, um sie in einem Gespräch direkt mit der betreffenden Person zu lösen und nicht mit Dritten über die betreffende Person in digitalen Medien abzuwettern. 

Der eigentliche Sinn von Telefonen wird durch die neue Art der Kommunikation mit den Handys ad absurdum geführt. Die Kommunikation, um deretwegen man ja eigentlich telefoniert, steht nicht mehr im Mittelpunkt des Telefonierens, also der Benutzung des Telefons. Vielmehr sind die anderen Funktionen des Telefons in den Mittelpunkt der Benutzung gerutscht. Das Telefon wird zum Statussymbol, weil es im besten kantschen Sinne nicht mehr Mittel zum Zweck ist, sondern Selbstzweck. 

Ernesto benutzte sein Handy vor allem als Fotoalbum und eine Vielzahl von Fotos zeigten ihn und Ernie in diversen Lebenssituationen, wobei er größten Wert darauf legte, stets gut getroffen zu sein. Wie Ernie aussah, war ihm relativ egal. 

Wir vereinbarten daraufhin, dass Ernesto jetzt wieder für eine direkte Kommunikation mit mir zur Verfügung stand. Ernesto musste sich an diesen Gedanken erst einmal wieder gewöhnen, fand das aber letztlich doch besser als über ein Medium mit mir zu sprechen. 

Die direkte Kommunikation zwischen zwei Menschen eröffnet beiden ungeahnte Möglichkeiten! Probieren Sie es mal aus, es lohnt sich meistens! Wenn nicht, sagen Sie mir bitte Bescheid. 

Herr Müller sieht die Welt

Weihnachten bei Ernesto 

Genau wie ich liebte Ernesto Weihnachts-Knabbereien, aber im Gegensatz zu mir genoss er diese auch ohne Kaffee. Hauptsache, er konnte Lebkuchen essen. Ernesto hatte beschlossen, dass anstelle eines Adventskranzes auf seinem Panzer jeden Sonntag eine neue Adventskerze angezündet werden sollte, natürlich nur für den jeweiligen Tag. Das Bild von einer Schildkröte mit vier brennenden Kerzen auf dem Panzer stellte ich mir lustig vor, aber noch war es ja auch Zeit bis zum 4. Advent. 

Als es dann so weit war, stellte sich vor allem das Schmücken des Baumes als Problem heraus. Ernesto und ich hatten völlig gegensätzliche Ansichten über das ausgewogene Schmücken eines Baumes. Ernesto wollte Lametta und Elektrokerzen, ich wollte dagegen möglichst viele Strohsterne, Holzanhänger und echte Kerzen. Auch bei der Auswahl des Stollens waren wir geteilter Meinung. Ich mochte Rosinen, er nicht. Einig waren wir in der Abneigung von Dominosteinen, diese fanden wir beide eklig. 

Wir beschlossen, den Tannenbaum zu teilen. Für die eine Hälfte des Schmückens war Ernesto zuständig, für die andere Hälfte ich. Die innerdeutsche Staatsgrenze war nichts gegen den geteilten Weihnachtsbaum von Ernesto und mir. Bis auf die Tatsache, dass er über keinerlei Selbstschussanlagen verfügte, war die Teilung schon sehr offensichtlich. Selbst ein Blinder konnte sehen, dass in diesem Haushalt wohl zwei gegensätzliche Lebewesen lebten. Nie hätte ich gedacht, dass Weihnachten zu solchen Zwistigkeiten führen könnte. Aber wie ich schon von so manchem hörte, ist gerade das Fest der Stille Anlass für so manchen Streit. 

Der nächste Punkt, über den wir uns einig werden mussten, war das Weihnachtsessen. Ernesto wollte Würstchen und Kartoffelsalat, mir war das zu profan. Mir stand mehr der Sinn nach Braten, Rotkohl und Klößen. Unser ortsansässiger Bio-Bauer hatte noch zwei Gänsebraten zur Verfügung. Wir mussten uns also beeilen, um noch einen zu erhaschen. Nachdem wir einen der Braten noch ergattern konnten, konnte ich Ernesto von der Schmackhaftigkeit dieses Festmahls mit Rotkohl und Klößen überzeugen. 

Ernie und Bert waren hoch erfreut, gemeinsam mit ihrem Anhang zu unserem Weihnachtsessen zu kommen. Nachdem alle gesättigt waren, mehr oder weniger glücklich über ihre Geschenke – Ernie bekam von Ernesto ein Terraband, um sich körperlich ertüchtigen zu können – sang Ernesto zu unser aller Begeisterung Weihnachtslieder begleitet mit seiner Spezialgitarre. Den Abschluss des Abends bildeten Glühwein und Punsch, der von uns in vollen Zügen genossen wurde. 

Fröhliche und besinnliche Weihnachtstage wünschen euch Herr Müller und Ernesto! 

Herr Müller sieht die Welt

Schnecken 

Völlig außer Atem vor Aufregung erzählte Ernesto mir eines Tages begeistert davon, dass er nicht das langsamste Tier im Tierreich sei. Er habe jetzt Schnecken entdeckt und die seien viiieeel langsamer als Schildkröten. Außerdem berichtete er, dass sie immer so eine Schleimspur hinterlassen würden, die fand Ernesto ziemlich eklig. Sein Versuch, mal eine Schnecke zu einem Wettrennen herauszufordern, blieb bisher unbeantwortet, aber vielleicht findet sich ja noch ein Gegner. 

Den Witz mit der Schnecke auf der Schildkröte, die sich zum Ausruf „Hui!“ hinreißen lässt, fand Ernest gar nicht witzig, wo wir bei der Relativität von Geschwindigkeit wären. Was für Schnecken normale Geschwindigkeit ist, ist für Schildkröten wirklich langsam. Also fragt sich dann, wie schnell die Geschwindigkeit von Menschen für Schildkröten und Schnecken wirken musste. 

Das Sprichwort In der Ruhe liegt die Kraft konnte Ernesto nur bedingt unterschreiben, da er schon ein eher langsamer Zeitgenosse war. Das Sprichwort macht ja nur dann Sinn, wenn man die Wahl hat, ob etwas schnell oder langsam geht. Und das mit dem Schleim: Darauf konnte er getrost verzichten. Das wurde ja auch im Sprichwort nicht erwähnt. 

Trotzdem ließ es mich als Angehörigen der schnelleren Spezies mal darüber nachdenken, dass Schnelligkeit nicht das Gebot der Stunde sein kann und auch gar nicht sein sollte. Was mir gar nicht bewusst war: Mit Schnelligkeit schließt man von der Beteiligung einige Menschen aus. Zum einen wird Schnelligkeit häufig als Hektik interpretiert, zum anderen können eben viele Menschen nicht mehr so schnell reagieren wie gefordert. Das heißt aber nicht, dass sie nicht mental teilnehmen oder den Gedanken nicht nachvollziehen können. Ernesto war ja der Ansicht, es sei besser, Dinge mit Bedacht anzugehen. Das hieß nicht, sie langsamer zu erledigen, sondern stets über das zu Tuende nachzudenken, um dann zu einer wohl durchdachten Tat zu schreiten. 

Mir fiel zu dem Wettrennen zwischen Schildkröte und Schnecke noch die berühmte Parabel vom Wettrennen zwischen Hase und Igel ein. Um Ernesto ein ähnliches Schicksal zu ersparen wie dem Hasen in der Parabel, schlug ich ihm vor, sich niemals auf ein Rennen mit einer Schnecke einzulassen, da diese in unseren Breiten im Zweifelsfall über mehr Artgenossen verfügte als Schildkröten. Natürlich hörte Ernesto nicht auf mich und nahm ein Rennen mit einer Schnecke an. Mit Stirnband bewaffnet erwartete er den Tag des großen Rennens. Meine Aufgabe war es, ihn während des Rennens mit ausreichend Flüssigkeit zu versorgen. Als Rennstrecke war unser Hinterhof ausgewählt worden. Entgegen meiner Befürchtung gewann Ernesto das Rennen, wenn auch nur knapp. Zur Belohnung gab es von mir dann diesmal ein Siegeressen. 

Auch wenn Ernesto gewann, Schnelligkeit ist dennoch oft nicht das anzustrebende Ziel, sondern die Qualität und die Absicht der Handlung sind entscheidend. 

Kowalski lebt

Zäune vs. Hecken 

Viele werden es schon bemerkt haben: Häufig werden Zäune oder Hecken zur Einfriedung eines Grundstücks genutzt. Wobei Hecken die weitaus freundlichere Variante ein und desselben Zweckes sind. Der Zweck heißt: Draußen bleiben! 

Hecken reichen noch eine Flasche Rotwein dazu, Zäune sind da direkter. Zäune werden häufig in Fachgeschäften verkauft, fertige Hecken dagegen weniger. Sie müssen erst über Jahre wachsen, genau wie Weine, eine gewisse Reife erlangen. Zäune sind also mehr Ausdruck einer Industrialisierung. Die biologischere Variante sind Hecken, sie wirken auch freundlicher und weniger drastisch. Zur Abgrenzung von Wohnbereichen, man könnte auch sagen Lebensbereichen, sind sie aber dennoch häufig gern genommen. 

Im Fall unseres Mietshauses kam eine Mischung aus beiden zum Tragen. Erst kam der Zaun, dann wuchs an ihm eine Hecke empor. Natürlich kümmerte ich mich maßgeblich um ihre Pflege und Wässerung. Die Hecke wuchs und gedieh und überwucherte den Zaun im Laufe der Jahre schließlich gänzlich. 

Aber fragen Sie jetzt nicht, wie es dazu kam… Das Hickhack ob Zaun oder Hecke dauerte zuvor einige Jahre. Schließlich war der Zaun zunächst als Wachstumshilfe gerne gesehen. Je höher und eigenständiger die Hecke wuchs, desto schöner fanden sie die anderen Bewohner des Hauses. Den Sinn und Zweck von Zäunen könnte man so auch als reine Wachstumshilfe für Hecken beschreiben. Aber oft genug beschränkt sich die Benutzung von Zäunen nicht nur darauf. Die Menschen sind scheinbar schon zu sehr an die Benutzung von Zäunen gewöhnt. Nur der Zaun als Begrenzung wirkt nackig. 

Menschen neigen eher zu Zäunen oder sogar Mauern und sind sich deren Wirkung gar nicht bewusst. Die Bedeutung von Mauern sollte gerade uns Deutschen in schmerzhafter Erinnerung sein. Dennoch wählen Menschen oft diese Variante, um ihren Besitz oder Dinge zu schützen. So ganz leuchtete mir das aber nie ein. 

Waltraut sagte mir mal in einer stillen Stunde, dass es für sie sehr wohl einen großen Unterschied zwischen Zäunen und Hecken gäbe. Und zwar in ihrem Bepinkelungsverhalten. Da seien Hecken viel angenehmer und weniger hart. Außerdem spritzen sie weniger zurück. In der Frage, ob Hecke oder Zaun würde ihre Wahl also immer auf die Hecke als Ort der Erleichterung fallen. 

Ach wenn doch alle Menschen wären wie Waltraut! 

Herr Müller sieht die Welt

150 % 

Ein volles Glas entspräche 100%, so erklärte ich Ernesto, was 100% sind. Mehr als 100% könne es eigentlich nicht geben. Ernesto stutzte und fragte mich, wie es dann käme, dass viele Menschen 150% von ihrer Leistung geben wollten. Seiner Anmerkung, „Das geht ja gar nicht“, konnte ich schwerlich widersprechen. Meine Erklärung, dass diese Menschen ihre Leistung übererfüllen wollen, diente zur Erklärung für ihn und mich. 150% würde aber am Beispiel des Glases immer ein Fußbad einschließen. Um bei den Menschen zu bleiben, wollen diese damit anzeigen, dass sie bereit sind, vollen Einsatz zu zeigen. Wenn sie aber mehr geben als sie dazu in der Lage sind über einen längeren Zeitraum, fragt sich die Fachwelt, wie lange das für den betreffenden Menschen gut gehen kann. Die Subjektivität der Aussage wird offenkundig, weil nicht klar ist, was genau 100% sind. Somit ist auch die Aussage, 150% geben zu wollen, subjektiv. 

Am Beispiel des Glases wären 100% für Ernesto schon die Fähigkeit, das Glas mit Wasser zu füllen. Wie soll denn eine Schildkröte das Glas befüllen? Ernesto versuchte daraufhin natürlich, ein Glas zu befüllen. Er stellte aber fest, dass es für ihn unmöglich war. Es zeigte sich, dass die 100% für den einen selbstverständlich, für den anderen unmöglich waren. Es lässt sich also keine allgemein gültige Aussage treffen, was bereits 100% waren. Die 100% müssen also demnach intra-individuell bestimmt werden (so viel zum Thema Lernzielkontrollen – eine Anmerkung des Autors – Es macht demnach wenig Sinn, zwischen den Individuen zu vergleichen, sondern innerhalb eines Individuums zu schauen, wo der Lernfortschritt liegt.). 

Ernesto musste nach so vielen Gesprächen über Flüssigkeiten erstmal dringend auf`s Klo. Ernesto kam völlig zufrieden vom Klo zurück und sagte, er habe 100% gegeben. Die Füllmenge der Blase ist individuell verschieden. Die 100%, die Ernesto gab, waren also seine individuelle Blasen-Füllmenge, mehr ging nicht. 

Wieder bezogen auf die Füllmenge des Glases, würde es also wenig Sinn machen, diese zu erhöhen genauso wie die Blasengröße, da sie für jedes Lebewesen festgelegt ist. 

Es wird also deutlich, dass 150% zwar nett gemeint sind, aber in der Realität nicht gehen. 100% ist bereits das Maximum der Leistung eines Lebewesens. Die sollten angestrebt werden, sie jedes Mal zu erreichen wäre aber auch übermenschlich und auf lange Sicht auch gar nicht erstrebenswert. 

Kopfwürmer

Mein Jodeldiplom 

Okay, okay… Also das Land Niedersachsen hatte vor ca. 6 Jahren beschlossen, mich in den Ruhestand zu schicken. 

Meine zwei Examina und die abgeschlossene Trainerausbildung zählten nicht mehr. Da sollte mir das Land Niedersachsen nicht mit Lehrermangel kommen. Natürlich ist mir durchaus bewusst, dass mein Sprechen gewöhnungsbedürftig ist, aber durchaus verständlich – man muss halt manchmal genauer hinhören. Die Fähigkeit des genaueren Hinhörens wurde den Schülern und Schülerinnen abgesprochen und den Fakt des Eigentores bemerkt hoffentlich bald mal jemand. Leider ging dies zu Lasten meiner Person. „Der Aufwand wäre zu groß gewesen“, war die Aussage. Gerade in Zeiten der Inklusion erscheint es einem als blanker Hohn, wenn nur auf Seiten der Schüler Behinderungen vorkommen dürfen, zu deren Ausgleich alles erdenklich Mögliche getan wird, was ja durchaus berechtigt ist. Aber auch Lehrkräfte brauchen vielleicht eine ihnen angemessene Hilfestellung. Das deutsche Beamtenrecht ist schon was Feines. Vielleicht wird irgendwann bemerkt, dass seit dem alten Preußen – aus dieser Zeit stammt es nämlich – sich in Deutschland einiges verändert hat. 

Dieses soll keine unbegründete Anklage werden über das Verhalten der Behörde. Vieles davon kann ich nachvollziehen, auch wenn ich fürchte, dass sich seitens der Behörde nicht so viel Gedanken gemacht wurde wie meinerseits über die noch mögliche Betätigung als pädagogischer Helfer im Trainingsraumkonzept. Für mich wäre es eine Chance gewesen, es zumindest zu probieren. Für die Zuständigen war es mehr eine Bearbeitung eines weiteren Falles und ein Abarbeiten der rechtlichen Pflichten. 

Das stete Jammern und Klagen über meine Erkrankung hilft ja nicht, sie ist nunmal da. Texte wie dieser sind Ausdruck meiner Wut und Hilflosigkeit angesichts vermeintlicher Untätigkeit. Also brauchte ich halt etwas Eigenes: Da brauchte ich mein Jodeldiplom. Mein Jodeldiplom ist mein Blog, der mir die Möglichkeit gibt, mich und meine Gefühle und Gedanken zu artikulieren, wenn auch mit Hilfe beim Tippen. Er ist die von mir neu gewählte Aufgabe, die mich weitestgehend ausfüllt und belustigt am Leben erhält. Das Schreiben von Texten findet zwar stets in meinem Kopf oder im Austausch mit meiner Frau beim Tippen statt, dennoch fehlt mir der direkte soziale Kontakt mit anderen. 

ABER: Durch den Blog haben sich auch wieder Kontakte ergeben zu Menschen, zu denen ich lange Zeit gar keinen Kontakt hatte und wieder anderen, zu denen ich vorher nie Kontakt hatte. Jodeln macht halt in der Gruppe mehr Spaß und ich danke all den Mitjodlern von Herzen! 

Herr Müller sieht die Welt

Banane 

Südfrüchte sind ja lecker. Gerade Bananen, obwohl sie zur Trennlinie zwischen West und Ost wurden. In Westdeutschland gehörten sie zum generellen Obstangebot im Supermarkt, in Ostdeutschland eher nicht. Von der CO2-Bilanz von Südfrüchten reden wir jetzt mal nicht. 

Dass Südfrüchte die Trennung der deutschen Staatsgrenze manifestierten, hätten sich die Oberen damals auch nicht träumen lassen. Ananas und Melonen waren ja auch eher staatstragend, da sich an ihnen die innerdeutsche Staatsgrenze weniger manifestierte als an Bananen. Trotzdem schmecken sie heute Ernesto sehr gut, auch wenn ihm die Historie von Bananen im innerdeutschen Zusammenleben völlig wurscht war. 

Ernesto liebte Bananen und konnte nicht genug von ihnen bekommen. Auch wenn es für ihn schwierig war, sie zu schälen, freute er sich doch, wenn er von mir ein Stück Banane bekam. Ich kam mir dann immer ein wenig vor wie im Zoo bei der Fütterung. 

Endgültig salonfähig wurden Bananen durch das Bild von Andy Warhol, das dann The Velvet Underground als Platten-Cover nutzte. Die Banane war nicht mehr nur ein herkömmliches Obst, sondern zur Kunstfrucht geadelt worden. Josephine Bakers Rock zu Ehren der Banane – wenn auch ein paar Jahre vorher – war endgültig vom Zeitgeist eingeholt worden. Bananen durften nicht nur schmecken, sondern waren auch Kunst und Gegenstand, um Gegenwertigkeit auszudrücken, mit der sich die Menschen auseinandersetzten. Die Vergänglichkeit des Gegenwärtigen wird einem angesichts der Bananen deutlich: Kaum ist sie da, ist sie dann auch schon gegessen. Nur Obacht mit der Schale! Diese sollte in den dafür vorgesehenen Behältern entsorgt werden. Schade eigentlich, dass sich Bananen-Pflanzen so schlecht als Christbaum eignen. Ihr Wachstum in Stauden macht ein Behängen mit Schmuck nahezu unmöglich. 

Zurück zum Anfang der Geschichte: Die oft verkannte CO2-Bilanz von Südfrüchten sollte einem Anlass zum Innehalten geben. Genau wie bei Fleisch ist auch hier die Umweltbelastung durch den Transport ziemlich hoch und sollte einen wieder zurück zum Genuss von einheimischem Obst führen. Trotz dem Bananen eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen, konnte Ernesto nicht ganz darauf verzichten, nur die Menge reduzierten wir. 

In diesem Sinne: Alles Banane! 

Herr Müller sieht die Welt

Achterbahn 

Am letzten Wochenende waren wir in einem Freizeitpark bei uns in der Nähe. Nachdem wir geklärt hatten, wo es hingehen sollte – die Auswahl an Freizeitparks ist ja recht umfangreich – konnte unsere Reise starten. Zum Glück mussten wir nicht allzu weit fahren. 

Ernesto fuhr im Gegensatz zu mir gerne Achterbahn. Ich merkte bereits nach der ersten Fahrt, dass das nichts für mich war. Je schlechter ich mich fühlte, desto besser gefiel es Ernesto. Da er in meiner Brusttasche mitfuhr, musste also ein passender Ersatz gefunden werden mit Hemd oder entsprechendem Pulli mit Brusttasche. Wir konnten ja nicht erwarten, dass die Achterbahn extra für Ernesto umgebaut wurde. Gott sei Dank stand in der Schlange der Freizeitpark-Besucher ein freundlicher, junger Mann, der bereit war, Ernesto in seiner Brusttasche mitzunehmen. Damit Ernesto auch in Loopings einen sicheren Platz hatte, musste die Brusttasche mit einem Knopf oder Reißverschluss gesichert werden. Nachdem die sichere Verwahrung von Ernesto geklärt war, konnte es also losgehen. 

Die beiden – Ernesto und sein Mitfahrer – stellten sich in der Schlange der Achterbahnwilligen an und erwarteten ihr Glück. Leider raste genau in diesem Moment ein Zuckerwatte Verkäufer mit seinem Lastenrad genau in die Schlange der Achterbahnerwartenden, sodass Ernesto und sein Mitfahrer noch einmal auf ihr Glück warten mussten. Nach immerhin zwei Stunden, in denen die Verletzten beiseite geräumt wurden, ging es dann endlich mit dem Achterbahnbetrieb für die beiden los. 

Wider Erwarten hatte Ernesto schon nach drei Runden genug. Das lag zum einen am Achselgeruch seines Mitfahrers, zum anderen daran, dass ihm dann drei Runden pures Adrenalin doch genug waren. Er beschloss daraufhin, dass er dann lieber mit mir eine Runde Autoscooter fahren wollte. Er merkte, dass das dann doch eher Seins war. Er setzte seine Sonnenbrille auf, lehnte sich mit einer Pfote cool aus dem Auto und zog seine Sonnenbrille ins Gesicht. Los ging die wilde Fahrt! 

Kein anderes Auto war vor Ernesto und seiner mutwilligen Kollisionsfreude mehr sicher. Mit der Sonnenbrille ähnelte er stark den Blues Brothers. Von mir darauf angesprochen, leugnete er aber jegliche Absichten. Auch hier war die Bodennähe das entscheidende Kriterium der Fahrgeschäfte. Für Höhe muss man halt gemacht sein und das Leben als solches ist ja schon Achterbahnfahrt genug. 

Herr Müller sieht die Welt

Zeitung 

Jeden Morgen saßen wir am Frühstückstisch mit der Zeitung und informierten uns über die Geschehnisse in der Welt. 

Dabei hatten wir ein Problem: Immer genau das, was ich lesen wollte, wollte Ernesto auch lesen. Unser Streit kulminierte in dem Wunsch nach dem Sportteil. Erst mit der Umstellung auf ein E-Paper konnte das Problem gelöst werden. Jeder von uns konnte so jederzeit das lesen, was er wollte. Anstrengend war nur, dass Ernesto mir permanent erzählen wollte, was er gerade gelesen hatte, sodass ich in meinem Lesen immer gestört wurde. Aber im Laufe der Zeit hatten wir das Problem dahingehend gelöst, dass wir zunächst beide die Zeitung lasen und uns anschließend über das Gelesene unterhielten. Die Todes- und Kleinanzeigen waren für uns beide von Interesse, wobei Ernesto eher die Kleinanzeigen interessierten und mich die Todesanzeigen, um zu wissen, wer gestorben war. 

Verwundert über die Geschehnisse auf der Welt unterhielten wir uns also über das Gelesene. Verwundert deswegen, weil es immer wieder erstaunlich war, wie wenig die Menschheit in der Lage ist, ihre Umwelt schön zu gestalten. Kriege an jeder Ecke und die Menschheit wird nicht schlauer daraus, dass Krieg eben keine Lösung für Konflikte ist. Ernesto war über das Verhalten von Menschen immer wieder sehr verwundert, da Schildkröten ihre Konflikte zwar langsamer, aber auch friedlicher lösten. Das Menschsein erfordert oft das Innehalten, von daher sollten sich viele Menschen mal bewusst machen, dass gerade in der Ruhe die Kraft liegt, also sie erst denken, dann handeln sollten, auch wenn Geduld nicht Jedermanns Stärke ist. Ich spreche da aus eigener, leidvoller Erfahrung. 

Um das Bild des Menschen zu verbessern – nicht, dass ihr denkt, dass ich nur Negatives denke – sei hier angemerkt, dass es in der Zeitung natürlich auch positive Meldungen gibt. So zum Beispiel auch von Menschen, die anderen uneigennützig helfen. Besonders erwähnenswert sind an dieser Stelle Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte, deren Einsatz leider viel zu selten eine Notiz findet. Gerade Schildkröten können oft ein Lied davon singen, da sie oft genug auf Hilfe anderer angewiesen sind. Zum Beispiel, wenn sie auf dem Rücken liegen oder Türklinken benutzen müssen. Das Problem mit den Türklinken hatten wir in unserer Wohnung fast nicht mehr, da wir sämtliche Türen (bis auf Wohnungs- und Toilettentür) ausgebaut hatten. 

Zeitunglesen ist für Menschen und Schildkröten nach wie vor das ideale Medium und die soziale Funktion von Zeitung wird durch die Bereicherung an unserem Frühstückstisch deutlich.