Kopfwürmer

Leben

Das Leben könnte so einfach sein, wenn nicht ständig aktuelle Ereignisse im Leben dazwischenfunken würden. Was zunächst wie ein Widerspruch daherkommt, erklärt sich beim Erleben des Lebens. So einfach – wie gedacht – ist es nämlich gar nicht.

Das Leben in seiner Gänze betrachtet, ist sicherlich schwer zu beurteilen, zumal ich das Ende Gott sei Dank noch nicht kenne. Na klar, könnte ich sagen: Irgendwie ist es scheiße, mit so einer Erkrankung zu leben. Andererseits eröffnen sich dadurch auch wieder ganz neue Perspektiven auf das Leben. Kleine Dinge und scheinbare Alltäglichkeiten bekommen dadurch einen neuen und ganz gewichtigen Stellenwert. Das genau macht vielleicht das Leben aus. Dass Alltäglichkeiten als solche wahrgenommen werden und in den Gesamtzusammenhang des Lebens einsortiert werden. Das Leben ist nämlich eines der härtesten, wie schlaue Leute das einst sagten und, ohne es zu wissen, damit den Nagel ziemlich auf den Kopf trafen. Trotzdem möchte ich in meinem Leben nichts missen, so anstrengend manches ist, so liebenswert und lebenswert sind eben andere Dinge, die auch ein Großteil meines Lebens ausmachen.

Einfach so vor sich hinleben geht nicht. Das Bewusstsein für das Leben erfolgt leider oft in der Retrospektive. Um einen Perspektivwechsel vorzunehmen, dient mir dieser Blog – oftmals hilft er mir dabei, momentanes und vielleicht auch zukünftiges Leben unter einem neuen Blickwinkel zu betrachten. Der Blog ist unabhängig von Prüfungen. Die Prüfung erfolgt durch mich und mein Verständnis vom Leben bzw. Andersleben.

Wäre das Leben eine Baustelle, dann sähe ich mich eher am Betonmischer denn am Bagger: Es liegt mir eher, Neues zu gestalten als Altes ab- bzw. einzureißen. So am Betonmischer des Lebens fühle ich mich oft genug wie der Chef, werde aber auch oft genug von der Realität darauf hingewiesen, dass vieles von mir nicht mehr unmittelbar ausgeführt werden kann, aber doch als Anweisung, Chef eben . So als Betonmischer des Lebens muss ich oft genug feststellen, dass der alte Werbespruch „Hoffentlich ist es Beton“ wohl doch nur für Gebäude gilt. So als Individuum dem Leben gegenübergestellt hilft es wenig, starrsinnig voranzuschreiten. Eine gewisse Flexibilität hilft manchmal ungemein. Insbesondere im Leben.

Solange flexibler Beton noch nicht erfunden ist, bleibt mir nur die Hoffnung auf diese Erfindung.

Kopfwürmer

Was wäre, wenn

So manches Mal, wenn ich so vor mich hindenke, kommt mir schon die Frage hoch: Was wäre, wenn es gegen meine Form der MS ein Medikament gäbe, das mich aus dem Rollstuhl aufstehen lassen würde. Es wär schon komisch, weil dann mein ganzes momentanes Leben schon wieder – zum zweiten Mal – komplett umgeschmissen werden würde. Ich habe mich gerade so in meinem Zustand eingerichtet, mich daran gewöhnt, dass ich im Rolli sitze. Daran zu rütteln, erscheint mir schwer, wenn es jetzt hieße, nächste Woche um 3 kommt dagegen ein Medikament. Das wäre schon komisch.

Das erste Mal mein Leben zu verändern, war schon schwer genug, ein zweites Mal sicherlich wünschenswert, aber schon sehr anstrengend, mal von den wegfallenden Ausreden abgesehen. Nächste Woche um 4 würde es mir besser passen, falls das Schicksal nichts vor hat. Nein, aber mal im Ernst: Meine Ungeduld ist in Verbindung mit der Erkrankung wirklich sehr anstrengend. Das Gefühl, eine Belastung für seine Umwelt zu werden, muss immer wieder von mir selbst geäußert, dann aber auch relativiert werden.

Auf dem Gipfel des „hätte, wennte, könnte“-, also des „was wäre, wenn“- Gedankens, fällt mir auf, dass es sicherlich schwieriger ist 1 Million im Lotto zu gewinnen, als endlich ein Medikament für meine Form der MS zu finden. Dabei wird deutlich, dass es recht schnell ging, ein Mittel gegen Corona zu finden. Auch entgegen der Aussagen meiner damaligen Ärzte (2008) dauert es eben nicht nur 10 Jahre bis die Form meiner MS Geschichte ist. Physio, Ergo und Logo sollten dann eher eine Beschäftigungstherapie sein, bis DAS Medikament auf den Markt kommt. Das scheint sich aber leider noch etwas zu verzögern – the wind knows how long.

Angeblich ist das Leben kein Wunschkonzert. Und ich darf nicht vergessen, dass mit der Diagnose auch die Geburt meines Sohnes einherging und das war sicherlich um Lichtjahre schöner und wichtiger als diese doofe Diagnose. Damit will ich die Erkrankung nicht klein reden, aber im Gesamtzusammenhang meines Lebens relativieren. Mit anderen Worten: Wenn das Leben dir Zitronen anbietet, mach Limonade draus! Leicht gesagt und doch ernst gemeint. Oder mit anderen Worten: Jeder ist seines Glückes Schmied, aber nicht jeder Schmied hat Glück. Und ich hatte bisher eine Menge Glück mit einem tollen Sohn und einer tollen Frau. Manchmal hilft es mir, das alltägliche Sein so in größeren Kontexten zu sehen. Das lenkt von der täglichen Beschwerlichkeit ab.

ASo lässt sich der „was wäre, wenn“-Gedanke ertragen.

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Ja vs. Nein

Manchmal – an guten Tagen oder auch innerhalb eines Tages – können alle 26 Buchstaben, sogar die Umlaute, von mir verbal verständlich geäußert werden. An schlechten oder auch Scheißtagen beschränkt sich meine Kommunikation auf Ja (Kopfnicken) und Nein (Kopfschütteln). Dieser binäre Code macht mein Verhalten so manchem Rechner ebenbürtig. Nicht dass ich mich mit irgendwelchen Rechnern vergleichen möchte, aber die Auswahl ist doch sehr beschränkt, das heißt der Computer kann zwischen 0 und 1 wählen und ich zwischen ja und nein. In dieser Beschränktheit der Wahlmöglichkeiten liegt aber auch zugleich ihre größte Freiheit. Philosophen dürfte das Problem bekannt vorkommen. Für mich wird es aber manifest, weil deutlich.

Ein beherztes Jein wäre eine dritte Möglichkeit. Der Psychologe Freud hat mit Ich, Es und Überich ja auch drei Versionen des Ichs geschaffen. Die Nähe zur heiligen Dreifaltigkeit ist da schonmal verdächtig. Religiöse Gemüter können sich aber schnell auf den Schlips getreten fühlen. Dieses ist natürlich ausdrücklich nicht das Ziel, aber ein gelegentliches Überdenken der Handlungsweisen lohnt schon.

Das beherzte Jein wird von mir manchmal praktiziert. Es äußert sich in missmutiger Stimmung und einer unglaublichen Unzufriedenheit mit mir selber. Ich muss mit mir echt geduldiger werden. Vor allem darf diese Ungeduld mir gegenüber und nicht gegenüber Frau, Kind und etc. zum Tragen kommen. Eigenes Verhalten zu reflektieren hat dazu geführt, dass ich die Idee hatte, mir Fahrradreflektoren umzuhängen in der Hoffnung, dass dies auf mein Verhalten Auswirkung hätte. Als ich dann aber aussah wie ein geschmückter Weihnachtsbaum, ließ ich doch davon ab. So als lebendiger, geschmückter Weihnachtsbaum durch die Gegend zu rollern, ist nicht jedermanns Sache, meine war es zumindest nicht.

Das Reflektieren, so musste ich einsehen, hat auch seine Grenzen. Dennoch bringt es gelegentlich mal Licht ins Dunkel. Reflektion muss ja nicht nur gewollt, sondern auch gekonnt sein. Wie eine gekonnte Reflektion aussieht, wäre dann wohl gegeben, wenn eigene Verhaltensänderungen zu einer Lösung führen würden. Dies ist aber in näherer Zukunft noch nicht abzusehen. Vielleicht liegt die Lösung vieler Probleme darin, mit mir selber auf lange Sicht genügsamer zu sein. Zeiten mangelnder Reflektion schlagen dann immer voll auf das eigene Gemüt durch.

Ja und Nein sind in ihrer Aussage so absolut, ein Jein wäre da versöhnlicher. Vielleicht muss ich die Akzeptanz des Jeins noch lernen.

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Poller 

Diese Pickel der Fußgängerzonen nahmen immer mehr Überhand, waren sie doch Ausdruck der aktiven Gegenwehr gegen Lieferanten aller Art. Auch als Schutz vor Terroranschlägen gefielen sie zunehmend. Ein Poller machte noch keinen Frühling, so sagt man, glaube ich. Aber viele Poller verderben den Brei. Um die Sprichworte-Kiste nicht weiter zu strapazieren, sei hier nur angemerkt, was Hänschen nicht gelernt hat, lernt Hans nimmer mehr oder kurz gesagt: Wer anderen eine Grube gräbt, wird Bauarbeiter. Genug der flotten Sprüche. 

Zurück zu Pollern: Eigentlich sollten diese ja die Zufahrt zu bestimmten Bereichen versperren. Oftmals tun sie das auch zunächst, können dann aber mit passendem Schlüssel doch umgelegt werden oder sie sind absenkbar. Das hat dann zur Folge, dass jenseits der Poller doch ein geschäftiges Treiben herrscht und man sich fragt, welchen Zweck die Zugangsbeschränkung dann eigentlich mal hatte. Clearasil hilft gegen diese Art von Pickel wenig. Vielmehr Geduld und Langmut. Ganz nebenbei ist mir aufgefallen, dass es im TV gar keine Clearasil-Werbung mehr gibt, ich ahne da eine Weltverschwörung. Oder hat plötzlich die Menschheit keine Pickel mehr? Das kann ich nicht ganz glauben. Daher siehe Weltverschwörung. Die neue Pickelfreiheit sollte die Menschheit dazu veranlassen, sich wieder wichtigen Themen in ihrem Dasein zuzuwenden. Kriege wären da zum Beispiel – gleich nach Pickeln – ein lohnenswertes Ziel der Auslöschung. 

Die Folgen versenkbarer Poller für Rollifahrer seien hier mal nicht genannt. Sie sind geradezu unaussprechlich, weil skandalös. Man stelle sich einen Rollifahrer vor, der von einem solchen Poller angehoben wird und dort oben verhungert, weil keiner an einen Rollifahrer auf Pollern denkt und Vogelfutter schmeckt ja nicht jedem… Mit anderen Worten: Die Folgen für uns alle sind unabsehbar. Rollifahrer auf Pollern sind ja Gott sei Dank eher selten anzutreffen. Um die Rollifahrer sichtbarer zu machen, könnte es helfen, sie mit Lampen-Stirnbändern zu versehen, dann hätte man Weihnachten auch weniger zu schmücken in den Innenstädten. Natürlich müsste der Rollifahrer ein Solarpanel auf dem Kopf tragen, damit die Lampen mit umweltfreundlicher Energie versorgt werden könnten. Man sieht also: Es gibt noch viel zu tun im Staate Dänemark, um Rollifahrer in den Alltag vollständig zu integrieren. 

Bis dahin akzeptieren wir Rollifahrer gelegentliche Missgeschicke mit den Pollern, lesen weiter Shakespeare und freuen uns auf Weihnachten. 

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Motti

Um meinem Ruf als Schlaumeier gerecht zu werden, sei hier mal gesagt, dass ein
Motto in der Mehrzahl Motti heißt . Auf jeden Fall hat sich mein Lebensmotto
„Wenn der Wahnsinn dich anlacht, lach zurück“ erweitert um das Motto: „Ich bin
behindert, aber nicht doof!“ (wie ich hoffe). Also behandelt mich bitte auch nicht so.

Das erste Motto ist in meinem Berufsleben begründet. Mein Berufsleben als Lehrer
war oft genug von Chaos und Hektik gekennzeichnet. Vielfach hatte man das Gefühl,
in einem Irrenhaus zu sein. Erst der Rückzug mit einer Tasse Kaffee in den
Klassenraum ließ mich wieder herunterkommen. Das Verrückte waren dann aber
nicht die Schüler, sondern die ganzen anderen Umstände des Berufes. Von Eltern, die
glauben, man hätte ja sonst nix zu tun (ernsthaft) als Kaffeetassen durch die Gegend
zu tragen bis zu Kollegen, die ihren Status wohl etwas überbewerten. Im Laufe der
Jahre habe ich aber gemerkt, dass es gar nichts bringt, sich über diese Widrigkeiten
aufzuregen, sondern dass mit einem Lachen alles besser zu ertragen ist. Auch die
Angriffslust des Gegenübers wird dann geringer. Vielleicht sind aber auch die
Erinnerungen von damals eher im Geiste von mir romantisiert worden, dennoch
kann ich nur sagen, dass meine Erfahrungen mit Schülern jeder Art durchweg positiv
waren. (Hiermit seien meine ehemaligen Schüler gegrüßt).

Das zweite Motto ist meinen Erfahrungen als Rollstuhlfahrer und Gehandicapter
geschuldet. Es wäre ein Traum, wenn das körperliche Unvermögen nicht auf die
geistigen Fähigkeiten übertragen werden würde, was leider allzu oft passiert. Aber
auch geistig Gehandicapte sollten einen nicht dazu veranlassen, das Gegenüber wie
einen Doofen zu behandeln. Also falls ihr unsicher sein solltet, wie ihr euer
Gegenüber behandeln sollt, mein Tipp: Einfach normal!

Zurück zu den Motti: Wie immer ist die Normalität das Maximum in jeglicher
Hinsicht. Alles andere wäre eher Wunschdenken. Wenn man keinen Plan hat, hilft es
manchmal, sich von der Situation tragen zu lassen. Wir wollen natürlich nicht, dass
sich die Situation an uns einen Bruch hebt, deshalb ist es empfehlenswerter gar nicht
erst Pläne zu machen, da diese häufig genug über den Haufen geworfen werden
müssen, gerade in meinem Alltag. Mein Alltag ist oft genug von Gedanken über die
Erkrankung getragen. Das doofe an der Erkrankung ist, dass sie viel Spielraum zur
Interpretation gibt. Beispiel: Wenn man ein Bein ab hat, weiß man, dass es zukünftig
mit Laufen schwer wird. Ich aber weiß nicht, welche Überraschungen die Erkrankung
zukünftig bereit hält.

Deswegen gilt auch hier mein erstes Motto: „Wenn der Wahnsinn dich anlacht, lach zurück“!

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Der Finne

Wer einmal in Finnland war, wird meine Begeisterung für Land und Leute teilen.
Aber liebe Finnen, sind diese Fußgänger-Überwege euer ernst? Wie bitte soll
man die bezwingen können, wenn man im Rolli sitzt und noch keine Hornhaut
am Arsch hat? Schnellkurs bei Reinhold Messner, oder was?

Nehmt euch doch bitte mal ein Beispiel an den englischen FußgängerÜberwegen.
Da lernt man, was ein sanfter Übergang von Fußweg auf Straße
heißt. Nur dass hier keine falschen Eindrücke entstehen: Auch deutsche
Überwege und Fußweg-Absenkungen können deutlich optimiert werden. Man
fragt sich als Betroffener, womit die für den behindertengerechten Umbau
angeblich hinzugezogenen Rollstuhlfahrer geschlagen sind, scheinbar mit
Blindheit. Apropos, die Signale für Sehbehinderte an Fußwegen sind –
zumindest in den größeren Städten Finnlands – optimal. Das gleiche würde ich
mir für die Rollifreundlichkeit der Fußgänger-Überwege wünschen.

Der Finne an sich ist aufgeschlossen und freundlich. In der bunten Hauptstadt
wird hauptsächlich Englisch gesprochen, genau wie in Teilen Berlins.
Gelegentlich hat man den Eindruck in einer Freak-Show zu sein. Ich sah zum
Beispiel Barbie und Ken, ein anderes Mal begegneten mir Frauen in Lack und
Leder aus einem quietschgelben Audi TT steigend. Auffällig war die
Hilfsbereitschaft der Menschen, sei es beim Türaufhalten im Café oder im
allgemeinen Miteinander.

Cool und ungewohnt für deutsche Autofahrer sind sicherlich die
Bundesstraßen, die jäh unterbrochen werden und deren Fortführung durch
eine Fähre unternommen wird, wenn man die Schärenlandschaft besucht.
Natürlich ist die Benutzung der Fähren kostenlos. Wenn man in Finnland essen
geht, sei hier empfohlen, Rentier zu probieren. Auch wenn man sich zunächst
scheut, schmeckt es dann doch sehr gut. Nur die Vorstellung an den
Weihnachtsmann und seine Helfer muss man aus dem Kopf kriegen.

Als sehr angenehm fand ich die Zurückhaltung und Rücksichtnahme auf Leute
im Rolli. Das allgemeine Gefühl der Menschen, ständig erster sein zu müssen,
ist in Finnland scheinbar sehr gering, so habe ich es jedenfalls empfunden.

Alles in allem kann ich Finnland nur empfehlen, sowohl Land als auch Leute,
weil die Entspanntheit der Leute sich relativ schnell auf uns als Touristen
überträgt. Ich für meinen Teil kann nur sagen: Vielen Dank, ich habe mich bei
euch sehr wohlgefühlt, liebe Finnen!

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Halbwahrheiten

Im Gegensatz zur völligen Wahrheit zeichnen sich Halbwahrheiten dadurch aus, dass sie hauptsächlich Vermutungen sind, die erst durch die Realität bestätigt werden müssen. 

Da auch dieses nur eine Vermutung von mir ist, bin ich auf der Suche nach der absoluten Wahrheit. Die Suche nach der absoluten Wahrheit ist ein Weg mit unbekannten Größen, da das Ziel noch nicht bekannt ist. Auf dem Weg zur absoluten Wahrheit mache ich daher erstmal Rast. Innehalten soll ja bekanntlich förderlich sein für das Denken. Ob und inwieweit sich das auf die Suche nach der absoluten Wahrheit auswirkt, weiß ich ja noch nicht. Aber es gibt mir zumindest erstmal das Gefühl, was getan zu haben. … 

Mein Versuch, nach der Rast wieder ins Denken zu kommen, war nur teilweise erfolgreich. Jeder kennt ja die Rastplätze an Bundesstraßen oder an Autobahnen. Dass diese eher Toiletten gleichen, liegt an den Benutzern derselben. Den eigentlichen Zweck der Rastplätze möchte ich mal wieder betonen dadurch, dass ich auf ihnen ein Butterbrot esse, auch wenn dies einige Überwindung kostet. Sie sollen den Fahrer dazu anhalten, gelegentlich mal eine Pause im Kilometerfressen zu machen. Ein Butterbrot hilft dabei ungemein, es regt die Denkfähigkeit des Betroffenen immens an. 

Also beschließe ich, jetzt meinen Blutzucker hochzufahren und mit der Pause zu kombinieren. Tatsächlich fällt mir nun das Denken leichter, deshalb zurück zu den Halbwahrheiten: 

Wenn man also mit einem binären Code arbeiten würde, bei dem 1 die absolute Wahrheit wäre und 0 die Unwahrheit, dann wäre – zumindest dem Verständnis nach – die Halbwahrheit darunter anzusiedeln, also bei -1. Denn die Halbwahrheit gilt im allgemeinen Sprachgebrauch noch weniger als die Unwahrheit. 

Die Halbwahrheit wäre also mit dem schlecht gewordenen Rollmops zu vergleichen, da hat man doch lieber keinen als einen schlecht gewordenen. Ein gewisser Trump aus dem fernen Amerika wird dann also schnell überführt, weil Fake News dann zum Himmel stinken. Halbwahrheiten und Unwahrheiten sind die zwei Seiten derselben Medaille, beide verfolgen hier den Zweck, von der Wahrheit abzulenken. Die Medaille der Halb- bzw. Unwahrheiten möchte aber keiner, gerade angesichts der Olympischen Spiele, umgehängt bekommen. 

Also lasst uns doch einfach bei der Wahrheit bleiben, auch wenn sie manchmal weh tut. 

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Vollkasko – Teilkasko 

Häufig ist man ja vom Wunsch erfüllt, dass alles im Leben abgesichert sein könnte. Aber relativ schnell muss man leider feststellen, dass dem nicht so ist. Beseelt vom Wunsch nach vollumfänglicher Absicherung ist wohl jeder Mensch. Fraglich ist dann, wie man mit der Enttäuschung umgeht, dass diese eigentlich nicht möglich ist. Permanentes Verdrängen kann wohl helfen, aber nur kurzzeitig. Wie eine tiefgreifende Auseinandersetzung mit dieser Thematik aussehen könnte, weiß ich auch nicht. 

Jedenfalls ist mir klar oder müsste jedem klar sein, dass eine 100%ige Absicherung gegen die Risiken des Lebens eigentlich nicht möglich ist, sondern nur der Umgang damit – also die Auseinandersetzung mit dem Leben als solches – für den Einzelnen von Belang ist. 

Der Spruch „No risk, no fun“ ist leicht gesagt, wenn die Risiken relativ überschaubar sind. Gleichzeitig setzt er aber diejenigen zurück, die Risiken oder Krankheiten haben, sie hätten keinen „fun“, weil die Risikobereitschaft dieser Leute nunmal zwangsläufig geringer ist. Zwangsläufig nimmt meiner einer das Leben bewusster wahr. Das schließt jedoch nicht aus, dass man Spaß am Leben haben kann. 

Für die Wagemutigen unter uns sei die Form der Teilkasko-Versicherung empfohlen. Alles mit einem Restrisiko zu behaften, ist jedermanns Sache nicht. Aber wer es mag… 

Dass scheinbar alle Risiken von uns versichert werden müssen, ist auf der einen Seite unserer Bequemlichkeit geschuldet, aber auch dem Wunsch nach Absolutheit und dem Wunsch nach absoluten Zuständen. 

Letztlich komme ich und kommt auch man zu dem Schluss, dass es wohl eine 100%ige Absicherung, wenn auch gewünscht, nicht geben kann. Bleibt nur die Einsicht in den Umgang mit dem Restrisiko. Das Restrisiko ist häufig in der eigenen Psyche begründet, also muss man sie mehr stärken, um sie gegen das Restrisiko zu mobilisieren. Die Immunisierung kann dann eigentlich nur durch stetig wiederkehrende Highlights im persönlichen Leben erfolgen. Worin diese Highlights bestehen, ist dann jedem selbst überlassen. Eine Voll- oder Teilkasko für das Leben kann also nur darin bestehen, sich persönlich stark genug zu machen, um den Wirren des Lebens zu trotzen. 

Man könnte das auch wie folgt zusammenfassen: Jeder ist seines Glückes Schmied, aber nicht jeder Schmied hat Glück. In diesem Sinne: Viel Glück 

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Och menno! 

Es gibt so Tage, da will die Säge sägen, um mal einen alten Sozialpädagogen aus meiner Zivildienstzeit zu zitieren. Manchmal kann ich mit meiner Einschränkung relativ gut umgehen und damit leben und dann gibt es Tage, da werde ich vor allem für mich selber und mein Umfeld zur Belastung. Dabei will ich das ja gar nicht! Aber, wie gesagt, manchmal ist das einfach so – die Krankheit braucht manchmal ihren Raum. Und dieser Raum wird ja offensichtlich manchmal nicht im genügenden Maße von mir zugestanden. 

An solchen Tagen ist es anstrengend, weil jede Verhaltensweise von mir dahingehend überprüft wird, ob es etwas mit der Krankheit zu tun haben könnte oder keinen ernsten Hintergrund hat. Einfach vor sich hin leben ist da eben nicht. 

Andererseits sorgt es so auch dafür, dass ich jeden Tag bewusst lebe. Das heißt nicht, dass ich jeden Tag Müsli esse, sondern mir einfach klar mache, dass mein Leben – so anstrengend es auch manchmal ist – über viele positive Aspekte verfügt, die ich mir nur immer wieder klar machen muss, mehr als ein Nicht-Erkrankter. Oft können das auch Nichtigkeiten bzw. kleinste Kleinigkeiten sein. So zum Beispiel freue ich mich gerade immens über die Formulierung mit dem Müsli, die – wie ich finde – genau das sagt, was ich meine. Andere Frühstücks-Cerealien will ich gar nicht klein reden, auch Cornflakes haben ihre Berechtigung. Das herkömmlich geschmierte Butterbrot – oft auch als Pausenbrot bekannt – soll hier ebenfalls genannt werden. 

Zurück zu den zersägten Tagen: Solche Tage kennt ja jeder, die von A bis Z voll für die Tonne sind. Ich bin da schnell versucht, sie meiner Erkrankung zuzuschreiben, um dann festzustellen, dass diese natürlich oft mit meinem körperlichen Unvermögen zu tun haben. Das körperliche Unvermögen hat ja eigentlich nichts mit der geistigen Beweglichkeit zu tun. Soll heißen: Bloß weil ich körperlich kein Marathon mehr machen kann, kann ich diesen aber geistig tun. Dies darf dann nur nicht versehentlich zu einer Traumvorstellung werden. Damit die Realität nicht allzu frustrierend wird, sollte sie immer mit schönen Dingen angereichert werden. Traum und Realität sind also zwei Seiten derselben Medaille, die Rolle von Numismatikern wird hier oft unterschätzt. Wenn einem das klar ist, kommt man durch beides gut durch. 

„Och menno!“ ist manchmal also okay, wird es aber zum dauerhaften Zustand: Obacht! 

Kopfwürmer

Kopfsteinpflaster 

Kopfsteinpflaster ist sehr hübsch anzuschauen, aber oftmals leider relativ uneben und daher für Rollstuhlfahrer doof. Jetzt kann man ja nicht erwarten, dass alle mittelalterlichen Plätze für Rollifahrer umgebaut werden, aber eine durchgehende Rollifahrer-Spur wäre echt nett. Außerdem sind große Märkte, zum Beispiel der Weihnachtsmarkt, immer eine Arschparade für Rollifahrer, von daher weiß ich von deren Bedeutung für das Wohlbefinden gar nicht so. 

Der Begriff rollstuhlgerecht sei hier in Bezug auf Ferienhäuser auch nochmal genauer überprüft. Oftmals trifft dies – obwohl so ausgewiesen – bei näherer Betrachtung gar nicht zu. So müsste ich in einer Vielzahl der Fälle, um auf`s Klo zu gehen, aufstehen können. Da dieses in näherer Zukunft nicht der Fall zu sein scheint, selbst unter Berücksichtigung eventueller Wunder, wäre es wünschenswert, dass solche Portale ausgewiesene Barrierefreiheiten der Unterkünfte zunächst einmal selbst ausprobieren oder zumindest die Bilder überprüfen. 

Die hiesige Zugänglichkeit vieler öffentlicher Gebäude, zum Beispiel von den meisten Schulen ist noch nicht rolligerecht. Und wenn man erstmal einen Lageplan braucht, um Zugang zu bekommen, trägt dies nicht gerade zur Inklusion bei. 

Skandinavische Länder machen es vor, wie es gehen kann. Dort ist es Pflicht, dass für alle öffentlichen Gebäude inklusive Einkaufsläden etc. ein Zugang für Rollifahrer möglich ist. Warum ist es hier so schwierig? 

Apropos Arschparade: Man könnte ja geneigt sein, die zuständigen Politiker in einer selbigen zu sehen, aber so viel Polemik wäre meine Sache nicht. Dennoch wird`s mal dringend Zeit, dass sich hier so einiges ändert. Schon alleine, dass man sich immer als Bittsteller vorkommt, ist doof. Rollifahrende Mitbürger sind doch keine Ausnahmen, nur trauen sie sich jetzt so langsam mehr vor die Tür und werden nicht mehr in Heimen weggeschlossen. 

Wenn schon die Inklusion ausgerufen wird, dann müsst ihr schon damit leben, dass die Betroffenen ihre eigenen Vorstellungen von den notwendigen Bedürfnissen haben. Man ist dennoch geneigt, sich zu folgendem Spruch hinreißen zu lassen: 

Unter den Blinden ist der Einäugige König. Wer was ist, sollte jeder für sich selbst entscheiden.