
Fußball
Es war einer der belanglosen Montagnachmittage. Ernesto galoppierte unvermittelt los, kam vor unserer weißen Raufasertapete im Flur zum Stehen. Schlagartig drehte er sich zu mir um und sagte, er wolle jetzt Fußballfan werden, um wieder Farbe in sein Leben zu bringen. Die Farbe des Clubs sei ihm relativ egal, nur wie eine Biene Maja oder grün wie ein Frosch wollte er nicht aussehen und auch der Club eines großen Würstchenproduzenten aus dem Süden Deutschlands sollte es nicht sein. Da es sonst im Norden nicht viel Erstklassiges gab, blieb für ihn nur ein Verein: der FC St. Pauli.
Ernesto machte sich zunächst im Internet über den Verein und seine Fans schlau. Meine Meinung: Die Zeiten, in denen der Torwart aus der damals besetzten Hafenstraße mit dem Fahrrad zum Training und zu Spielen angeradelt kam, sind wohl endgültig vorbei. Wenn man sich den Fanshop des FC St. Pauli auf der Reeperbahn anguckt, muss man wohl sagen, die Revolution hat ihre Kinder gefressen. Vom einstigen Revoluzzer-Image des Vereins ist nicht mehr so viel geblieben, aber immer noch besser als der HSV. Trotzdem wollen die Fans des FC St. Pauli mit ihrer Unterstützung eine gewisse Geisteshaltung zeigen. Zu Zeiten eines Kevin Keegan war der HSV mal cool, aber inzwischen ist er in der Zweitklassigkeit angekommen und macht keinerlei Anstalten, den Arsch hoch zu kriegen. Das angepasste Image des HSV geht vielen über. Mal gucken, wie es in ein paar Jahren aussieht.
Dass Kiel erstklassig wurde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar, außerdem war Ernesto St. Pauli sowieso eher zugeneigt. Ernesto war überzeugt von der Piratenflagge des FC St. Pauli und alsbald lief er mit dieser und einem Kopftuch durch die Straßen von Kiel, wenn St. Pauli spielte. Ernestos Leidenschaft für den Fußball war sicher auch in der Wahl des Vereins begründet. Fan sein und Geradlinigkeit sind nicht immer ein Paar Schuhe. Auch hier gilt: Der Spaß steht im Vordergrund. Das Braun von St. Pauli war sicherlich kein Farbtupfer, aber ein Statement (jetzt bitte nicht falsch verstehen!). Aber es zeigt sich, dass die Liebe zu einem Verein über die Farbe des Vereins hinausgeht. Manchmal bedarf es eben eines spielerischen Umgangs mit der Materie.
Fußball ist und sollte immer nur zum Spaß betrieben werden. Genau so sollten es auch Fans und Management sehen und nicht die Verbissenheit und das Geldverdienen vor den Spaß stellen.