Herr Müller sieht die Welt

Mein Bodenbelag

Ähnlich wie die Wahl der Tapete lässt auch der gewählte Fußbodenbelag Rückschlüsse auf den Bewohner zu. Teppichboden ist zwar sehr verbreitet, doch wahre Individualisten des Bodenbelags greifen dann doch eher zu Linoleum-, Laminat- oder Holzfußböden. Ein schnöder Teppichboden kommt für sie nicht in Frage, wobei auch er seine Reize durchaus hat, wenn man auf schnelle Reinigung nicht so sehr wert legt. 

Da wären wir auch schon bei des Pudels Kern: Die Reinigung von Teppichböden kann entweder sehr aufwändig sein oder nur sehr oberflächlich erfolgen. Somit bleibt jemandem, der um ein bisschen Hygiene bemüht ist, also nur der schon angesprochene Linoleum-, Holz- oder Laminatboden. Laminatböden haben sich nahezu inflationär verbreitet und sind daher nicht mehr ganz so individuell, aber dennoch sind sie wie gesagt gut und schnell zu reinigen. Zum Beispiel eignen sich glatte Böden für einen momentan sehr angesagten Saugroboter, wenn man kein Problem hat, dass jemand „Fremdes“ die Wohnung staubsaugt. 

Saugroboter eignen sich vor allem für Schildkröten als Mitfahrgelegenheit. So liebt es Ernesto, auf unseren Saugroboter zu steigen und mit ihm durch die Wohnung zu cruisen. Dass dann so manche Bodenvase daran glauben darf, spielt keine Rolle mehr. Insgesamt lässt sich sagen, dass Saugroboter also eine prima Mitfahrgelegenheit für kleinere Haustiere sind, sofern sie keine Angst vor dem selbstfahrenden Ungetüm haben. 

Außerdem ist man als Hauptbewohner der Wohnung immer wieder überrascht, wenn man nach Hause kommt, wie schön alles blitzt und blinkt. Der Saugroboter hat dann fast die Funktion eines Partners (siehe Valentinstag), der in Abwesenheit die Wohnung auf Vordermann gebracht hat. Aber eben nur fast! Das stellt man spätestens fest an Geburts- und Feiertagen. Das lange Gesicht bei ausbleibenden Geschenken oder Blumensträußen macht doch deutlich, dass Roboter eben „nur“ zur Reinigung der Wohnung dienen. Der Versuch, diese in meinem Sinne zu erziehen, wurde von mir relativ schnell wieder eingestellt. Saugroboter sind eben doch nur technische Geräte und kein Partnerersatz. 

Es wird also deutlich, dass der ausgewählte Fußbodenbelag Zeichen von Individualität und Extravaganz ist. Glatte Fußböden sind für mich also zum einen Bequemlichkeit, aber auch Ausdruck meiner individuellen Lebensweise verbunden mit der Bespaßung für Ernesto. 

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Meine Raufasertapete 

Raufasertapeten lassen viel Spielraum zur Interpretation. Mustertapeten sind wie Malbücher oder malen nach Zahlen, sehr stark vorgegeben, in dem was gedacht und gemalt werden soll. Von daher sind Raufasertapeten Quelle der Inspiration, weil sie Raum zum Denken geben. Man muss natürlich mit so viel Freiheit umgehen können. Wenn man sich aber darauf einlässt, dann entstehen wahre geistige Meisterwerke. Die Raufasertapete wird dann quasi zur Leinwand des geistigen Picassos. Nun gut, nun möchte nicht jeder die Mona Lisa im Wohnzimmer hängen haben, aber das wäre ja dann auch wieder eine Mustertapete. Von daher sollte man sich ja auch von Tapeten mit vorgegebenen Mustern und Motiven verabschieden. Die Raufasertapete wird dann zur Alternative dahingehend, dass das Ergebnis offen ist. 

Ich stellte bei genauer Betrachtung meiner Raufasertapete fest, dass diese eine Vielzahl von Erhebungen und Vertiefungen aufweist. Dieser permanente Wechsel von hoch zu tief stellte für mich einen klaren Kontrast dar. Kontraste begegnen einem ja auch häufiger. Sie sollten einen aber nicht davon abhalten, stets sein Menschenbild aufrecht zu erhalten, also auch dazu veranlassen, Kontraste zuzulassen. Der offensichtlichste Kontrast beim Menschen ist nunmal ihre Hautfarbe. Diese sollte aber niemals Gegenstand einer Diskriminierung sein, da sie eben nicht frei gewählt werden kann, genau wie die Haarfarbe. Die Lächerlichkeit von Rassismus wird hoffentlich so manchem Leser anhand meiner Texte an dieser Stelle bewusst. Kein Mensch hat es nötig, sich über seine Hautfarbe zu definieren. Die Wurzeln eines Menschen spielen immer eine große Rolle, dürfen aber nie Grund oder Anlass sein, sich über andere Menschen zu erheben. 

Eine andere Interpretation wäre, dass die Höhen und Tiefen der Raufasertapete auch Rückschlüsse zum Leben zulassen, da auch dieses durch Höhen und Tiefen gekennzeichnet ist, also der Raufasertapete sehr nahekommt. 

Zurück zur allgemeinen Aussage von Tapeten: Für freie Geister ist die Raufasertapete die geeignete, da sie viel Spielraum zur Interpretation lässt. Gebundenere oder bescheidenere Geister greifen gerne zur Mustertapete und finden da ja auch völlig zurecht ihr Glück. 

Ich bin froh, mich für eine Raufasertapete entschieden zu haben. 

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Banalität des Alltags 

Der Alltag kann relativ öde und banal daherkommen, muss er aber nicht. Wenn man sich einmal damit abgefunden hat, dass es Tage gibt, die nicht sonderlich herausragend sind. Man könnte meinen, dass es ein ganz normaler Tag war, aber seine besondere Bedeutung wird einem erst im Nachhinein klar, wenn man merkt, dass im Jahr eine Vielzahl von Tagen ihr Dasein fristen, also ganz normaler Alltag sind. Es kommt also darauf an, dass man vermeintlich ganz normale Tage zu ganz besonderen Tagen macht. Die vielen Tage, die zunächst bedeutungslos scheinen, erhalten durch ihre Häufigkeit eine enorme Macht und sind daher nicht zu unterschätzen. Aber dann stellt sich die Frage der Bedeutung von normalen Tagen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie zunächst getarnt daherkommen. Ihre Besonderheit wird erst in der genauen Betrachtung dieser Tage offensichtlich. 

Heute war so ein Tag. 

Wie immer aßen Ernesto und ich Frühstück. Plötzlich hörten wir einen lauten Knall. Die Erinnerung an den lauten Knall des Bankautomaten (die aufmerksamen Leser werden sich erinnern) ließ uns zusammenzucken. Wir konnten uns aber schnell beruhigen, da nur ein Auto eine Fehlzündung hatte. Wir widmeten uns also weiter unserem Frühstück und hatten genug damit zu tun. Wir hatten Entscheidungen zu treffen: Es ging nämlich darum, ob ein gutes Ei 3 oder 5 Minuten zu kochen sei. Ernesto war für 5. Meinen Einwand, dass es dann schon ein hart gekochtes Ei sei, ließ er nicht gelten. Für ihn waren eh nur Spiegeleier die geeigneten Eier für`s Frühstück, also weder 3 noch 5 Minuten Eier. Die Frage nach 3 oder 5 Minuten war also eher die Frage nach Spiegelei oder Rührei. Dabei stellten wir fest, dass ein Spiegelei doch eher zeitlos ist, da es zu jeder Tages- und Nachtzeit schmeckt. Rührei hingegen schmeckt nur am Morgen und besteht aus mehreren Eiern. Auch die Art der Beilagen unterscheidet sich gravierend. Spiegelei hat keine weiteren Zutaten, schmeckt aber sehr gut mit verschiedenen Beilagen, zum Beispiel Baked Beans. Rührei hingegen kann mit vielen weiteren Zutaten hergestellt werden. 

Die Ei-Frage ist also, obwohl sie so banal daherkommt, von entscheidender Bedeutung und obliegt dem Einzelnen in der Bewertung. Für Ernesto ist Spiegelei das Maß aller Dinge, für mich eher Rührei. Die Banalität des Alltags kommt hier zu ihrer vollen Bedeutung und wird hier voll offensichtlich. 

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Amt ohne Schimmel

Nach über 14 Jahren wurde mir mitgeteilt, dass ich Ernesto von morgen an nicht mehr zur Arbeit mitbringen dürfe. Aus hygienischen Gründen, wie es hieß. Nun gut. Was Hygiene mit dem Amt zu tun hat, muss mir bei Gelegenheit mal jemand erklären. Wenn ich so meine Kollegen manchmal essen sehe, da fällt mir auch nichts mehr ein. Aber nun denn, so sei es. 

Von heute an muss Ernesto seine Tage also immer zu Hause fristen, während ich im Büro sitze. Keine lustigen Besuche mehr von Frau Meier aus B105, sondern nur kahle Wände in unserer Dachgeschosswohnung. Ich überlegte, wie ich weiter verfahren sollte. Sollte ich für Ernesto einen Spielgefährten oder -in besorgen oder eine Aufsicht? Ich hatte meine Entscheidung noch nicht gefällt, da nahm Ernesto sie mir mehr oder weniger ab, als er mir vorschlug, dass wir doch per Skype permanent verbunden sein könnten. Er würde dann zu Hause am Laptop sitzen und ich könnte mich via Rechner aus dem Büro hinzuschalten. Dabei ergab sich so manche skurrile Begebenheit, weil Ernesto dazu neigte, in Situationen, in denen er sich unbeobachtet fühlte, Dinge zu tun, die man eben macht, wenn man sich unbeobachtet meint, zum Beispiel in der Nase bohren. Immer wenn ich ihn darauf ansprach, stritt er dies ab und fühlte sich ertappt, von daher ließ ich es alsbald. 

Einmal musste ich gerade Bürger beraten bezüglich ihres Grundstücks. Gleichzeitig hatte Ernesto aber ein Problem mit unserer Waschmaschine und wollte prompt per Skype darüber reden. Es war gar nicht so einfach, den Bürgern begreiflich zu machen, dass jetzt erstmal meine Schildkröte Ernesto darüber ein Gespräch bräuchte und sie warten müssten. 

Richtig gefährlich war neulich eine Situation, in der ein Geldautomat in unserer Nachbarstraße gesprengt wurde und Ernesto voller Panik bei mir anrief ob des lauten Knalles, den er gehört hatte. Die Polizei sperrte daraufhin mehrere Straßen einschließlich unserer und jegliche Durchfahrt war verhindert. Gott sei Dank kam ich kurz danach gegen Feierabend nach Hause. Ich fand einen völlig verstörten Ernesto vor, der erstmal mit Salat und Tomate beruhigt werden musste. Wir sahen uns dann mehrere Folgen von Ernestos Lieblings-Comedy-Serie an und gegen Abend hatte er sich dann beruhigt. 

P.S.: Ernesto ist überall. 

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Heute

Heute ist das Gestern von morgen. 

Völlig ergriffen von so viel Eloquenz lehnte ich mich zurück und Ernesto tippte sich an den Kopf ob meiner Ergriffenheit. Zeit ist für Schildkröten eher relativ, für Menschen eher minutiös. Das Vergehen von Zeit spielt für Menschen eine größere Rolle als für Schildkröten. Letztere denken eher in Zeiträumen und Menschen planen ihren Tag in Minuten und Stunden. Das genau macht den Menschen ihr Leben häufig schwer. 

Gestern war der Blick in die Vergangenheit, morgen ist der Blick in die Zukunft. Da ich weder als ewig Gestriger noch als Spökenkieker gelten mochte, beschäftigte mich die Gegenwart eben stärker als das, was war oder das, was kommen sollte. Ernesto war im Gegensatz zu Kassiopeia (aus Michael Endes Momo) nicht mit zusätzlichen Gadgets ausgerüstet. Das einzig Gemeinsame von Kassiopeia und Ernesto war lediglich die Tatsache, dass beide Schildkröten waren. 

Ernesto war eher im Hier und Jetzt verortet. Das machte ihn umso liebenswerter. Dies äußerte sich beispielsweise in seiner Vorliebe für Butterkekse. Diese aß er lieber heute als morgen. Die von gestern waren alt und labbrig, die von morgen kannte er noch nicht. Da morgen die unbekannte Größe war, konnten er und ich uns nur mit dem Heute beschäftigen, zumal Butterkekse ja heute knusprig waren. Ob sie morgen noch knusprig sein würden, wussten wir ja nicht, da keiner von uns wusste, was morgen passieren wird. Im Bewusstsein, dass sie heute sehr genießbar waren, machten wir uns daran und überlegten, was heute von uns noch zu erledigen sein würde. 

Es stand mal wieder ein Großreinemachen an. Ernesto stürzte sich voller Begeisterung auf die Schwämme und sah sie als Spielkameraden an. Mein Kommentar, dass diese aber für die Reinigung des Bades vorgesehen waren, ließ ihn schnell zurückschrecken. Ich ging also daran und verteilte Reinigungsmittel auf die Spülschwämme, die dann von Ernesto über den Badezimmerboden geschoben wurden. Besonderen Wert legte Ernesto auf die Reinigung der Fugen. Die Reinigung des WCs überließ er freundlicherweise mir, zumal die Bedienung der Klobürste für ihn schwer zu erledigen war. Besonders großen Spaß machte ihm die Reinigung der Badewanne, weil er sich dann immer mitsamt des Schwammes in die Badewanne rutschen ließ. Nachdem unser Bad wieder blitzte und blinkte, machten Ernesto und ich erstmal eine Kaffeepause am Küchentisch. Bei Butterkeksen und Kaffee vergaßen wir alles um uns herum und erwarteten unsere nächsten Abenteuer. 

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Vorgestern

Vorgestern ist im Prinzip das gleiche wie übermorgen, nur anders herum. Die Schnittmenge aus beiden Tagen wäre heute. Wie der Name schon sagt, ist vorgestern der Tag vor gestern. Gestern war auch ein Tag. Eigentlich ein sehr schöner Tag, weil gestern der Tag war, an dem ich Geburtstag hatte. Nun ist ja nicht jedes Gestern dadurch gekennzeichnet, dass ich da immer Geburtstag hätte, aber dennoch war es ein außerordentlich schöner Tag. 

Ernesto hat mich zu Beginn des Tages geweckt mit einem Ständchen zum Geburtstag. Anschließend frühstückten wir gemeinsam und kamen darauf zu sprechen, dass vorgestern das Liegerad vom Papa von Max umgefallen war. Dabei wäre beinahe unser Fahrrad mit umgefallen, mit dem wir immer unsere Ausflüge machen. Das ist nämlich ein ganz besonderes Fahrrad, da es einen Fahrradkorb mit Decke für Ernesto bereithält. Manchmal fahren wir durch den Stadtpark und ich zeige Ernesto die Bäume im Sommer. Ernesto ist dann immer ganz ergriffen von den vielen blühenden Pflanzen um ihn herum. 

Gestern musste also vorgestern geplant werden. Ich kam fast ganz durcheinander mit gestern und vorgestern, fing mich dann aber wieder recht schnell. Gut, dass mich Ernesto vorgestern an gestern erinnert hat. Als Vorbereitung für meinen Geburtstag stellten wir die Stühle auf den Tisch, weil die Küche dann als Tanzfläche zur Verfügung stehen sollte. Für die Party musste außerdem eingekauft werden, aber immerhin waren die Stühle schon oben. Wir brauchten noch dringend Klopapier. Leider war das in der Corona Pandemie schlecht zu kriegen – vielen Dank nochmal, liebe Mitbürger. Aber zurück zur Party. Die Einkäufe waren schließlich gemacht, die Party konnte gestern also beginnen. 

Die Party wäre beinahe völlig eskaliert, als eine Horde Jugendlicher laut grölend durch die Straße zog. Meine zwei Gäste beugten sich aus dem Fenster und riefen zu den Jugendlichen herunter, ob sie wissen, wie spät es sei. Die Jugendlichen drehten sich herum und riefen laut „Ja“ und gingen weiter. Völlig verdattert schlossen meine zwei Partygäste das Fenster wieder und wollten zur Tagesordnung übergehen. Leider hatte keiner meiner beiden Gäste noch die Tagesordnung, also mussten sie improvisieren. Wir alle waren nicht besonders geübt in Partyspielen und Stimmung hochhalten. So verging ein dennoch schöner Tag und wir erwarteten morgen. 

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Kreuzfahrt – Teil 2

Nachdem Ernesto und ich unsere Tage soweit gut strukturiert hatten durch Bingo und Shuffle-Board, fingen wir an, das Schiff zu entdecken. Unter anderem den großen Saal, in dem so hervorragende Musicals wie Mama Mia – die Kreuzfahrtausgabe – aufgeführt wurden. An Bord war wirklich Vieles geboten. Viele Mitreisende fanden es aber nur bedingt lustig, einer Schildkröte im Swimming Pool zuzugucken. Auch das Chlorwasser machte Ernesto stark zu schaffen, da seine Haut zu stark ausgetrocknet wurde. Von daher gingen wir nicht allzu oft Baden. Auch die Vielzahl von Bars und Cafés fanden in unseren Abendstunden Gefallen. Sehr gerne saßen Ernesto und ich bei einem gemütlichen Kaffee beieinander und überlegten, was wir am nächsten Tag unternehmen könnten. 

Morgen sollte es nach Oslo gehen. Wir waren gespannt wie die Flitzebögen auf den Ausflug. Dietmar und Isolde, die wir beim Shuffle-Board kennen gelernt hatten, kamen mit. 

Für große Irritationen sorgten zunächst die verbarrikadierten Fenster in den leeren Häusern am Straßenrand auf dem Weg ins Zentrum der Stadt. Auf unsere Nachfrage hin bekamen wir die Erklärung, dass erst gestern die Königin zu Besuch war und die Stadt in einem Ausnahmezustand war. Zum Schutz wurden die Fenster mit Holzbrettern zugenagelt. 

Oslo war, wie Norwegen insgesamt, sehr schön. Wie viele nordische Länder zeichnet sich Norwegen dadurch aus, dass es im Sommer angenehm kühl bleibt, man also dort die Sommermonate gut verbringen kann, wenn man den heißen Temperaturen im Sommer in unseren Breiten aus dem Weg gehen will. Die Landschaft ist spektakulär! Bahnlinien sind allerdings schwer anzulegen, weil die Landschaft durch die Fjorde so zerklüftet ist. Wie überall in Norwegen war der Handyempfang gestört durch die vielen Fjorde. Daher machen die vielen dort noch existierenden Telefonzellen Sinn. Die Menschen sind sehr viel besonnener im Umgang miteinander und auch mit Touristen. 

Insgesamt konnten Ernesto und ich feststellen, dass wir sehr gerne mit dem Schiff ferne Länder erkunden. Dieser Urlaub bleibt uns als schöne Erinnerung im Gedächtnis. 

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Übermorgen

 Ernesto wollte übermorgen Schlittschuhlaufen gehen. Auf meine Frage hin, warum wir das nicht heute machen könnten, antwortete er, dass er heute keine Lust habe, aber übermorgen sei ja erst in zwei Tagen und überhaupt sei übermorgen ja auch noch ein Tag. Von daher sei die Frage relativ überflüssig, so seine Meinung, da ja bis dahin seine Laune auf Schlittschuhlaufen eine andere sei als heute und er heute definitiv keine Lust habe. Schlechter könne seine Motivation ja nicht mehr werden, von daher habe er also dann übermorgen mehr Lust zum Schlittschuhlaufen. 

Manchmal sind Schildkröten echt anstrengend… 

Stellte sich also die Frage, was wir heute unternehmen würden. Ich schlug vor, Kart zu fahren. Dem Geschwindigkeitsrausch zu erliegen, macht sowohl Ernesto als auch mir großen Spaß. Also fuhren wir zur Kartbahn und liehen uns zwei Karts aus. Das Problem war vor allem, für Ernesto einen passenden Helm zu finden. Dieses konnten wir mit Hilfe eines sehr engagierten Mitarbeiters lösen, der die Schale einer Walnuss als Kopfbedeckung vorschlug. 

Der Kartspaß konnte also für uns losgehen. Nach einigen Proberunden zum Warmfahren fuhr Ernesto wie eine wild gewordene Tarantel und überholte mich in der 3. Runde. Die Tatsache, dass sich noch andere Fahrer auf der Bahn befanden, ließ ihn nicht vorsichtiger fahren, im Gegenteil. Ernesto schien Gefallen daran zu finden, die anderen Fahrer – einschließlich meiner Person – gnadenlos zu überrunden. Sein Fahrstil erinnerte stark an einen frühen Schuhmacher. Ernesto sah mit gezieltem Blick seine Chancen und fuhr auf sein Vorankommen bedacht. Nach 12 Runden bzw. 1 Stunde war der Spaß auch schon wieder vorbei. Aufgepumpt mit Adrenalin und völlig außer Atem gingen wir einen Kaffee trinken. Ernesto erzählte vom Karterlebnis wie alte Männer vom Krieg. Also dachte ich, lass ihn reden! Der Kaffee, um dessen Willen wir eigentlich hier waren, geriet in den Hintergrund und wurde uns erst wieder ins Bewusstsein gerufen, als eine Kellnerin das Tablett, auf dem unser Kaffee stand, fallen ließ. Mit lautem Klirren und Scheppern fluchte die Kellnerin unserem Kaffee hinterher. Ernesto war nur froh, dass die Kekse, die jedem Kaffee beilagen, trocken blieben und er sich über sie her machen konnte. 

Übermorgen kam dann schneller als erwartet. Wir gingen zum Schlittschuhlaufen. 

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Kreuzfahrt – Teil 1

Es war mal wieder Sommer und Ernesto und ich überlegten, was wir in den Wochen machen könnten. Da wir am Donnerstag nicht ins Stadion kamen, weil Ernesto laut Ordner über eine defensive Angriffswaffe verfügen würde (seinen Panzer), beschlossen wir, uns mit dem Thema Urlaub zu beschäftigen. 

Campingurlaub scheiterte schon daran, dass Ernesto nicht in Klappstühlen sitzen konnte. Hotelurlaub fiel auch aus, weil Ernesto nie rechtzeitig zum Frühstück da war. Wanderurlaube waren relativ langweilig für mich, da Ernesto schon ewig brauchte, um die passenden Schuhe anzuziehen. 

Daher beschlossen wir, es mal mit einer Kreuzfahrt zu versuchen, frei nach dem Mantafahrer-Motto: „Kreuzfahren ist wie wennste fliegst.“. Wir könnten so viele Orte sehen und das Hotel schon mitbringen. Die Vorstellung, tief in die Kultur eines Landes einzutauchen, war sowohl für Ernesto als auch für mich sehr aufregend. Wir überlegten lange, ob es uns eher in warme Gefilde ziehen würde oder in den hohen Norden und entschieden uns dann für den kühlen Norden nach Norwegen. 

Leider hatten sowohl Ernesto als auch ich vergessen, dass Schildkröten zu einer gewissen Kältestarre neigen. Das sollte die Reise jedoch nicht weiter beeinträchtigen. So wurde Ernesto eben bei Landausflügen unter drei Lagen von Decken begraben. An Bord war ja sowieso gut geheizt. 

Die Landausflüge waren toll, aber es war relativ schwierig, den Tourenguides begreiflich zu machen, dass 3-4 Lagen Decken nun auf einem Hundeschlitten liegen sollten. Ernesto hat es dennoch sehr genossen. Wider Erwarten kam sogar ab und zu die Sonne heraus. Ganz zur Freude von Ernesto, aber auch mir, da wir dann auch mal draußen einen Kaffee trinken konnten. 

Norwegen ist ein großes Land und man bekommt gar nicht mit, wie weit oben das auf der Weltkugel schon liegt. Man vergisst, dass das schon ganz schön nah am Pol ist. Da ist es ja meist ganz schön kalt, zumindest war es früher so. Das Schöne an Kälte ist ja, dass man sich gegen sie schützen kann im Gegensatz zur Hitze, genauso wenig wie gegen aufdringliche Nachbarn und Chris Rea Songs zu Weihnachten. 

Aber zurück zur Kreuzfahrt. Am Spannendsten an Bord war sicher das Bingospiel jeden zweiten Abend. Die Magie von Zahlen ist sowohl für Schildkröten als auch für Menschen mysteriös. Dem ist mit blanker Mathematik nicht immer beizukommen. Dass Eins und Eins immer Zwei ergibt, dürfte ja klar sein. Beim Bingo ist nichts errechenbar, das macht Bingo so spannend. Ich kann die Engländer verstehen, dass sie so gerne Bingo spielen und extra Bingohallen dafür haben. 

Wir brauchten den einen Tag Pause zwischen den Bingoabenden, um uns wieder zu erholen und auch nochmal andere Aktivitäten zu unternehmen. Zum Beispiel gab es an Bord ein spektakuläres Shuffle-Board. Auch dieses wurde von Ernesto und mir mit größter Freude benutzt. Ernesto setzte sich auf einen der Shuffle-Steine und ließ sich von mir mit quietschender Freude über das Brett schieben. Von diesen Aktivitäten gab es viele, die uns die Zeit an Bord versüßten. 

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Mein Küchentisch

Es war mal wieder Freitag und wie immer trafen sich Ernesto und ich am Küchentisch. 

An meinem Küchentisch waren vier Stühle, aber nur einer wurde von mir benutzt und so beschloss ich eines Tages, die Stühle reihum zu benutzen, damit alle gleichmäßig abgenutzt wurden und ein Besucher nicht den Eindruck haben könnte, dass nur ich hier sitzen würde. Ernesto saß auf dem Küchentisch und war damit raus. 

Interessant war dabei auch, dass man von jedem Stuhl einen anderen Blickwinkel auf das Haus gegenüber hatte. Die Veränderung des Blickwinkels kann ja durchaus zu ganz anderen Einsichten ein und desselben Sachverhalts führen. So konnte man auf dem Stuhl gegenüber dem Fenster sehr gut in das Haus schauen. Das war jedoch relativ uninteressant, es sei denn man findet Dachböden toll. Wenn man nun natürlich seine Sichtweise noch einmal komplett verändern wollte und unter den Tisch kroch, änderte sich die Sicht noch einmal kolossal. Aber auch Heizkörper verlieren auf Dauer ihren Reiz. Am besten war die Sicht, wenn ich auf dem Tisch stand, dann konnte ich das ganze Nachbarhaus hervorragend beobachten und in jedes Fenster schauen. Nicht dass ich Lust hatte, die Menschen zu bespannern, aber ein oder zwei interessante Beobachtungen habe ich dennoch gemacht. 

Herr Schulz aus dem 1. Stock brachte zum Beispiel gegen Mittag den Müll runter. Dabei traf er Frau Schmidt, die ebenfalls im Hausflur zugegen war, da sie immer gegen Mittag die Hauswoche machte. Die beiden trafen sich also am Müllcontainer und kamen ins Gespräch, in dessen Verlauf Frau Schmidt Herrn Schulz auf eine Tasse Kaffee zu sich einlud. Es stellte sich heraus, dass Herr Schulz immer am Freitag, wenn Markttag war, zum Markt ging und dort Kartoffeln kaufte. Frau Schmidt ging ebenfalls freitags zum Markt. Sie beschlossen daraufhin, gemeinsam zum Markt zu gehen und Herr Schulz konnte Frau Schmidt beim Tragen des Einkaufs helfen. 

An diesem Freitag beobachtete ich, wie Frau Schröder bepackt mit zwei Einkaufstaschen vom Einkauf zurückkam. Zwei Jungs spielten in der Straße Fußball und sie trafen Frau Schröder mit dem Fußball mitten auf den Rücken. Woraufhin sie ihre gesamten Einkäufe fallen ließ und sie begann, laut zu fluchen. Da ich das Fenster geöffnet hatte, weil es ein warmer Spätsommertag war, konnte ich alles von meinem Küchentisch aus beobachten und bekam mit, wie Frau Schröder die Jungs laut fluchend zurechtwies. Der Papa von Max kam gerade mit seinem Liegerad von der Arbeit und wurde sogleich von Frau Schröder über das Fehlverhalten seines Sohnes aufgeklärt. 

Eigentlich ist die Perspektive unter dem Tisch doch die angenehmste. Das Leben ist so aufregend!