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Herr Müller sieht die Welt

150 % 

Ein volles Glas entspräche 100%, so erklärte ich Ernesto, was 100% sind. Mehr als 100% könne es eigentlich nicht geben. Ernesto stutzte und fragte mich, wie es dann käme, dass viele Menschen 150% von ihrer Leistung geben wollten. Seiner Anmerkung, „Das geht ja gar nicht“, konnte ich schwerlich widersprechen. Meine Erklärung, dass diese Menschen ihre Leistung übererfüllen wollen, diente zur Erklärung für ihn und mich. 150% würde aber am Beispiel des Glases immer ein Fußbad einschließen. Um bei den Menschen zu bleiben, wollen diese damit anzeigen, dass sie bereit sind, vollen Einsatz zu zeigen. Wenn sie aber mehr geben als sie dazu in der Lage sind über einen längeren Zeitraum, fragt sich die Fachwelt, wie lange das für den betreffenden Menschen gut gehen kann. Die Subjektivität der Aussage wird offenkundig, weil nicht klar ist, was genau 100% sind. Somit ist auch die Aussage, 150% geben zu wollen, subjektiv. 

Am Beispiel des Glases wären 100% für Ernesto schon die Fähigkeit, das Glas mit Wasser zu füllen. Wie soll denn eine Schildkröte das Glas befüllen? Ernesto versuchte daraufhin natürlich, ein Glas zu befüllen. Er stellte aber fest, dass es für ihn unmöglich war. Es zeigte sich, dass die 100% für den einen selbstverständlich, für den anderen unmöglich waren. Es lässt sich also keine allgemein gültige Aussage treffen, was bereits 100% waren. Die 100% müssen also demnach intra-individuell bestimmt werden (so viel zum Thema Lernzielkontrollen – eine Anmerkung des Autors – Es macht demnach wenig Sinn, zwischen den Individuen zu vergleichen, sondern innerhalb eines Individuums zu schauen, wo der Lernfortschritt liegt.). 

Ernesto musste nach so vielen Gesprächen über Flüssigkeiten erstmal dringend auf`s Klo. Ernesto kam völlig zufrieden vom Klo zurück und sagte, er habe 100% gegeben. Die Füllmenge der Blase ist individuell verschieden. Die 100%, die Ernesto gab, waren also seine individuelle Blasen-Füllmenge, mehr ging nicht. 

Wieder bezogen auf die Füllmenge des Glases, würde es also wenig Sinn machen, diese zu erhöhen genauso wie die Blasengröße, da sie für jedes Lebewesen festgelegt ist. 

Es wird also deutlich, dass 150% zwar nett gemeint sind, aber in der Realität nicht gehen. 100% ist bereits das Maximum der Leistung eines Lebewesens. Die sollten angestrebt werden, sie jedes Mal zu erreichen wäre aber auch übermenschlich und auf lange Sicht auch gar nicht erstrebenswert. 

Kopfwürmer

Mein Jodeldiplom 

Okay, okay… Also das Land Niedersachsen hatte vor ca. 6 Jahren beschlossen, mich in den Ruhestand zu schicken. 

Meine zwei Examina und die abgeschlossene Trainerausbildung zählten nicht mehr. Da sollte mir das Land Niedersachsen nicht mit Lehrermangel kommen. Natürlich ist mir durchaus bewusst, dass mein Sprechen gewöhnungsbedürftig ist, aber durchaus verständlich – man muss halt manchmal genauer hinhören. Die Fähigkeit des genaueren Hinhörens wurde den Schülern und Schülerinnen abgesprochen und den Fakt des Eigentores bemerkt hoffentlich bald mal jemand. Leider ging dies zu Lasten meiner Person. „Der Aufwand wäre zu groß gewesen“, war die Aussage. Gerade in Zeiten der Inklusion erscheint es einem als blanker Hohn, wenn nur auf Seiten der Schüler Behinderungen vorkommen dürfen, zu deren Ausgleich alles erdenklich Mögliche getan wird, was ja durchaus berechtigt ist. Aber auch Lehrkräfte brauchen vielleicht eine ihnen angemessene Hilfestellung. Das deutsche Beamtenrecht ist schon was Feines. Vielleicht wird irgendwann bemerkt, dass seit dem alten Preußen – aus dieser Zeit stammt es nämlich – sich in Deutschland einiges verändert hat. 

Dieses soll keine unbegründete Anklage werden über das Verhalten der Behörde. Vieles davon kann ich nachvollziehen, auch wenn ich fürchte, dass sich seitens der Behörde nicht so viel Gedanken gemacht wurde wie meinerseits über die noch mögliche Betätigung als pädagogischer Helfer im Trainingsraumkonzept. Für mich wäre es eine Chance gewesen, es zumindest zu probieren. Für die Zuständigen war es mehr eine Bearbeitung eines weiteren Falles und ein Abarbeiten der rechtlichen Pflichten. 

Das stete Jammern und Klagen über meine Erkrankung hilft ja nicht, sie ist nunmal da. Texte wie dieser sind Ausdruck meiner Wut und Hilflosigkeit angesichts vermeintlicher Untätigkeit. Also brauchte ich halt etwas Eigenes: Da brauchte ich mein Jodeldiplom. Mein Jodeldiplom ist mein Blog, der mir die Möglichkeit gibt, mich und meine Gefühle und Gedanken zu artikulieren, wenn auch mit Hilfe beim Tippen. Er ist die von mir neu gewählte Aufgabe, die mich weitestgehend ausfüllt und belustigt am Leben erhält. Das Schreiben von Texten findet zwar stets in meinem Kopf oder im Austausch mit meiner Frau beim Tippen statt, dennoch fehlt mir der direkte soziale Kontakt mit anderen. 

ABER: Durch den Blog haben sich auch wieder Kontakte ergeben zu Menschen, zu denen ich lange Zeit gar keinen Kontakt hatte und wieder anderen, zu denen ich vorher nie Kontakt hatte. Jodeln macht halt in der Gruppe mehr Spaß und ich danke all den Mitjodlern von Herzen! 

Herr Müller sieht die Welt

Banane 

Südfrüchte sind ja lecker. Gerade Bananen, obwohl sie zur Trennlinie zwischen West und Ost wurden. In Westdeutschland gehörten sie zum generellen Obstangebot im Supermarkt, in Ostdeutschland eher nicht. Von der CO2-Bilanz von Südfrüchten reden wir jetzt mal nicht. 

Dass Südfrüchte die Trennung der deutschen Staatsgrenze manifestierten, hätten sich die Oberen damals auch nicht träumen lassen. Ananas und Melonen waren ja auch eher staatstragend, da sich an ihnen die innerdeutsche Staatsgrenze weniger manifestierte als an Bananen. Trotzdem schmecken sie heute Ernesto sehr gut, auch wenn ihm die Historie von Bananen im innerdeutschen Zusammenleben völlig wurscht war. 

Ernesto liebte Bananen und konnte nicht genug von ihnen bekommen. Auch wenn es für ihn schwierig war, sie zu schälen, freute er sich doch, wenn er von mir ein Stück Banane bekam. Ich kam mir dann immer ein wenig vor wie im Zoo bei der Fütterung. 

Endgültig salonfähig wurden Bananen durch das Bild von Andy Warhol, das dann The Velvet Underground als Platten-Cover nutzte. Die Banane war nicht mehr nur ein herkömmliches Obst, sondern zur Kunstfrucht geadelt worden. Josephine Bakers Rock zu Ehren der Banane – wenn auch ein paar Jahre vorher – war endgültig vom Zeitgeist eingeholt worden. Bananen durften nicht nur schmecken, sondern waren auch Kunst und Gegenstand, um Gegenwertigkeit auszudrücken, mit der sich die Menschen auseinandersetzten. Die Vergänglichkeit des Gegenwärtigen wird einem angesichts der Bananen deutlich: Kaum ist sie da, ist sie dann auch schon gegessen. Nur Obacht mit der Schale! Diese sollte in den dafür vorgesehenen Behältern entsorgt werden. Schade eigentlich, dass sich Bananen-Pflanzen so schlecht als Christbaum eignen. Ihr Wachstum in Stauden macht ein Behängen mit Schmuck nahezu unmöglich. 

Zurück zum Anfang der Geschichte: Die oft verkannte CO2-Bilanz von Südfrüchten sollte einem Anlass zum Innehalten geben. Genau wie bei Fleisch ist auch hier die Umweltbelastung durch den Transport ziemlich hoch und sollte einen wieder zurück zum Genuss von einheimischem Obst führen. Trotz dem Bananen eine schlechte CO2-Bilanz aufweisen, konnte Ernesto nicht ganz darauf verzichten, nur die Menge reduzierten wir. 

In diesem Sinne: Alles Banane! 

Herr Müller sieht die Welt

Achterbahn 

Am letzten Wochenende waren wir in einem Freizeitpark bei uns in der Nähe. Nachdem wir geklärt hatten, wo es hingehen sollte – die Auswahl an Freizeitparks ist ja recht umfangreich – konnte unsere Reise starten. Zum Glück mussten wir nicht allzu weit fahren. 

Ernesto fuhr im Gegensatz zu mir gerne Achterbahn. Ich merkte bereits nach der ersten Fahrt, dass das nichts für mich war. Je schlechter ich mich fühlte, desto besser gefiel es Ernesto. Da er in meiner Brusttasche mitfuhr, musste also ein passender Ersatz gefunden werden mit Hemd oder entsprechendem Pulli mit Brusttasche. Wir konnten ja nicht erwarten, dass die Achterbahn extra für Ernesto umgebaut wurde. Gott sei Dank stand in der Schlange der Freizeitpark-Besucher ein freundlicher, junger Mann, der bereit war, Ernesto in seiner Brusttasche mitzunehmen. Damit Ernesto auch in Loopings einen sicheren Platz hatte, musste die Brusttasche mit einem Knopf oder Reißverschluss gesichert werden. Nachdem die sichere Verwahrung von Ernesto geklärt war, konnte es also losgehen. 

Die beiden – Ernesto und sein Mitfahrer – stellten sich in der Schlange der Achterbahnwilligen an und erwarteten ihr Glück. Leider raste genau in diesem Moment ein Zuckerwatte Verkäufer mit seinem Lastenrad genau in die Schlange der Achterbahnerwartenden, sodass Ernesto und sein Mitfahrer noch einmal auf ihr Glück warten mussten. Nach immerhin zwei Stunden, in denen die Verletzten beiseite geräumt wurden, ging es dann endlich mit dem Achterbahnbetrieb für die beiden los. 

Wider Erwarten hatte Ernesto schon nach drei Runden genug. Das lag zum einen am Achselgeruch seines Mitfahrers, zum anderen daran, dass ihm dann drei Runden pures Adrenalin doch genug waren. Er beschloss daraufhin, dass er dann lieber mit mir eine Runde Autoscooter fahren wollte. Er merkte, dass das dann doch eher Seins war. Er setzte seine Sonnenbrille auf, lehnte sich mit einer Pfote cool aus dem Auto und zog seine Sonnenbrille ins Gesicht. Los ging die wilde Fahrt! 

Kein anderes Auto war vor Ernesto und seiner mutwilligen Kollisionsfreude mehr sicher. Mit der Sonnenbrille ähnelte er stark den Blues Brothers. Von mir darauf angesprochen, leugnete er aber jegliche Absichten. Auch hier war die Bodennähe das entscheidende Kriterium der Fahrgeschäfte. Für Höhe muss man halt gemacht sein und das Leben als solches ist ja schon Achterbahnfahrt genug. 

Herr Müller sieht die Welt

Zeitung 

Jeden Morgen saßen wir am Frühstückstisch mit der Zeitung und informierten uns über die Geschehnisse in der Welt. 

Dabei hatten wir ein Problem: Immer genau das, was ich lesen wollte, wollte Ernesto auch lesen. Unser Streit kulminierte in dem Wunsch nach dem Sportteil. Erst mit der Umstellung auf ein E-Paper konnte das Problem gelöst werden. Jeder von uns konnte so jederzeit das lesen, was er wollte. Anstrengend war nur, dass Ernesto mir permanent erzählen wollte, was er gerade gelesen hatte, sodass ich in meinem Lesen immer gestört wurde. Aber im Laufe der Zeit hatten wir das Problem dahingehend gelöst, dass wir zunächst beide die Zeitung lasen und uns anschließend über das Gelesene unterhielten. Die Todes- und Kleinanzeigen waren für uns beide von Interesse, wobei Ernesto eher die Kleinanzeigen interessierten und mich die Todesanzeigen, um zu wissen, wer gestorben war. 

Verwundert über die Geschehnisse auf der Welt unterhielten wir uns also über das Gelesene. Verwundert deswegen, weil es immer wieder erstaunlich war, wie wenig die Menschheit in der Lage ist, ihre Umwelt schön zu gestalten. Kriege an jeder Ecke und die Menschheit wird nicht schlauer daraus, dass Krieg eben keine Lösung für Konflikte ist. Ernesto war über das Verhalten von Menschen immer wieder sehr verwundert, da Schildkröten ihre Konflikte zwar langsamer, aber auch friedlicher lösten. Das Menschsein erfordert oft das Innehalten, von daher sollten sich viele Menschen mal bewusst machen, dass gerade in der Ruhe die Kraft liegt, also sie erst denken, dann handeln sollten, auch wenn Geduld nicht Jedermanns Stärke ist. Ich spreche da aus eigener, leidvoller Erfahrung. 

Um das Bild des Menschen zu verbessern – nicht, dass ihr denkt, dass ich nur Negatives denke – sei hier angemerkt, dass es in der Zeitung natürlich auch positive Meldungen gibt. So zum Beispiel auch von Menschen, die anderen uneigennützig helfen. Besonders erwähnenswert sind an dieser Stelle Feuerwehr, Polizei und Rettungskräfte, deren Einsatz leider viel zu selten eine Notiz findet. Gerade Schildkröten können oft ein Lied davon singen, da sie oft genug auf Hilfe anderer angewiesen sind. Zum Beispiel, wenn sie auf dem Rücken liegen oder Türklinken benutzen müssen. Das Problem mit den Türklinken hatten wir in unserer Wohnung fast nicht mehr, da wir sämtliche Türen (bis auf Wohnungs- und Toilettentür) ausgebaut hatten. 

Zeitunglesen ist für Menschen und Schildkröten nach wie vor das ideale Medium und die soziale Funktion von Zeitung wird durch die Bereicherung an unserem Frühstückstisch deutlich. 

Kowalski lebt

Kowalski 

Tach! Mein Name ist Kowalski. Ich war jahrelang beim Grünflächenamt der Stadt Mühlheim an der Ruhr beschäftigt. Ich wohne jetzt mit meinem Dackel Waltraut im selben Mietshaus und Kiez wie Herr Müller. Waltraut fällt es inzwischen schwer, Treppen zu laufen, ohne mit ihrem Bauch aufzusetzen. Daher wohne ich nun im 1. Stock. 

Gelegentlich schaue ich mal nach den Mülltonnen und der ordnungsgemäßen Treppenhausreinigung in unserem Haus, denn irgendjemand muss ja darauf achten, dass alles stets seine Ordnung hat. Manchmal könnte man fast den Überblick verlieren angesichts der vielen Menschen und Tiere, die hier leben. Es wohnen nämlich nicht nur Waltraut und Ernesto hier, sondern auch zwei andere Schildkröten namens Ernie und Bert. 

Die Treppenhausreinigung hat meine besondere Aufmerksamkeit, weil die häufig nicht gemacht wird. Gegebenenfalls werden die zuständigen Mieter von mir freundlich darauf hingewiesen. Unterschätzt wird oft auch die adäquate Mülltrennung. Auch dort schaue ich nach dem Rechten und sortiere den Müll notfalls. Die Größe der Mülltonnen habe ich schon mehrfach bei den Stadtwerken angeprangert, aber bisher ist da noch nichts passiert. Diese reicht oft nicht aus, den Müll aufzunehmen, ohne dass sich Müllbeutel davor stauen oder Deckel offen stehen. 

Auch achte ich sehr genau auf die Benutzung des Fußwegs, da dieser gern von Radfahrern benutzt wird. Von mir darauf hingewiesen reagieren sie dann oft unfreundlich und ungehalten. Die Benutzung der Fußwege durch Radfahrer kann gar nicht frühzeitig genug unterbunden werden. Zwar dürfen Kleinkinder das, aber dann ab 12 eben nicht mehr und darauf achte ich penibelst. Beinahe hat mich nämlich ein Fahrradfahrer mal umgefahren, der mit hoher Geschwindigkeit auf dem Fußweg fuhr, auf dem ich ging und mich in Sicherheit wähnte. So eine Frechheit! Gerade unser Hausausgang zum Fußweg hin ist aufgrund seiner Unübersichtlichkeit ein Hotspot für Unfälle. Ein von mir vorgeschlagener Spiegel zur besseren Einsicht wurde vom Stadtbauamt leider nicht genehmigt. Unser Hauseingang sei nicht entscheidend genug als Verkehrs-Hotspot, hieß es zur Begründung der Ablehnung. Ich habe Einspruch eingelegt. Bisher ist das Verfahren noch in der Schwebe. 

Nun ja, was man nicht alles unternimmt für eine funktionierende Hausgemeinschaft. 

Herr Müller sieht die Welt

Der Zoobesuch 

Es war mal wieder Sonntag und Ernesto und ich überlegten, was wir mal anstellen konnten. Ernesto schlug vor, seine Verwandten im Zoo zu besuchen. 

Gesagt, getan. Wir fuhren mit der Straßenbahn zum Zoo. Ernesto fuhr wie immer in der Brusttasche meines Hemdes mit. Im Zoo angekommen, gingen wir gleich zum Reptilienhaus, um den Verwandtschaftsbesuch zu starten. Ernesto fand allerdings das bloße Anschauen der Verwandtschaft im Zoo langweilig. Er attestierte, dass diese wohl durch das Leben im Zoo hinter Glas relativ degeneriert waren. Daraufhin gingen wir weiter zum Raubtiergehege, das Ernesto schon spannender fand, auch wenn ihm auch hier die Authentizität fehlte. Die Raubtiere reagierten überhaupt nicht auf Ernesto, seine Existenz wurde von ihnen überhaupt nicht wahrgenommen. Das frustrierte ihn sehr. 

Auch der anschließende Besuch im Zoorestaurant war dann kaum noch ein Stimmungsaufheller für Ernesto. Nur die dort gekauften Gummibärchen erhellten seine Laune. Seine Überlegung, ein eigenes Gehege mit Gummibärchen zu gestalten, wurde von ihm selbst schnell wieder verworfen, weil er zu großen Schwund befürchtete, da diese zu schnell von Mitarbeitern und Besuchern aufgegessen werden würden. Dennoch war seine Idee, Gummibärchen in verschiedenen Lebenssituationen zu zeigen, doch sehr interessant. Das Problem, dass Gummibärchen bei Wind ständig umfielen, musste von ihm allerdings noch gelöst werden, bevor sein Projekt in die Realität umgesetzt werden konnte. 

Die Tatsache, dass lebendige Tiere im Zoo gehalten wurden, fand er relativ doof. Er überlegte spontan, eine Demo zu organisieren, die dies anprangerte. Wir fuhren zunächst nach Hause, um Plakate für die Demo zu malen. Mit Plakaten und Trillerpfeife wollte er auf sich aufmerksam machen. Das Mietshaus inklusive Ernie und Bert waren schnell als Mitdemonstranten aktiviert. Die Polizei guckte relativ belustigt, als sie hörte, dass ein kleiner Demonstrationszug vor dem Zoo aufmarschieren wollte. Dennoch wurde auch diese Demo von einigen Beamten abgesichert. Sie hätten in der Zeit auch Kaffee trinken gehen können, da es keinerlei Unruhen gab und auch nicht zu erwarten waren. Die Idee von Ernesto, sich zu vermummen, wurde ihm dann von mir ausgeredet, da im Zusammenhang mit seiner Bepanzerung sein Outfit dann doch zu martialisch war. 

Beseelt von der Zusage des Fotografen, das Foto in der Zeitung abzudrucken, gingen wir dann nach Hause. Die Reaktionen auf den Zeitungsartikel ließ Ernesto mit seinem Kampf fortfahren für größere Freiräume der Tiere. 

Herr Müller sieht die Welt

Sitzheizung 

Unser neues Auto verfügte jetzt über eine Sitzheizung. Mein zu anfangs bestehendes Problem mit dem Gefühl der permanenten Inkontinenz hatte sich schnell wieder gelegt, aber ungewohnt war es schon. So ein vorgewärmter Sitz ist für den Popo schon was Feines. Auch Ernesto gefiel es gut, auf dem vorgewärmten Sitz Platz zu nehmen. Nur zu große Hitze brauchte er nicht, aber das ließ sich ja Gott sei Dank durch Herunterregeln der Sitzheizung verhindern. Gerade bei Minustemperaturen wurde sie von uns hochgeschätzt. Aus der Eiseskälte sich in einen warmen Sitz fallen zu lassen, war für uns beide sehr angenehm. 

Ernesto war es ja gewohnt, weil er oft in meiner Brusttasche umhergetragen wurde, dass seine Umwelt angenehm warm war. Aber genau deswegen war eine zu große Hitze auch für ihn unangenehm. 

Das Leben so in Körpernähe brachte aber auch den Nachteil, dass kühle Winde ihn selten erreichten und anpusten meinerseits half teilweise, aber angesichts meines manchmal vorhandenen Mundgeruchs nur unter größtem Protest von Ernesto. Am wohlsten fühlte sich Ernesto im kühlenden Wind am besten eines Meeres, ob Nord- oder Ostsee war ihm egal, da war er nicht so wählerisch. 

Da ein kühler Wind nicht so schnell von mir herbeigezaubert werden konnte, musste sich Ernesto durch Herunterlassen der Scheiben vom Fahrtwind abkühlen lassen. Doch bei Regenwetter weigerte ich mich, die Fenster zu öffnen. Da unsere Polster nicht wasserabweisend waren, mussten wir schnell eine Lösung für Ernesto finden. Diese wurde von mir gefunden, indem Ernesto auf dem von mir installierten Dachgepäckträger platznahm. Da konnte er auch seine Sturmhaube aus dem 1. Weltkrieg und seine Taucherbrille aufsetzen, um gegen entgegenkommende Insekten geschützt zu sein. Um gegen die Gefahr des Wegfliegens gesichert zu sein, wurde er von mir festgebunden. Er genoss die Möglichkeit, von der frischen Luft umweht zu werden. 

So eine Schildkröte auf dem Dach war schon ein ganz besonderes Extra. Viele Leute grüßten freundlich, wenn sie Ernesto kommen sahen. Die Ausflüge mit dem Auto waren im Sommer eine hochgeschätzte Möglichkeit, mal wieder rauszukommen und die Sommerluft zu genießen. Wir besuchten viele Freunde und Bekannte und gelegentlich auch mal unseren Lieblings-Badesee, damit Ernestos Gefühl von Freiheit größtmöglich wurde, schwammen wir dann ein, zwei Runden durch den See und kehrten dann nach Hause zurück. 

Die Sitzheizung war dennoch in den Wintermonaten ein gerne benutztes Extra von uns beiden. 

Herr Müller sieht die Welt

Innenausbau 

Nach Jahren in der 2-Zimmer Dachgeschosswohnung beschloss unser Vermieter, das Dachgeschoss weiter auszubauen und so wurde unsere 2-Zimmer Wohnung zur 5-Zimmer Wohnung. Die neue Wohnung hatte vor allem den Vorteil, dass jeder von uns 2 Zimmer für sich zur Verfügung hatte und wir dennoch eine Vielzahl von Räumen gemeinsam nutzen konnten. Was erstmal wie ein riesen Vorteil erschien, war bei genauerer Betrachtung schwer umzusetzen. Ernesto und meine Vorstellung von der Einrichtung von Wohnungen waren doch sehr verschieden, wie bereits im Text „Wärme und Kälte“ erwähnt. 

Ein viel größeres Problem war aber die Arbeit der Handwerker. Diese musste von uns koordiniert werden und mit meiner Arbeit auf dem Amt zeitlich in Einklang gebracht werden. Ernesto bot sich daher als Bauleiter an, weil ja sonst keiner rund um die Uhr zu Hause war. Die Handwerker guckten zwar zunächst verwirrt, dass ihnen eine Schildkröte Anweisungen geben sollte, waren dann aber schnell überzeugt von Ernestos Fähigkeiten. Die Handwerker wähnten sich in der glücklichen Position, ihre Arbeit von einer Schildkröte abnehmen zu lassen. Sie vergaßen aber dabei, dass Ernesto ein sehr genaues Auge auf ihre Arbeit hatte. 

Teilweise waren wir einfach nur schockiert über die abgelieferte Arbeit. Teilweise hatte man das Gefühl, man beaufsichtigte eine Kindergartengruppe, so unzuverlässig war die Arbeit der Handwerker. Ein Beispiel gefällig? Dämmmaterial über die Fußbodenheizung, sodass die abgestrahlte Wärme nicht mehr oben angekommen wäre… Oder: Der von uns anvisierte Fensterausbau konnte noch in letzter Sekunde zum Positiven verändert werden, da die geplanten Fenster gar nicht gepasst hätten zu den vorhandenen Ausschnitten. Noch ein Beispiel? Aber gerne! Ein Handwerker wurde in Ernestos Beisein vom Architekten angesprochen und gefragt, was er denn da für einen Quatsch täte und dieser antwortete: „Keine Ahnung, wurde mir so gesagt.“ 

Nun könnte man mal das Bildungssystem danach beurteilen, was hinten herauskommt, um weitere Unfälle zu vermeiden, aber das lassen wir an dieser Stelle. 

Zurück zu unseren neuen Räumlichkeiten: Da wir im Dachgeschoss wohnten, mussten die armen Möbeltransporteure die neuen Möbel bis unter`s Dach schleppen. Das tat uns sehr leid, aber auf diese Weise konnte man schnell feststellen, wer fit war und wer gutes Deo benutzte. 

Abschließend bleibt uns, wenn Sie einen Innenausbau planen, nur der Tipp: Viel Zeit und viel Geduld zu haben, denn diese werden Sie brauchen! 

Herr Müller sieht die Welt

Wärme und Kälte 

Wärme und Kälte werden von mir oftmals auch als Yin und Yang der Zentralheizung bezeichnet, wobei ich nicht genau weiß, was was ist, aber das soll vom eigentlichen Problem nicht ablenken. Das eigentliche Problem wäre in diesem Fall die undurchsichtige Funktionsweise von Zentralheizungen. Alles über ein Thermostat zu regeln, wäre auch dem Problem nicht angemessen, da es doch um das ausgewogene Verhältnis von Wärme und Kälte geht. Wärme und Kälte nur auf ihre Temperatur in Wohnungen zu reduzieren, wäre allerdings ein bisschen wenig. Ausdruck von Wohnlichkeit und Behaglichkeit ist die Wohnung in ihrer Gesamtkomposition mit ihrer Wärme. 

Ernestos Wohnstil war eher durch Schlichtheit geprägt, weil Stehrumchen und Teppiche dafür sorgten, dass sie ihn an der Bewegung hinderten. Auch zu glatte Böden waren Ernestos Sache nicht. Ein gewisser Vortrieb musste schon geboten werden. Dennoch mangelte es in Ernestos Einrichtungsstil nicht an Wärme, weil er des Öfteren anstelle von Lampen Heizsonden von der Decke baumeln ließ. Das machte zwar einen sehr kärglichen Eindruck, aber zum einen waren die Höhensonnen für die herumstehenden Pflanzen sehr gut und sorgten außerdem für eine angenehme, behagliche Wärme in Ernestos Räumen. 

Ja, in Ernestos Räumen, weil einige Räume unserer Wohnung von ihm eingerichtet und bewohnt wurden. Andere wiederum waren von mir eingerichtet und bewohnt, einige eben von uns beiden. Manchmal war es daher schwierig, mich auf die Temperatur von Ernesto einzustellen. Besonders schwierig war aber die Einrichtung der gemeinsamen Räume, da erstmal ein gemeinsamer Nenner gefunden werden musste. Es war damals gar nicht so einfach, Schlichtheit und Gelsenkirchener Spätbarock unter einen Hut zu bringen. Als wir es dann dennoch geschafft hatten, atmeten wir erleichtert auf und beschlossen, erstmal einen Kaffee zu trinken. Die von Ernesto geforderte Schrankwand konnte ich ihm Gott sei Dank ausreden. Einfache Regale taten es dann auch, diese gab es schon in günstigen Preislagen in unserem SB-Möbelhaus. Dennoch zeichnen sich alle Räume, sowohl die von Ernesto, die von mir und unsere gemeinsamen Räume, durch Behaglichkeit aus. 

Die eingangs erwähnte Wärme umschloss den Besucher oder die Besucherin und er oder sie konnte sich von Beginn an zu Hause fühlen. Die gesuchte Wärme vermittelte sich dem Besucher oder der Besucherin in jedem unserer Räume, sodass es eher schwer war, Besucher wieder loszuwerden. Ernesto war schon ganz genervt von den vielen Besuchern. Oftmals war er froh, wenn der Besuch gegangen war und die Tür wieder ins Schloss fiel. 

Yin und Yang kamen uns übrigens sehr selten besuchen.