Telefonzelle 

Stunden-, ja, tagelang liefen wir durch die leeren Straßen unserer Stadt. Als plötzlich Waltraut innehielt, mich durchdringend ansah und fragte, ob mir aufgefallen sei, dass es gar keine Telefonzellen mehr gebe. Im Zuge der allgemeinen Diskussion um die Geschlechterzugehörigkeit hatte sie nämlich beschlossen, jetzt immer bei jeder Möglichkeit ihr Bein zu heben, um sich zu erleichtern. Da waren Telefonzellen natürlich gerne genommen, da nur Laternenmasten und Bäume ihr zu wenig waren. 

Nicht nur Telefonzellen sind im Zuge der Zeit verschwunden. Raider heißt jetzt Twix, da musste ich mich erstmal dran gewöhnen, aß ich doch diese Köstlichkeit gern mal zwischendurch. Auch das Kassettendeck in meinem Auto konnte nicht mehr mit neuem Inhalt gefüttert werden. 

Der sehr berühmte Bruder von Waltraut, der Wackeldackel, verschwand sang- und klanglos – war er doch in vielen deutschen Kraftfahrzeugen, so auch auf meiner Hutablage, anzutreffen. Das waren einschneidende Momente des Daseins für mich, erforderten sie doch den Umgang mit einer neuen Situation. Gewohnte Pfade mussten verlassen werden, neue beschritten, was mir zugegeben sehr schwerfiel. Das beruhigende, ja fast schon psychedelische, Nicken des Dackels auf meiner Hutablage konnte jetzt nicht mehr so ohne Weiteres ersetzt werden. Der Wackeldackel hatte seine besten Tage hinter sich, es gab keinen Ersatz mehr. Unser musste also gut gepflegt werden, damit er noch eine Weile durchhielt. Die Hutablage als sein Zuhause sah ja außer Klorollen und ihm nicht viel. 

Auch der von mir für die Hausgemeinschaft eingerichtete Partykeller fristete ein einsames Dasein und wurde als Fahrradkeller missbraucht. Was für herrliche Partys wurden hier früher von der Hausgemeinschaft gefeiert! Zu nahezu jedem Geburtstag, zu allen Feiertagen und zu Karneval wurde diese Räumlichkeit aufgesucht. Heute ist sie leider stark in Vergessenheit geraten. Mein Versuch, diese schöne Räumlichkeit zu reaktivieren, wurde von der Hausgemeinschaft nur teilweise aufgenommen. Meiner Einladung kamen nur wenige Mitbewohner nach. Die Zahl der Gäste war sehr überschaubar. Die Ausreden der anderen gingen von „was anderes vorhaben“ bis „gebrochener Fuß“. Hoffentlich sind andere Renaissancen vergangener Tage erfolgreicher. Schade eigentlich, dass ein Miteinander in der Hausgemeinschaft oft nicht mehr gewollt ist… 

Ach, wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

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