Ja vs. Nein

Manchmal – an guten Tagen oder auch innerhalb eines Tages – können alle 26 Buchstaben, sogar die Umlaute, von mir verbal verständlich geäußert werden. An schlechten oder auch Scheißtagen beschränkt sich meine Kommunikation auf Ja (Kopfnicken) und Nein (Kopfschütteln). Dieser binäre Code macht mein Verhalten so manchem Rechner ebenbürtig. Nicht dass ich mich mit irgendwelchen Rechnern vergleichen möchte, aber die Auswahl ist doch sehr beschränkt, das heißt der Computer kann zwischen 0 und 1 wählen und ich zwischen ja und nein. In dieser Beschränktheit der Wahlmöglichkeiten liegt aber auch zugleich ihre größte Freiheit. Philosophen dürfte das Problem bekannt vorkommen. Für mich wird es aber manifest, weil deutlich.

Ein beherztes Jein wäre eine dritte Möglichkeit. Der Psychologe Freud hat mit Ich, Es und Überich ja auch drei Versionen des Ichs geschaffen. Die Nähe zur heiligen Dreifaltigkeit ist da schonmal verdächtig. Religiöse Gemüter können sich aber schnell auf den Schlips getreten fühlen. Dieses ist natürlich ausdrücklich nicht das Ziel, aber ein gelegentliches Überdenken der Handlungsweisen lohnt schon.

Das beherzte Jein wird von mir manchmal praktiziert. Es äußert sich in missmutiger Stimmung und einer unglaublichen Unzufriedenheit mit mir selber. Ich muss mit mir echt geduldiger werden. Vor allem darf diese Ungeduld mir gegenüber und nicht gegenüber Frau, Kind und etc. zum Tragen kommen. Eigenes Verhalten zu reflektieren hat dazu geführt, dass ich die Idee hatte, mir Fahrradreflektoren umzuhängen in der Hoffnung, dass dies auf mein Verhalten Auswirkung hätte. Als ich dann aber aussah wie ein geschmückter Weihnachtsbaum, ließ ich doch davon ab. So als lebendiger, geschmückter Weihnachtsbaum durch die Gegend zu rollern, ist nicht jedermanns Sache, meine war es zumindest nicht.

Das Reflektieren, so musste ich einsehen, hat auch seine Grenzen. Dennoch bringt es gelegentlich mal Licht ins Dunkel. Reflektion muss ja nicht nur gewollt, sondern auch gekonnt sein. Wie eine gekonnte Reflektion aussieht, wäre dann wohl gegeben, wenn eigene Verhaltensänderungen zu einer Lösung führen würden. Dies ist aber in näherer Zukunft noch nicht abzusehen. Vielleicht liegt die Lösung vieler Probleme darin, mit mir selber auf lange Sicht genügsamer zu sein. Zeiten mangelnder Reflektion schlagen dann immer voll auf das eigene Gemüt durch.

Ja und Nein sind in ihrer Aussage so absolut, ein Jein wäre da versöhnlicher. Vielleicht muss ich die Akzeptanz des Jeins noch lernen.

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