Putz
Ernesto und ich saßen gerade gemütlich beim Frühstück auf unserem Balkon, als ein Stück Putz auf den Teller von Ernesto fiel. Wir fragten uns, wo der denn bitte herkam, da wir in der obersten Etage der Balkone waren und über uns nur Himmel.
Als wir dann nach oben guckten, sahen wir den Grund dafür: Eine Schwalbe transportierte zum Bau ihres Nestes Putz durch die Luft und hatte offensichtlich ein Stück verloren. Warum die Schwalbe ausgerechnet Putz zum Bau ihres Nestes benutzte, war uns überhaupt nicht klar, konnten sie diesen doch nicht anrühren. Die Vorstellung von Schwalben und Betonmischern ging mir nicht in den Kopf. Ernesto merkte nur an, dass das bestimmt sehr hart und ungemütlich sein müsste und lehnte diese Vorstellung ab. Schließlich haben Schwalbenjungen ja auch ein Recht auf ein gemütliches Heim. Aber andererseits konnten wir uns auch nicht vorstellen, dass Schwalben Matratzen durch die Luft befördern. Man stelle sich vor, diese wären Ernesto auf den Kopf gefallen. Dann müssten wir täglich Bauhelme tragen, weil ständig die Gefahr bestünde, von Matratzen erschlagen zu werden.
Aber jetzt fragten wir uns schon, wo denn der ganze Putz herkam, den die Schwalbe transportierte. Bei genauerer Betrachtung unserer Hausfassade stellten wir fest, dass diese Löcher aufwies und dass der Putz zu bröckeln begann. Da es sich nur um sehr kleine Stellen handelte, sah man diese erst bei genauerem Hinsehen. Offensichtlich wurden die ehemaligen Löcher zur Befestigung des Baugerüsts zur Anbringung der Balkone nicht ordnungsgemäß wieder zugemacht, sodass die Schwalbe rund um die Löcher den Putz entfernen und abtransportieren konnte. Durch die Tatsache, dass ich nur von in der Küche sitzend die Hausfassade anschauen konnte wegen meiner Höhenangst, verließ ich mich nur auf Ernestos Berichte über das Ausmaß des Schadens.
Die Redewendung „auf den Putz hauen“ bekam plötzlich einen ganz neuen Kontext. Wenn man die Schwalben mal so beim Nestbau beobachtete, pickten sie eher als dass sie hauten, aber das Sprichwort heißt ja nicht „auf den Putz picken“, auch wenn das hier mehr Sinn machen würde.
Ernesto und ich konnten also unser Frühstück jetzt beruhigt fortsetzen, ohne Angst haben zu müssen, von großen Putzteilen oder Matratzen getroffen zu werden. Kleine Putzstücke konnten uns zwar immer noch treffen, aber die waren weniger gefährlich.