Mein Küchentisch

Es war mal wieder Freitag und wie immer trafen sich Ernesto und ich am Küchentisch. 

An meinem Küchentisch waren vier Stühle, aber nur einer wurde von mir benutzt und so beschloss ich eines Tages, die Stühle reihum zu benutzen, damit alle gleichmäßig abgenutzt wurden und ein Besucher nicht den Eindruck haben könnte, dass nur ich hier sitzen würde. Ernesto saß auf dem Küchentisch und war damit raus. 

Interessant war dabei auch, dass man von jedem Stuhl einen anderen Blickwinkel auf das Haus gegenüber hatte. Die Veränderung des Blickwinkels kann ja durchaus zu ganz anderen Einsichten ein und desselben Sachverhalts führen. So konnte man auf dem Stuhl gegenüber dem Fenster sehr gut in das Haus schauen. Das war jedoch relativ uninteressant, es sei denn man findet Dachböden toll. Wenn man nun natürlich seine Sichtweise noch einmal komplett verändern wollte und unter den Tisch kroch, änderte sich die Sicht noch einmal kolossal. Aber auch Heizkörper verlieren auf Dauer ihren Reiz. Am besten war die Sicht, wenn ich auf dem Tisch stand, dann konnte ich das ganze Nachbarhaus hervorragend beobachten und in jedes Fenster schauen. Nicht dass ich Lust hatte, die Menschen zu bespannern, aber ein oder zwei interessante Beobachtungen habe ich dennoch gemacht. 

Herr Schulz aus dem 1. Stock brachte zum Beispiel gegen Mittag den Müll runter. Dabei traf er Frau Schmidt, die ebenfalls im Hausflur zugegen war, da sie immer gegen Mittag die Hauswoche machte. Die beiden trafen sich also am Müllcontainer und kamen ins Gespräch, in dessen Verlauf Frau Schmidt Herrn Schulz auf eine Tasse Kaffee zu sich einlud. Es stellte sich heraus, dass Herr Schulz immer am Freitag, wenn Markttag war, zum Markt ging und dort Kartoffeln kaufte. Frau Schmidt ging ebenfalls freitags zum Markt. Sie beschlossen daraufhin, gemeinsam zum Markt zu gehen und Herr Schulz konnte Frau Schmidt beim Tragen des Einkaufs helfen. 

An diesem Freitag beobachtete ich, wie Frau Schröder bepackt mit zwei Einkaufstaschen vom Einkauf zurückkam. Zwei Jungs spielten in der Straße Fußball und sie trafen Frau Schröder mit dem Fußball mitten auf den Rücken. Woraufhin sie ihre gesamten Einkäufe fallen ließ und sie begann, laut zu fluchen. Da ich das Fenster geöffnet hatte, weil es ein warmer Spätsommertag war, konnte ich alles von meinem Küchentisch aus beobachten und bekam mit, wie Frau Schröder die Jungs laut fluchend zurechtwies. Der Papa von Max kam gerade mit seinem Liegerad von der Arbeit und wurde sogleich von Frau Schröder über das Fehlverhalten seines Sohnes aufgeklärt. 

Eigentlich ist die Perspektive unter dem Tisch doch die angenehmste. Das Leben ist so aufregend! 

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