
Marken
Marken sind die Gewürze der Marktwirtschaft. Kapitalismus hat so was Marxistisches, finde ich, deswegen nenne ich sie mal „Gewürze in der Suppe“ statt „Salz in der Suppe“. Oftmals ist den Inhabern gar nicht klar, was sie da so zu Markte tragen. Mir ist natürlich klar, dass Kapitalismus und Marxismus nichts miteinander zu tun haben sollen und wollen. Dennoch haben beide so etwas Vereinnahmendes für den Konsumenten. Nur die Auswahl ist für Kapitalisten größer als für Marxisten. Könnte man sich mal fragen, ob die Auswahl so immens groß sein muss wie im Kapitalismus, aber nun ja… Das soll ja keine Kapitalismus-Kritik werden, war nur so eine Idee.
Marken sind ja oft das Zeichen der Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Dessen sollte man sich als Träger einer Marke oder als Konsument stets bewusst sein. Die einfache Warenwelt ist also nicht mehr nur fröhlich zu konsumieren, sondern man muss sich der Tatsache stets bewusst sein, dass man mit der Marke auch immer eine Haltung wiedergibt.
Ernesto hatte es da leichter – er hatte nur einen Panzer und der war angewachsen und nicht zu tauschen. Die kurze Überlegung, die neumodischen Brandings doch dort zu platzieren, wurde dann schnell von uns verworfen, weil es uns doch zu brutal erschien. Der Versuch mit Piercings, neumodisch zu erscheinen, hatte Ernesto und mir schon gereicht. Marken spielten bei Ernesto nur bei der Auswahl der Schuhe und der Kopfbedeckung eine Rolle. Somit war die untergeordnete Bedeutung von Markenartikeln für Schildkröten offensichtlich. Eigentlich hatten sie es besser als wir Menschen, da sie nicht großartig wählen mussten, welche Marken sie nun tragen sollten oder könnten. Keine Wahl zu haben ist manchmal die beste Wahl.
Die Auswahl als Zeichen der Marktwirtschaft sollte also nicht mit der Individualisierung verwechselt werden, weil Marken nicht unbedingt Zeichen der Individualisierung sind. Marken lauern nur darauf, Mainstream zu werden und dann wird die Individualisierung wieder hinfällig. Die Bedeutung von Marken wird oft überschätzt, weil ihnen eine Rolle zugewiesen wird, die sie gar nicht haben. Der Konsument sollte sich seiner Macht durchaus bewusst sein.
Ernesto hatte damit die größtmögliche Freiheit, weil er seinen Panzer nicht frei wählen konnte. Auch wenn das schizophren erscheint, war für ihn eben genau die Tatsache keine Wahl zu haben, die größtmögliche Freiheit. Somit war Ernestos Suppe ausreichend gewürzt. Wie sagt der Volksmund so schön: Viele Köche verderben den Brei. Quod erat demonstrandum.