Herr Müller sieht die Welt
Langeweile
Seit Tagen – vielleicht waren es auch Wochen – jedenfalls eine lange Zeit langweilten wir uns ohne Maßen. Ernesto lief schon Kreise ins Parkett. Irgendwann gingen wir dazu über, die Wand anzuglotzen in der Hoffnung, dass da irgendwas Spannendes passieren würde. Erstaunlicher Weise passierte nix.
Erst als wir unsere Fantasie benutzten und beim Betrachten der Raufasertapete in unserer Küche (siehe Text dazu) wandelte sich der gesehene Eindruck. Die von uns jetzt gesehenen Bilder waren auch ohne Hilfe von zusätzlich eingenommenen Drogen bunt und vielfältig. Die Kraterlandschaft der Raufasertapete sorgte dafür, dass sich Ernesto und ich wie Entdecker auf der Oberfläche eines unbekannten Planeten vorkamen. Wir waren uns nur noch nicht ganz einig, welcher Planet dies sein sollte.
Weil ein Grundproblem blieb ja: Kein anderer Planet außer der Erde verfügte über eine Atmosphäre, die Sauerstoff enthielt. Die Einzigartigkeit der Erde sollte manchmal wieder ins Bewusstsein der Menschen rutschen, ohne jetzt den moralischen Zeigefinger erheben zu wollen. Die Tatsache, dass nur hier ein Leben für Mensch und Tier möglich ist, ist ein Fakt. Trotzdem wäre es, ohne Klimakleber sein zu wollen, mal echt an der Zeit, dass die Menschen begreifen, dass unser Planet einmalig ist.
Meine Ausführungen über die Einzigartigkeit der Erde unter den Planeten des Sonnensystems fand Ernesto aber totlangweilig. Er schlief dabei ein. Nachdem ich ihn wieder geweckt hatte, erzählte er mir von seiner Begeisterung für Star Wars Filme. Auch wenn mir die Chronologie der Filme nach wie vor rätselhaft war, so weckte sie doch Ernestos und mein Interesse am Universum. Ernesto wusste nur nicht genau, ob er Meister Yoda oder Luke Skywalker sein wollte, aber Lichtschwerter fand er auf jeden Fall saucool. „Damit kann man bestimmt ganz toll Brot schneiden“, so seine Aussage. Ob es Klappschwerter gab, ist nicht überliefert, wir warten auf weitere Ausgrabungen.
Die Beschäftigung mit dieser Problematik vertrieb eine Zeit lang unsere Langeweile. Manchmal muss man Langeweile auch nur lernen aushalten zu können. Wär ja noch schöner, wenn einem so doofe Langeweile erzählen würde, was man zu tun und zu lassen hat. Ich finde Langeweile knorke, wie die Langeweile uns findet, ist mir egal!