Haustiere
Es war wieder einmal Sonntag und Ernesto und ich saßen beim gemeinsamen Frühstück, in dessen Verlauf mir Ernesto eröffnete, dass er gerne ein Haustier hätte. Die Vorstellung von ihm mit einer Hundeleine im Maul fand ich sehr lustig und es fragte sich dann, wer mit wem Gassi geht. Aber das Problem stellte sich gar nicht, da ihm Hunde zu schnell liefen. Es blieben also nur Haustiere, die sich in einem räumlich begrenzten Radius bewegten. Nachdem Meerschweinchen und Kaninchen von Ernesto abgelehnt wurden, fiel unsere Wahl auf Fische. Diese konnten den ganzen Tag von Ernesto in ihrem Aquarium beobachtet werden.
Nachdem Ernesto mehrere Stunden vor dem Aquarium saß und die Fische anglotzte, fragte er mich, ob man Fischen auch Kunststückchen beibringen konnte. Zum Beispiel wäre es doch cool, wenn die Fische als geschlossener Schwarm mit oder gegen den Uhrzeigersinn im Kreis schwämmen und auf Kommando ihre Richtung ändern könnten. Ich verfügte auch über keinerlei Erfahrungen mit Fischen und Kunststücken und konnte ihm daher nur raten, es auszuprobieren.
Ernesto hatte außerdem die Idee, weil ihm das Glotzen auf das Aquarium ziehmlich stupide vorkam – ähnlich wie das Glotzen auf einen Fernsehbildschirm – einen eigenen TV-Kanal ins Leben zu rufen, auf dem man Fische im Aquarium beobachten konnte. Er würde den Sender „Schildkröt-TV“ nennen. Bei Schildkröt-TV würden dann zusätzlich alle Themen behandelt werden, die moderne, aktive Schildkröten so interessieren, also alle Dinge, die Ernesto so unternahm und beschäftigten. Ob seine Lebensweise formatfüllend war, wusste er noch nicht, aber er wollte es zumindest mal ausprobieren. Mein Tipp – wenn es nicht gleich für einen ganzen TV-Sender reichte – es mal mit einem Youtube-Kanal oder sonstigen digitalen Formaten zu probieren. Er war dankbar für die Anregung, aber dazu später.
Zurück zu unseren Fischen: Zunächst galt es zu klären, wie man den Fischen beibringt, im Schwarm im Kreis zu schwimmen. Mit Hilfe eines Laserpointers, mit dem Ernesto auf der Aquarienoberfläche eine kreisförmige Bewegung machte, sollten die Fische lernen, sich zunächst im Schwarm zu bewegen und im nächsten Schritt in einem Kreis zu schwimmen. Das klappte schon nach dem 195sten Mal recht gut, sodass Ernesto nun dazu überging, den Fischen beizubringen, was es hieß, mit und gegen den Uhrzeigersinn zu schwimmen. Ihnen das beizubringen, dauerte eine lange Zeit, aber letztlich begriffen sie auch dieses.
Wer hätte gedacht, dass man Fischen Kunststücke beibringen kann?