Frühsport

Wir saßen wie an jedem Wochenende beim gemeinsamen Frühstück und ich wollte gerade in ein leckeres Käsebrötchen beißen, als mich Ernesto unvermittelt von der Seite ansprach und sagte: „Angesichts deines Doppelkinns wäre es doch mal höchste Eisenbahn, etwas Sport zu machen.“ Darum hatte er sich überlegt, dass wir jetzt jeden Tag vor dem Frühstück Sport treiben sollten. Mein Einwand, dass das angesichts der frühen Öffnungszeiten des Amtes, auf dem ich arbeite, kaum möglich sei, wischte er mit den Worten hinfort: „Dann eben nachmittags.“ 

So wurde der Frühsport zum Nachmittagssport, was aber in seinem Effekt gar nichts ausmachte. Für uns beide nicht, weil kein Mensch im Falle von Ernesto wusste, wie es unter seinem Panzer um seine Figur bestellt war. Im Gegensatz zu uns Menschen und der uns umgebenden Bekleidung konnte man eben bei Schildkröten nicht einmal erahnen, wie es im Panzer aussah. Nur anhand der Extremitäten, also Armen und Beinen, konnte man sehen, ob es sich um eine wohl genährte oder ausgehungerte Schildkröte handelte. Ernesto war eher wohl genährt, von daher machte ein bisschen Sport für ihn durchaus Sinn. 

Die Geräte auf dem Trimm-Dich-Pfad in unserem Park standen schon viele Jahre lang verwaist und der Witterung ausgesetzt herum und dienten maximal als Sitzgelegenheit. Bei unseren Überlegungen in punkto Fitness hatten wir aber schlichtweg vergessen, dass die Geräte nicht für Schildkröten, sondern für Menschen und ihre Körpergröße gemacht waren. Das stellte uns natürlich vor ein Problem: Wir mussten die Geräte für Ernesto entsprechend anpassen und die Übungen auf ihn zuschneiden. So wurde zum Beispiel der Klimmzug dahingehend abgewandelt, dass Ernesto von mir an einen tief hängenden Ast gehängt wurde. Die Angst herunterzufallen ließ ihn erstaunlich viele Klimmzüge schaffen. Die Übung zum Balancieren wurde von uns kurzerhand auf das Hochkantformat gekippt, soll heißen, Ernesto machte die Übung auf die Seite gedreht, also auf zwei Beinen. Ihr denkt, das geht nicht? Bei Ernesto schon! 

Unsere gemeinsamen Mahlzeiten ließen wir uns jetzt angesichts unseres Sportprogramms doppelt schmecken. Ernestos Versuch, doppelt so viel zu essen, konnte durch mein beherztes Eingreifen im letzten Moment noch abgewendet werden. Auch Ernestos Vorschlag, unsere sportlichen Aktivitäten in ein Rahmenprogramm mit Hula-Tänzerinnen zu setzen, fand meine Zustimmung nicht. 

Kurzum: Sport und Ernährung sollten sich die Waage halten, damit selbige nicht zum Stein des Anstoßes werden. 

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