Fernsehen 

Mit dem neuen Flachbildfernseher wirkte es fast ein bisschen gespenstisch, so einen großen Bildschirm mit einer Schildkröte davor zu sehen. Ernesto fühlte sich auch ein wenig von den Bildern erschlagen. Das lag weniger an den Bildinhalten, sondern mehr an ihrer schieren Größe. Nachrichten wurden so zum flackernden Bildschirmerlebnis und Ernesto musste einige Meter weiter vom Monitor wegrücken, um nicht von der Bilderflut erschlagen zu werden. 

Häufig genug fühlte er sich unmittelbar in Kriegshandlungen verwickelt, da die Bilder so vereinnahmend waren. Oft fiel es ihm schwer, dann zwischen Realität und Fernsehen zu unterscheiden. Daher mussten wir dann häufig erst eine Runde Tetris spielen, damit ihm der Unterschied zwischen Realität und Fiktion wieder klar wurde. 

Ernesto war also gerade aus Beirut wieder heim gekehrt und entspannte bei einer Runde Tetris, da klingelte es plötzlich an der Tür. Es war eine dringende Nachricht für Ernesto, so erfuhr er an der Gegensprechanlage. In Erwartung gewichtiger Themen – wie dem Ende der Welt, die zunehmende Umweltverschmutzung oder die Auferstehung – war der Mensch, der dann vor unserer Tür stand, nur daran interessiert, möglichst viele Kabelanschlüsse zu verkaufen. Da Ernesto schon geraume Zeit davon genervt war, dass unser Fernsehempfang von der Wetterlage abhing, war er natürlich hoch erfreut, für ein flimmerfreies Fernsehbild sorgen zu können. Also ließ er sich das Angebot des Kabelvertreters in aller Ausführlichkeit erklären und schloss dann einen solchen Vertrag ab. Doof war nur, dass sich Ernesto einen Vier-Jahres-Vertrag aufquatschen ließ. Bei so viel Gebundenheit musste Ernesto erstmal eine Runde in den Park, um frische Luft zu schnappen und den Wind zu spüren. Nachdem Ernesto mir den Vier-Jahres-Vertrag beichtete, war ich natürlich darum bemüht, aus dem Vier-Jahres-Vertrag einen Ein-Jahres-Vertrag zu machen, denn Ernesto hatte übersehen, dass die Kosten im zweiten Jahr um beinahe das doppelte steigen sollten. Das war zunächst gar nicht so einfach. Erst nachdem ich dem zuständigen Sachbearbeiter klar machen konnte, dass sein Vertreter einen Vertrag mit einer Schildkröte abgeschlossen hatte, konnten wir relativ problemlos einen Ein-Jahres-Vertrag abschließen. 

Zurück zu übergroßen Fernsehbildschirmen und kleinen Schildkröten: Manchmal kommt einem die Realität zu übergroß und mächtig für die eigene Seele vor. In solchen Fällen macht es durchaus Sinn, alles abzuschalten und sich einen Punkt in der Landschaft oder auf dem Meer zu suchen, um sich wieder neu zu skalieren. 

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