
Feinripp
Der letzte Schrei sollte auch Schildkröten nicht vorenthalten werden. Feinripp war jetzt wieder hochaktuell, so musste auch Ernesto unbedingt ein Feinripp-Leibchen tragen. Boxershorts in Feinripp standen ihm nicht so gut, von daher trug er schnell Feinripp-Unterhemden. Dass man von seiner Umwelt damit immer in eine bestimmte Schublade gesteckt wurde, kümmerte Ernesto nicht. Er war der Ansicht, dass man erstmal den Träger kennenlernen sollte, bevor man sich seine Meinung bildet.
Im Feinripp-Unterhemd ging er dann zu seinen Kumpels am Kiosk unseres Kiezes und philosophierte mit ihnen über das Leben als Schildkröte. Manchmal brachte er strittige Fragen vom Kiosk mit nach Hause. Beispielsweise waren sich neulich die beteiligten Diskustanten uneins darüber, ob das Sein im Ist begründet oder ob das nur eine semantische Verschiebung sei. Da wir am Küchentisch die Frage auch nicht erschöpfend ausdiskutieren konnten, beschloss Ernesto, die Fragestellung wieder mit an den Kiosk zu nehmen. Die Frage wurde am Kiosk eher basal behandelt anhand von Flachmännern und Dosenbier. Das theoretische Sein, also der Flachmann, ist dem praktischen Ist, also dem Dosenbier, dann doch hochprozentiger, also übergeordnet. Was man dann mit dieser Erkenntnis anstellt, ist jedem selbst überlassen.
Zurück zum Feinripp: Ausgehend von der Erkenntnis, dass Hochprozentiges doch geistreicher sei als Dosenbier, könnte man sich zu der Bemerkung hinreißen lassen, dass je kleiner die Verpackung desto höher die Umdrehung ODER je feiner die Rippe desto ästhetischer der Leib des Trägers ist. Dosenbier wäre dann also die häufig unterschätzte Alternative. Dosenbier wird erst in Palettenform so richtig interessant, weil 24 Kumpane mehr bewirken können als ein Einzelner. Das stellt man auch in jeder Art von Mannschaftssportart fest. Teamsport macht ja nicht nur bei Dosenbier mehr Spaß. Eine einzelne Dose bringt ja kurzzeitig Erquickung, eine ganze Palette hingegen wird dann eher zu einer abendfüllenden Veranstaltung.
Jetzt aber zurück zum Feinripp: Man lässt sich oft genug von dem Erscheinungsbild der Feinripp-Träger täuschen. Aber wie man sieht, lohnt sich ein zweiter Blick oder eine Nachfrage. Die Engländer haben den Spruch geprägt: „Never judge a book by its cover“, und damit haben sie völlig recht!
Ich aus meiner Warte war überrascht, mit welch tiefschürfenden Themen sich die Umstehenden am Kiosk so beschäftigten. Da kann man mal sehen, dass ein zweiter Blick immer lohnt.