Die Waschstraße

Zur Verdeutlichung meiner Stellung im Amt hatte ich mir vor Jahren einen goldfarbenen VW Jetta zugelegt. Alle 3-4 Wochen fuhr ich mit diesem durch die Waschanlage. Aber eigentlich fuhr ich nur in die Waschanlage, weil Ernesto so gerne durch die Waschanlage fuhr. Er liebte es, den Bürsten bei der Arbeit zuzuschauen und er war jedes Mal begeistert, wie toll das Auto hinterher blitzte und blinkte.

Außerdem dachte er dann immer an seine Kumpels: die Wasserschildkröten. Genau wie sie frei und unbeschwert glitten die Bürsten über das Blech, verteilten ihre nasse Pracht. Er fühlte sich den Wasserschildkröten halt einfach sehr nahe, auch wenn die Waschstraße und der Ozean auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben.

Die Nähe von Waschstraßen und dem Leben im Ozean wurde mir aber auf dramatische Art und Weise klar. Und zwar in dem Moment, als ich mitbekam, dass das Wasser aus der Waschanlage wieder gereinigt und aufbereitet wurde. Da wurde mir bewusst, dass die Verantwortung für sauberes Wasser bei uns allen liegt. Wer also Wert auf ein sauberes Auto legt, dem muss auch klar sein, dass sauberes Wasser nicht vom Himmel fällt, sondern man sich nach der Nutzung um die Aufbereitung des Schmutzwassers kümmern muss.

So, moralischer Zeigefinger wieder eingeklappt. Das Leben in der Waschstraße und auf`m Amt hatte durchaus Parallelen. Nur in Waschstraßen wurde man permanent mit Wasser gebürstet, in Ämtern nicht immer. Gebürstet meint in letzterem Fall „einen Anschiss kriegen“. Wie ein trockener Anschiss aussah, merkte ich, als ich einmal zum Amtsleiter zitiert wurde. Ich hatte mich bei der Vermessung eines Grundstücks um mehrere Quadratmeter vertan. Aber die ganze Sache war dann relativ schnell geklärt. Wir konnten wieder jeder seiner Wege ziehen.

Mir wurde durch die Waschstraße wenigstens klar, wie die Bewohner des Festlandes mit den Ressourcen von Wasser umgehen und dass der Umgang mit Wasser Auswirkungen auf das Leben im Meer hat. Die Abhängigkeit braucht kein Mensch und die Bewohner der Meere schon gar nicht. Leider muss man einsehen, dass die Abhängigkeit im Kreislauf der Natur begründet ist, ein Zahnrad greift in das andere

Wer hätte gedacht, dass einen Waschstraßen zu solch tiefgründigen Gedanken hinreißen.

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