
Blechspielzeug
Endlich kam Ernesto auch mal in den Genuss des Fahrens mit offenem Fenster, konnte so den Ellenbogen aus dem Fenster lehnen und das Auto mit einer Hand steuern. Nach einiger Übung konnte er dies sogar fast unfallfrei. Dass sein Auto den Crazy Crashers, dem Kinderspielzeug aus den 80er Jahren glich, musste er in Kauf nehmen. Gott sei Dank handelte es sich ja nur um sein Blechspielzeugauto und nicht um sein ferngesteuertes Auto, zumal sein Ellenbogen dann dicker hätte gepolstert werden müssen. Dass sein Blechauto immer auf meinem Fahrradanhänger geparkt werden musste, war unvermeidlich und erschwerte seine Selbstständigkeit, aber zumindest war das ein guter Anfang. So konnte er gefahrenlos den Ellenbogen aus dem Fenster halten und den dicken Macker markieren, auch wenn sein Spielzeugauto nur auf meinem Fahrradanhänger geparkt war, das hielt ihn nicht davon ab, cool wirken zu wollen.
Seine Bemühungen um ein cooles Outfit wurde von einer ausgefallenen Sonnenbrille getoppt. Und nun war es nicht gerade ein alltägliches Bild, eine Schildkröte mit Sonnenbrille im offenen Cabrio auf einem Fahrradanhänger zu sehen, sodass Ernestos Bekanntheit, die bei uns im Kiez ohnehin schon hoch war, noch gesteigert wurde.
Jedes Mal, wenn Ernesto in seinem Auto an unserer Eisdiele vorfuhr – bzw. ich mit ihm – kreischten seine Fans und sorgten für Tumulte. Der Eisverkäufer überlegte schon, eine Eissorte speziell für Ernesto zu kreieren, aber bei der Namensgebung hatten er und wir Probleme, sollte doch die individuelle Note der Eissorte im Vordergrund stehen. Die Farbigkeit der Eissorte sah außerdem ganz schön igitt aus: blau, braun und gelb (Schlumpfeis, Schoko und Vanille) ergaben keinen schönen Farbton und so gab es halt kein Ernesto-Eis. Der Eismatscher profitierte dennoch von Ernestos Ruhm. Die Fangemeinde von Ernesto ließ sich regelmäßig in der Eisdiele nieder und erwartete das Erscheinen ihres Messias. Der Vorteil für uns war, dass wir umsonst Eis und Cappuccino bekamen, weil die Fans für mehr Umsatz sorgten.
Manchmal darf man bei der Götzenverehrung nicht die eigenen Bedürfnisse vergessen. Ernesto und ich konnten jedenfalls von jetzt ab Eis und Cappuccino bis zum Umfallen genießen.