Alltag auf dem Amt Herr Müller sieht die Welt

Alltag auf dem Amt

Wider Erwarten ist der Alltag auf dem Amt von Monotonie geprägt. Die Beschwerden einzelner Bürger bilden eher die Ausnahme in unserem Alltag. Nun darf man auch nicht denken, dass wir eine Karnevalshochburg wären, aber ein guter Witz oder eine nett erzählte Zote finden doch dankbare Abnehmer. Man merkt immer dann, ob ein Witz gut angekommen ist, wenn er Tage später in unserer Teeküche noch in Fragmenten oder Rudimenten erzählt wird.

Gelegentlich brachte ich Ernesto wieder mit auf`s Amt. Weiterhin war es mir untersagt, Ernesto regelmäßig mit auf`s Amt mitzubringen, aber gelegentlich war es geduldet. Dies führte dann zu gewohnten Reaktionen. Die Kolleginnen reagierten mit pubertärem Gekreische („Och ist der süüüüüß!“), die Männer reagierten mit dem Aufräumen ihres Schreibtisches. Das Aufräumen der Dreifaltigkeit des Amtes, also Locher, Tacker und Schere war zumeist eine Verlegenheitsgeste, wenn sie nicht wussten, was sie sonst noch tun sollten. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten bestanden ja auf dem Amt zu Hauf, wenn diese auch häufig wegignoriert wurden.

Aber kaum ein Kollege ging noch mit Maßband vor die Tür, besonders in den kalten Wintermonaten nicht. Die Sommermonate schieden dank des Klimawandels jetzt auch zunehmend aus, weil es in ihnen zu heiß war. Herbst und Frühling boten die ideale Temperatur für unsere Arbeit. Und da noch keine Gefahrenzulage in Aussicht stand, mussten wir unsere Arbeit im Außendienst auf diese Monate beschränken.

Der Alltag auf dem Amt war ansonsten bestimmt von Kaffeetrinken und Papierkram. Die Qualität des Kaffees ließ in letzter Zeit zu wünschen übrig. Erst durch die Übernahme des Kaffeekochens durch Frau Müller hatte sie sich spürbar verbessert. Auch der Geruch des verwendeten Reinigungsmittels hatte deutlich zur Auffrischung des Arbeitsklimas beigetragen. Das jetzt verwendete Mittel sorgte durch die Verwendung von einem Hauch von Patchouli für die nötige Frische in den Amtsstuben. Viele Kolleginnen gingen jetzt dazu über, sich die Haare wieder schwarz zu färben, weite wallende Kleidung zu tragen und Gothic-Musik zu hören, so zog doch eine merklich jugendliche Frische in unser Amt ein. Ich fand`s gut, die Kunden leider nur bedingt. Ihre Anträge waren von Konservativismus geprägt, sie konnten mit der neuen jugendlichen Art der Amtsführung nichts anfangen. Schade eigentlich.

Für mich bedeutete die neuerliche Art der Amtsführung einen zweiten Frühling und plötzlich sah ich auch Frau Müller mit ganz anderen Augen.

Administrator