Kowalski lebt

Bonjour Tristesse 

Unvermittelt sahen Waltraut und ich gleichzeitig an die Decke. Ein sehr in die Jahre gekommener Deckenventilator verrichtete dort seinen Dienst. Er hatte schwer damit zu tun, die Gerüche des Restaurants zu verteilen. Wäre es Sommer gewesen, hätte man Durchzug machen können, aber so blieben nur die Luftzüge, die der Ventilator im Raum verteilte. 

Der Mief des Tages stand trotz des Ventilators zäh im Raum. Die Luft mischte sich auch mit dem süßlichen Geruch der Schweißfüße des Chefkochs. Die Einlegesohlen mit Aktivkohle, die er gegen die Gerüche seiner Füße in seinen Schuhen hatte, hatten schon vor Jahren ihren Dienst quittiert. Nicht zuletzt seinen Schweißfüßen geschuldet war auch seine Menü-Auswahl. Er bevorzugte Gerichte aus der Bratpfanne, weil die so einen herrlichen Geruch verströmten, so glaubte er. Aber in Wirklichkeit war die Mischung aus Bratengeruch und Schweißfüßen unerträglich. Er bemerkte es zu spät, dass die Küche kein beliebter Ort zum Arbeiten war und das hatte nicht unbedingt mit den dort anfallenden Arbeiten zu tun. Sehr beliebt hingegen war der Servicebereich des Restaurants, sodass sich auch viele eigentlich in der Küche Arbeitende dort aufhielten. Das lauthalse Gelächter aus dem Servicebereich drang zu ihm durch und er überlegte kurz, ob er mal nach dem Rechten sehen sollte. So laut lachte in der Küche schon seit langer Zeit niemand mehr. Überhaupt war niemand mehr in der Küche, der so laut hätte lachen können. Dass sich die Mitarbeiter lieber im Restaurantbetrieb aufhielten, schob der Chefkoch – wenn er es denn bemerkte – eher auf die schlechte Arbeitsmoral denn auf seine Stinkefüße. 

Waltraut machte der Geruch wenig aus, gab es doch in dem Restaurant Schweinelendchen, die Waltraut liebte, Stinkefüße hin oder her. Den erbärmlichen Geruch im Restaurant nahm ich halt so hin. Einmal im Monat durfte sie der Bestimmer sein bei der Wahl der von uns angesteuerten Gaststätte. 

Der Deckenventilator konnte ja Gott sei Dank den Mief, den er so umwälzte, nicht riechen. Dem Deckenventilator ähnlich saß Waltraut fast stoisch im Restaurant. Die anderen Gäste ertrugen schwerlich das Duftpotpourri und verließen das Restaurant nach einem zünftigen Gemecker. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Gewohnheit 

Manche nennen es Gewohnheit, zu lieb gewonnenen Gewohnheiten sage ich nur Marotten. Wenn Marotten nämlich in den Alltag Einzug finden, werden Gewohnheiten zu Marotten. Für manche sind ja Marotten was Schlechtes, für mich nicht. Also: keine Angst vor Marotten! Marotten sind die Krönung der Gewohnheiten, weil erst durch sie werden einem Gewohnheiten bewusst. Verwirrt? Das müssen Sie nicht sein. Solange einem klar ist, wo oben und unten ist, ist alles gut. Das kann man schnell feststellen, indem man mal etwas hochwirft, zumeist fallen die Dinge nach unten. Damit hätte man schon zwei Richtungen bestimmt – oben und unten ist also klar. Sollten die Dinge nach oben fliegen, würde ich mir mal Gedanken machen, ob ich mich noch auf der Erde befinde oder ich habe meine Schwerkraft-Rechnung nicht bezahlt. Ein bisschen Schwerkraft braucht es schon, um festzustellen, was oben und unten ist. 

Zurück zu Gewohnheiten und Marotten. Lieb gewonnene Gewohnheiten sind also Marotten. Für Waltraut ist eine lieb gewonnene Gewohnheit, dass sie immer an der dritten Laterne in unserer Straße das Bein hebt. Bis heute hat ihr niemand gesagt, dass Weibchen nicht das Bein heben, um sich zu erleichtern, aber ist ja auch egal. Es hat ihr ja auch noch keiner beigebracht, bis drei zu zählen. Trotzdem macht sie es. Warum? Keine Ahnung! Entscheidend ist, dass sie immer an der dritten Laterne innehält aus welchen Gründen auch immer. Meinetwegen könnte sie dort auch einen Rosenkranz beten, wobei ich natürlich nicht die Rosenkranz-Beter unter uns beleidigen möchte, sondern damit nur sagen wollte, dass es mir egal ist, warum Waltraut an der dritten Laterne innehält. 

Eine meiner Marotten ist, stundenlang meine Lesebrille zu suchen und dabei nicht zu merken, dass sie oben auf meiner Stirn sitzt – sehr zur Belustigung von Waltraut, die mir natürlich nicht sagt, dass sie die ganze Zeit auf meinem Kopf sitzt, sich aber dabei köstlich amüsiert und leise in sich hinein grinst. Waltraut ließ mich dann stets ein Backrezept vorlesen und als ich – indem ich für`s Lesen meinen Kopf leicht nach vorne neigte – dann Wunder, oh Wunder wieder meine Lesebrille auf der Nase hatte, mussten wir uns darüber beide kaputt lachen. Marotten machen einen aus und man muss sie mit Humor nehmen können. Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Steckdose 

Steckdosen waren ein Mysterium, lieferten sie doch versteckte Energie, die erst zum Vorschein kam, wenn man ein paar Stecker in die Steckdosen steckte. Dessen war Waltraut nicht mächtig, aber die Wirkung von Strom war ihr durchaus geläufig – spätestens als einmal eine Blumenvase unseren Küchenboden flutete und die gesamte Küche dann unter Strom setzte, dadurch dass eine Stehlampe im Wasser stand. 

Der Versuch von Waltraut, sich in dieser Situation spaßeshalber eine Glühbirne in den Mund zu stecken und dann über den elektrifizierten Fußboden zu laufen, in der Hoffnung die Birne würde leuchten, gelang. Die glühende Birne und das sanfte Kribbeln in ihrem Körper machten für Waltraut den Strom außerhalb der Steckdose erlebbar und versetzte ihr zusätzlich einen Kick. Da ich ja ansonsten kein Freund von außerordentlichen Kicks bin, war das aber auch genug. Mehr Kick brauchte kein Mensch und kein Tier. 

Waltraut fand Kicks toll, so fuhr sie für ihr Leben gern Achterbahn – ich ja nicht so. Da es bei uns solcherlei Vergnügungen nicht in nächster Nähe gab, musste sie immer warten, bis wir in einem Vergnügungspark waren, der solcherlei Vergnügungen anbot, weil Achterbahnen auf Rummelplätzen waren selbst Waltraut zu riskant. Ihr permanenter Auf- und Abbau schien ihr ein Quell der Unsicherheit zu sein. Das größte Problem war immer, wie Waltraut in der Achterbahn angeschnallt werden konnte. Bei mir auf dem Schoß mitzufahren, war mir doch zu unsicher. Irgendwann gingen wir dazu über, ein extra Kissen für Waltraut anfertigen zu lassen, dass sie sicher im Bügel hielt. Außerdem musste ich immer kotzen, wenn ich Achterbahn fuhr, von daher war ich als Mitfahrer ausgeschlossen, das war selbst Waltraut zu eklig und für mich eine enorme Erleichterung. 

Zurück zu den Steckdosen: Versteckter Strom war für Waltraut nach wie vor ein Mysterium trotz ihrer bereits erwähnten Erfahrungen. Vielleicht fand sie es auch nur doof, keine Stecker in die Steckdosen stecken zu können, sondern dabei immer auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Die Fähigkeit das genau artikulieren zu können muss unsereins wohl erst von einem Tier vorgeführt werden. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Fußmatten 

Der Sinn und Zweck von Fußmatten war Waltraut lange Zeit unbekannt, außer des stetem Anlasses zum Stolpern hatten sie doch nichts, was ihr einsichtig war. Freundliche Begrüßungen, die dem Besucher zum Hereinkommen und Verweilen in der Wohnung ermunterten, waren häufig gefundene Beschriftungen von Fußmatten. Von daher waren Fußmatten wie Postkarten: mit Abstand zu lesen. 

Der eigentliche Sinn der Fußmatten trat immer häufiger in den Hintergrund, dienten sie doch dem Zweck, Auskunft über den Bewohner zu vermitteln. Oft genug waren Fußmatten bloßes Mittel zum Zweck. Die Botschaft der Fußmatte ging dann oft unter bzw. es gab gar keine. Falls die Fußmatte keine Botschaft enthielt, verbarg sich dahinter zumeist ein blasser Bewohner einer Mietskaserne. So ein bisschen Individualität repräsentiert durch die Fußmatte kann man ja wohl von jedem erwarten. Leider gab es noch keine geblümten Fußmatten, jedenfalls haben wir noch keine gefunden. Generell kamen Fußmatten eher uni daher, also einfarbig. 

Unsere gestreifte Fußmatte war auch nicht jedermanns Sache, zumal die Regenbogenfahne als Fußmatte doch eher zum Nachdenken anregte. Man hätte sie vielleicht missverstehen können bzw. annehmen können, dass man sich mit ihrer Hilfe die Schuhe saubermachen sollte. Aber das war gar nicht unsere Intention, sondern die Aussage war eher an Ludwig XIV. angelehnt, der da sagte: Jeder nach seiner Fasson. Der Spruch wurde von uns hinzugefügt, sodass unsere Fußmatte eine individuelle Note bekam. So war dann aber auch genug Individualität in unser Treppenhaus getragen. Damit stach unsere Fußmatte, alleine aufgrund ihrer Farbigkeit, gegenüber den anderen Fußmatten in unserem Treppenhaus hervor. Der stete Anlass zum Stolpern konnte nicht gänzlich beseitigt werden, aber zumindest war jetzt klar, dass mit der Wahl der Fußmatte immer auch eine Botschaft verbreitet werden sollte. Der Inhalt der Botschaft war genau wie die Wahl der Fußmatte höchst individuell. 

Die Wahl der Fußmatte sollte zwar individuell sein, aber sich dennoch den Gepflogenheiten des Treppenhauses anpassen. Waltraut war es egal, worüber sie stolperte. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Traubenzucker 

Wir waren uns nicht ganz sicher warum… Jedenfalls lief Ernesto – immer wenn er Traubenzucker nahm – rückwärts. 

Um einen Abgleich mit einem Säugetier zu haben, probierte Waltraut jetzt auch mal Traubenzucker. So prinzipiell sind Tierversuche ja doof, aber in diesem Fall war es okay, zumal Waltraut selber neugierig auf das Ergebnis war. Zu unserer großen Überraschung bewegte sich Waltraut für kurze Zeit grazil und elegant und noch dazu schnell. Der Effekt verschwand jedoch binnen weniger Minuten wieder. Dann war sie wieder ganz die Alte, trantütig und behäbig. Also ehrlich gesagt, so gefiel sie mir besser und entsprach auch mehr meinem fortgeschrittenen Alter. 

Komischerweise nehmen ja vor allem junge Menschen Traubenzucker, um mehr Energie zu haben. Dabei macht es ja gerade im Alter mehr Sinn. Junge Menschen sollten von Natur aus schon mehr Energie haben, Traubenzucker hilft da nur bedingt. Falls sich junge Menschen vom Traubenzucker so eine Art Doping-Effekt versprechen, so sei ihnen gesagt: Wo nichts ist, kann auch nichts werden. Soll heißen: So ein paar Muskeln und ein wenig Ausdauer müssten schon vorhanden sein, sonst bringt all das „Doping“ nichts. Doping macht ja nur Sinn mit ein paar Abnehmern, sprich Muskeln. Wenn man also eher ein „Schlacksi“ ist, wird man auch mit Doping einer bleiben. Man kommt also nicht umhin, sich dem Aufbau der Muskeln und dem Ausbau der Ausdauer hinzugeben. Das heißt ja nicht, dass man aussehen muss, wie ein Pumper. Viele Muskeln können auch bedeuten, vor Kraft kaum laufen zu können, das wäre schon doof. 

Zurück zum Traubenzucker: Die Wirkung des Traubenzuckers insbesondere auf Tiere, also Säugetiere und Reptilien, wurde bisher oft unterschätzt. Genau das haben unsere Versuche mit Waltraut und Ernesto deutlich gemacht. Dass Traubenzucker solch eine massive Wirkung auf Säugetiere und Reptilien hat, konnte ja keiner ahnen, also sei die Einnahme stets mit Vorsicht vorzunehmen. Die Reaktion von Waltraut auf Traubenzucker war also relativ normal für ein Säugetier. Uns blieb somit nur die bloße Feststellung des Resultats. Der Doping-Effekt war auch für Waltraut überraschend und die hektische Betrachtung der Welt war zu viel für sie. 

Ach wären doch alle Tiere wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Bauchfleisch 

Auf unseren Wegen durch den Kiez landeten wir wieder mal bei unserem Metzger. Nach 3 ½ Wochen mussten wir ohnehin dort mal wieder vorbeischauen. Waltraut fragte natürlich sofort nach ihrer Lieblingsspeise Bauchfleisch. Das gab`s jetzt in vier Varianten: zunächst einmal baasik, dann hott/schpeicy (immer dieses neudeutsch, das macht mir immer Probleme), mit Avocado und auch als tropikal-Variante für besonders lustige Gemüter. Waltraut wollte mal die tropikal-Variante probieren, dies schien ihr noch am ehesten entgegen zu kommen, nicht zu scharf, aber würzig und mit einem Hauch fruchtigem Abenteuer. Waltraut war somit als Empfänger von einfachen Mortadella-Scheiben ausgeschieden. Für sie durfte es etwas mehr sein. 

Gerade im Sommer mussten wir dann jedes Mal den Grill anwerfen, wenn Waltraut Lust auf Bauchfleisch hatte. Im Winter konnte das ja auch gut in der Pfanne zubereitet werden, aber im Sommer durfte es nur der Grill sein. Zum Anwerfen des Grills gingen wir in unseren Innenhof, was dann immer ein Nachbarschaftsfest nach sich zog, weil alle Nachbarn des Hauses dazu kamen. Das Nachbarschaftsfest war zu fortgeschrittener Stunde für Hunde und Kinder unlustig, weil sich dort vor allem sinnlos betrunken wurde. 

Im Zuge eines dieser sinnlosen Besäufnisse eskalierte ein zunächst harmlos wirkender Streit zu einem Handgemenge, in dessen Folge in den nächsten Wochen keine Hoffeste mehr stattfanden. Der Grund des Handgemenges war im Eifer des Gefechts verloren gegangen, aber ich glaube, es ging um Dauerwellen oder die Bepflanzung der Blumenkästen, jedenfalls etwas Bedeutsames, ich komme nur gerade eben nicht mehr darauf. Na jedenfalls fand erst nach sieben Wochen wieder ein Hoffest statt, weil sich doch alle Beteiligten lieber an die schönen Hoffeste erinnerten als an diesen doofen Streit. Das Miteinander von Streit und Hoffesten muss wohl erst gelernt werden, also eigentlich: Streiten für Jedermann oder anders: Streiten will gelernt sein. 

Waltraut und ich zogen es vor, uns mit einem Stück Bauchfleisch neben den Blumenkasten zurückzuziehen. Wir genossen die untergehende Sonne und schwiegen in Frieden. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Wiener Würstchen

Unser ortsansässiger Metzger wurde von uns ja regelmäßig aufgesucht. Waltraut konnte es immer kaum erwarten dort hinzugehen, weil sie ja entweder ein Wiener Würstchen oder eine Scheibe Cervelatwurst als Leckerli bekam. Warum die Wiener Würstchen Wiener Würstchen hießen, wusste ich noch nicht, da eine erschöpfende Antwort bisher Mangelware war. Man könnte denken, dass es vielleicht mit den Türken vor Wien zu tun haben könnte, aßen diese doch kein Schweinefleisch. Aber das wäre wohl ein bisschen zu viel von mir um die Ecke gedacht.

Auch die Tatsache, dass Wiener Würstchen in Wien Frankfurter heißen, hilft nicht weiter, sondern deutet eher auf den vermeintlichen Erfinder dieser Wurst hin, der Anfang des 19. Jahrhunderts von Frankfurt nach Wien kam. Dort waren seine Metzgerkünste heiß begehrt.

Verwirrende Namensgebungen, weil der eigentliche Ort der Erfindung nicht belegt ist, sondern nur vermutet werden kann, gibt es ja im Bäckerei- und Fleischerei-Handwerk häufiger. Erinnert sei hier nur mal an den Frankfurter Kranz, Dresdner Stollen, die Kieler Sprotten oder nicht zu vergessen die Braunschweiger Mettwurst. Ob die Namensgebung ihren Ursprung tatsächlich in den jeweiligen Städten hatte, kann nicht endgültig behauptet werden. Dennoch ist der Zusammenhang von Lebensmittel und Stadt auffällig. Man könnte dann weitergehend nochmal fragen, ob die Stadt und das Lebensmittel bzw. dessen Schmackhaftigkeit miteinander zu tun haben. Zumindest beim Dresdner Stollen könnte man zwischen 49 und 89 hellhörig werden. Die Versorgung mit Rohstoffen zum Backen scheint in dieser Zeit von Mangelwirtschaft geprägt zu sein.

Dackel gab es in der DDR, zumindest dem Hörensagen nach, auch weniger. Zu der Formulierung, dass Dackel systemstützend waren, kann man demnach nichts sagen. Wahre Freigeister unter den Hunderassen sind dann eher die Bobtails oder ähnliche Zottelhunde, die mit ihrem anarchistischen Äußeren sicherlich zum Sturz des Systems beitrugen. Andererseits hat man Bobtails seltener auf den Montagsdemos gesehen. Aber da gab es ja eh keine Hunde. Ihrer Berufung als Hüte- und Wachhund kamen Bobtails zwangsläufig nur bedingt nach. Mehr gefragt waren hier Schäferhunde. Der Hund als reiner Befehlsempfänger war hier gefragt, ist aber meine Sache nicht.

Ach, wären doch alle Hunde wie Waltraut.

Kowalski lebt

Nordpol – Südpol

Nach dem letzten Sommer, der uns glauben ließ, wir würden demnächst in einer Wüste leben, kamen endlich der Herbst und Winter mit kühleren Temperaturen.

In den Sommermonaten hätte ich mir beinahe die Zunge abgebissen bei dem Versuch, die Zunge zur Kühlung des Körpers, wie Hunde dies tun, einzusetzen, indem sie die Zunge heraushängen ließen. Wenn Waltraut das macht, kann das ja nicht so schlecht sein, so dachte ich. Für Menschen war diese Idee aber doof. Zum einen sah das bekloppt aus, zum anderen lief man Gefahr, sich eben auf selbige zu beißen, wie in meinem Fall geschehen. Da waren uns die Herbst- und Wintermonate schon lieber.

Gegen die Kälte konnte man sich angemessen schützen. Auch als Hund konnte man zum Beispiel Ohrenwärmer aufsetzen, um die Schlappohren zu wärmen und ein Mäntelchen umschnallen lassen, um den Körper zu wärmen. Waltraut trug einen aparten Mantel in rosa, der von mir um ihren Körper geschnallt wurde. Natürlich wurden ihre Schlappohren auch durch rosa Ohrenwärmer geschützt. Damit waren wir zumindest schonmal gegen die Kälte geschützt und außerdem völlig up-to-date.

In rosa gehüllt ging Waltraut vor die Tür und sorgte für lautstarke Freudenrufe. Neben freudigen Pfiffen der Fans sorgten ihre Ohrenwärmer und ihr Mäntelchen für Gefühlsausbrüche jeglicher Art. Der Begriff Wurst in Pelle bekam jetzt konkrete Anschaulichkeit. Ich konnte mich nur nicht entscheiden, ob Waltraut eine Leberwurst, eine Teewurst oder Anderweitiges sein sollte. Letztlich war es ja auch wurst, welche Art der Wurst sie war. Weder am Nordpol noch am Südpol wurden Würste gegessen. Auch Dackel waren dort eher selten gesehen. Dass die Kälte nun so drastisch in unser Leben trat, war nun auch nicht unser Wunsch, aber egal. Lieber zu kalt als zu warm. Die warmen Gedanken, die wir uns machten, ließ die Kälte vergessen.

Waltraut machte mit den rosa Ohrenwärmern und dem rosa Mäntelchen vor, dass es leichter war, sich gegen Kälte zu schützen als gegen Hitze. Denn wie man sich vor Hitze schützt, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Kreuzworträtsel waren ja die von mir bevorzugten Rätsel. Was das mit Eiswüsten zu tun hat, weiß ich auch noch nicht so genau. Aber bloß weil ich verwirrt bin, muss das ja nicht für alle gelten.

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut!

Kowalski lebt

Rollbrett für Waltraut 

Um mit Waltraut längere Spaziergänge unternehmen zu können, hatten wir jetzt die Idee, ein Rollbrett unter ihren Bauch zu schieben, weil dieser in letzter Zeit doch stark durchhing und auf dem Boden schliff. Völlig überraschend ging Waltraut aber dazu über, sich auf das Rollbrett zu stellen und sich von mir ziehen zu lassen. Das war natürlich nicht im Sinne des Erfinders. Es bedurfte einige Erklärung, damit Waltraut das Rollbrett als das annahm, was es sein sollte: nämlich als kleine Unterstützung bzw. Hilfe, denn nicht zuletzt sollte damit ihre Fitness und Selbstständigkeit gefördert werden. 

Relativ schnell merkten wir jedoch, dass Bordsteine und Treppen ein schier unüberwindbares Hindernis für uns waren. Auch die Art des Fußweges konnte von Waltraut beurteilt werden. Kopfsteinpflaster, so merkte sie, war einfach nur die Hölle: zwar optisch schön, jedoch völlig unpraktisch. Nur Fußgänger wussten nicht um die Tücken von Kopfsteinpflaster. Erst mit der Erfahrung als Rollbrettfahrer konnte Waltraut die Wertigkeit von Pflasterungen beurteilen. Zur Bewältigung so mancher Pflasterung sind lange Beine von Vorteil, die sie aufgrund ihrer Rasse nicht hatte. Kurze Beine und Kopfsteinpflaster schließen sich gegenseitig aus. Am liebsten waren ihr glatte Betonböden oder asphaltierte Straßen, da konnte sie völlig entspannt ihre Fitness trainieren, ohne ständig von dem Rollbrett in den Bauch gebufft zu werden. 

Blieb noch das Problem der nicht vorhandenen Bremsen. Abhänge konnten so zu Schluchten der Todesgefahr werden. Ihr Turnschuhe anzuziehen, damit sie bremsen konnte, war auch keine Option. Also musste das Rollbrett von mir mit einer zusätzlichen Leine gehalten werden. Waltrauts Unabhängigkeit war so natürlich nicht gesteigert, erst mit dem Einbau einer Bremse, die sie selbstständig betätigen konnte durch Kopfnicken, konnte das Problem gelöst werden. Das sah zwar etwas dämlich aus, weil sie so dem Wackeldackel relativ ähnlich war, aber egal: Wer heilt, hat Recht. 

Natürlich kamen doofe Kommentare von Menschen. Die Krönung war dann ein dicker Mann, der sich über Waltrauts Rollbrett lustig machte. Da war der Bock fett. Die Vorstellung des dicken Mannes auf einem Rollbrett tröstete mich. Mein Kommentar über Glashäuser (wer im Glashaus sitzt, sollte keine Steine schmeißen) hat er nicht verstanden. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut! 

Kowalski lebt

Viertel Hack gemischt 

Es war wieder einmal Mittwoch. Waltraut und ich gingen zur Metzgerei unseres Vertrauens. Waltraut mehr, um wieder eine Scheibe Fleischwurst abzugreifen, denn Hunde bekamen diese als kleines Leckerli, das Herrchen – also ich – musste hingegen etwas Reelles kaufen. Also nahm ich eine kleine Schale Fleischsalat, denn dieser schmeckte mir außerordentlich gut. Bei dieser Gelegenheit wollte Waltraut ein Viertel Pfund Gehacktes haben, denn sie liebte Brötchen mit Mett. Gehacktes gab es natürlich bei unserem Metzger mannigfaltig, aber Waltraut bevorzugte „gemischt“. Da wir nur fünf Brötchen gekauft hatten, brauchte ich nicht ganz so viel, aber unser Abendbrot war schonmal gesichert. 

Waltraut hatte mehrfach versucht, als Vegetarierin bzw. Veganerin durchzukommen, aber sie sagte schließlich, dass sie als Raubtier nicht auf Fleisch verzichten könne. Die Wahl zu haben, wäre nur mir vorbehalten. Mett gehöre auf jedes Brötchen, so ihre Ansicht. Meine Sache war Mett nicht so. Da ich ihr aber nicht den Spaß verderben wollte, ließ ich sie gewähren. Für mich kam Mett nur in gebratener Form zum Beispiel in Soßen oder Ähnlichem in Frage. 

Die Brötchen, die wir abends zur Begrüßung der Abendstunde aßen, aß ich also mit Cornichons und dem von mir gekauften Fleischsalat. Waltraut beschränkte sich wie gesagt auf Brötchen mit Mett. Dankenswerter Weise verzichtete sie auf Zwiebeln. Zum einen war so ihr Atem besser, zum anderen musste sie nicht ständig pupen – jeder Hundebesitzer weiß, wovon ich rede. 

Nachdem unsere Mägen gut gefüllt waren, gingen wir zum behaglichen Teil des Abends über. Wir schauten unsere Lieblingsepisode von Lassie und futterten dazu kleine Mini-Salamis. Die Mini-Salamis waren von uns hoch geschätzt, obwohl sie unter dem Verdacht standen, Pferdefleisch zu enthalten. Das wurde aber von Waltraut gekonnt wegignoriert, indem sie mich auf den von mir so hoch geschätzten Fleischsalat ansprach. Ich konnte natürlich nicht anders, als dieses Meisterwerk der Handwerkskunst über alle Maßen zu loben. Wo waren wir stehen geblieben? … Zack, und wieder einmal hatte Waltrauts Ablenkung funktioniert. Ich hatte schon völlig vergessen, worum es nun eigentlich ging. Ach ja, Mini-Salamis könnten Pferdefleisch enthalten, aber egal. Man muss nicht immer alles wissen. 

Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut!