Kopfwürmer

Taschenlampe 

Meine Erkrankung soll wie schon erwähnt bei meinen Texten nur eine untergeordnete Rolle spielen, da ich glaube, dass viele Menschen die gleichen Ängste haben wie ich, auch wenn sie nicht erkrankt sind. 

Die Zukunft stellt sich immer wieder als dunkler Raum dar, deren Helligkeit nur vom eigenen Handeln abhängt. Die Helligkeit muss ja nicht immer taghell sein, also lasst uns zu Taschenlampen greifen und uns den Weg ausleuchten! Jeglicher Versuch, den Weg des Lebens zu beschreiten (Pathos, Pathos…hurra!), ist bei genauerer Planung zum Scheitern verurteilt, es sei denn, er ergießt sich in der Feststellung, irgendwann ein Ziel erreicht zu haben. Das soll nicht heißen, dass sämtliche Ziele im Leben überflüssig werden, sondern vielmehr, dass das Leben eine ständige Anpassung an tatsächliche Gegebenheiten erfordert und zwar von jedem, egal ob er erkrankt ist oder nicht. In meinem Fall wäre dies das Leben mit dieser blöden Erkrankung. Meine Taschenlampe ist mein Wille, das Leben trotz der Krankheit nicht im Dunkeln enden zu lassen, sondern diese mithilfe der Taschenlampe so gut es geht auszuleuchten. 

Unwägbarkeiten können so oft rechtzeitig erkannt werden und müssen nicht zwangsläufig zu Sackgassen werden. Das Weiterleuchten zeigt mir, wie der Weg durch die Dunkelheit trotzdem immer weitergeht. Es zeigt mir aber auch, dass links und rechts von dem Taschenlampenlicht Dunkelheit herrscht und der Fokus vor allem durch mein Handeln verändert wird. Was dabei stets schwerfällt, ist die Abhängigkeit von anderen, die nervt mich. Abhängig ist letztlich ja jeder von anderen. Aber in meinem Fall – also wegen der Erkrankung bzw. der Tatsache, dass ich im Rollstuhl sitze und mich nicht mehr selbstständig fortbewegen kann – wird die Abhängigkeit unmittelbarer. 

Gerade deshalb müssen immer genug Batterien für die Taschenlampe vorhanden sein, alles, was dazu beiträgt, das Licht leuchten zu lassen oder sogar heller leuchten zu lassen. Die Batterien können individuell verschieden sein. Dies können zum Beispiel sein: der Besuch eines Konzerts der Lieblingsband, der Überraschungsbesuch von lange nicht mehr gesehenen Menschen, Freunde oder – das Wichtigste – die Familie. 

Letztlich ist man immer selber dafür zuständig, so blöd sich das anhört, dass die Batterien nie leer werden. Also lasst uns die Taschenlampe stets dazu benutzen, den Weg hell erstrahlen zu lassen. 

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Die Klugscheißerei 

Die banale Klugscheißerei wurde von mir zur Profession geadelt. Nicht mehr nur einfach alles besser wissen, sondern jetzt auch mit staatlichem Examen alles besser wissen zu dürfen / müssen. 

Das war zunächst eine schöne Sache, aber je häufiger das Ganze angezweifelt wurde, desto anstrengender wurde es. Nicht wegen der anschließenden Diskussion, sondern wegen der permanenten Unterstellung, es nicht besser zu wissen. Das kann schon sehr nerven! Dabei war doch mein Besserwissen staatlich lizensiert und Schlausein macht leider manchmal ganz schön einsam. Aber nun ja, in der Not frisst der Teufel Fliegen, wie man so schön sagt. Ich entschied mich also, mich doof zu stellen, denn Doofe haben es meiner Beobachtung nach leichter im Leben. 

Das genau wurde auch zu meinem Grundproblem: Etwas zu wissen wird von der Umwelt stets in Frage gestellt. Das macht Wissen oft sehr anstrengend. Nichts zu wissen, macht dagegen nichts, um mal einen alten Sponti-Spruch zu bemühen. Ein anderer wäre ja dann: Wissen ist Macht. Wie sehr Wissen Macht ist, wird mir immer klarer, je mehr mein Wissen angezweifelt wird. Aber auch sich doof stellen , hilft auf Dauer nicht. Doofheit muss irgendwie authentisch sein, sonst wirkt sie unglaubwürdig. 

Schwierig wird`s nur, wenn Doofheit mit Schlauheit verwechselt wird. Man sollte stets darauf achten, dass Aggressionen oder Dominanz kein Zeichen von Intelligenz sind. 

Das Feld der Doofheit wird von vielen Treckern gepflügt. Aber auch hier können viele Köche den Brei verderben. Treckerfahren darf man ja auch schon ab 16 Jahren. Dies könnte einen schon zu dem Hinweis verleiten: Kinder an die Macht. Jedoch, das alte Grönemeyer-Album „Sprünge“ greift nach meinem Dafürhalten zu weit, weil ich glaube, dass Kinder noch nicht weit genug sind, diese Macht auszufüllen. Ihre Naivität hilft nur im ersten Moment, gemischt mit Erwachsenenverhalten kann daraus eine brisante Mischung werden. Auch hier stellt sich das Problem, dass Kindern oft Eigenschaften zugeschrieben werden (meist von den Eltern), die über die eigentlichen Fähigkeiten hinausgehen. 

Fazit: 16 jährige Treckerfahrer können zur Gefahr für den Straßenverkehr werden, wenn auf dem Feld der Dummheit gepflügt wird. Das gilt natürlich nicht für staatlich lizensierte Klugscheißer. 

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Mein Jodeldiplom 

Okay, okay… Also das Land Niedersachsen hatte vor ca. 6 Jahren beschlossen, mich in den Ruhestand zu schicken. 

Meine zwei Examina und die abgeschlossene Trainerausbildung zählten nicht mehr. Da sollte mir das Land Niedersachsen nicht mit Lehrermangel kommen. Natürlich ist mir durchaus bewusst, dass mein Sprechen gewöhnungsbedürftig ist, aber durchaus verständlich – man muss halt manchmal genauer hinhören. Die Fähigkeit des genaueren Hinhörens wurde den Schülern und Schülerinnen abgesprochen und den Fakt des Eigentores bemerkt hoffentlich bald mal jemand. Leider ging dies zu Lasten meiner Person. „Der Aufwand wäre zu groß gewesen“, war die Aussage. Gerade in Zeiten der Inklusion erscheint es einem als blanker Hohn, wenn nur auf Seiten der Schüler Behinderungen vorkommen dürfen, zu deren Ausgleich alles erdenklich Mögliche getan wird, was ja durchaus berechtigt ist. Aber auch Lehrkräfte brauchen vielleicht eine ihnen angemessene Hilfestellung. Das deutsche Beamtenrecht ist schon was Feines. Vielleicht wird irgendwann bemerkt, dass seit dem alten Preußen – aus dieser Zeit stammt es nämlich – sich in Deutschland einiges verändert hat. 

Dieses soll keine unbegründete Anklage werden über das Verhalten der Behörde. Vieles davon kann ich nachvollziehen, auch wenn ich fürchte, dass sich seitens der Behörde nicht so viel Gedanken gemacht wurde wie meinerseits über die noch mögliche Betätigung als pädagogischer Helfer im Trainingsraumkonzept. Für mich wäre es eine Chance gewesen, es zumindest zu probieren. Für die Zuständigen war es mehr eine Bearbeitung eines weiteren Falles und ein Abarbeiten der rechtlichen Pflichten. 

Das stete Jammern und Klagen über meine Erkrankung hilft ja nicht, sie ist nunmal da. Texte wie dieser sind Ausdruck meiner Wut und Hilflosigkeit angesichts vermeintlicher Untätigkeit. Also brauchte ich halt etwas Eigenes: Da brauchte ich mein Jodeldiplom. Mein Jodeldiplom ist mein Blog, der mir die Möglichkeit gibt, mich und meine Gefühle und Gedanken zu artikulieren, wenn auch mit Hilfe beim Tippen. Er ist die von mir neu gewählte Aufgabe, die mich weitestgehend ausfüllt und belustigt am Leben erhält. Das Schreiben von Texten findet zwar stets in meinem Kopf oder im Austausch mit meiner Frau beim Tippen statt, dennoch fehlt mir der direkte soziale Kontakt mit anderen. 

ABER: Durch den Blog haben sich auch wieder Kontakte ergeben zu Menschen, zu denen ich lange Zeit gar keinen Kontakt hatte und wieder anderen, zu denen ich vorher nie Kontakt hatte. Jodeln macht halt in der Gruppe mehr Spaß und ich danke all den Mitjodlern von Herzen! 

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Der große rosane Elefant im Raum 

Also ich muss mal ein bisschen was loswerden. Mir ist durchaus klar, dass mein jetziges Erscheinungsbild natürlich mit dem vor Jahren nicht zu vergleichen ist. Das tut mir mindestens genauso leid wie euch. Aber es hilft mir leider wenig, wenn mir aus dem Weg gegangen wird oder das Ganze ignoriert wird. Die Erkrankung fordert nunmal ihren Tribut. Oft genug sind die körperlichen Anzeichen jedoch nur zeitweilig. Es darf also immer das Motto gelten: Die Hoffnung stirbt zuletzt, soll heißen: kein Zustand ist absolut. 

Herr Müller und Ernesto sind Ausdruck meiner Langeweile, wie schon bemerkt, aber trotzdem sind sie ein Teil meiner Erkrankung. Wenn auch, so hoffe ich, ein eher belustigender. Da ich ungern alleine lache, müsst ihr also mitlachen. Nachdem ich mir nun schnell das Grinsen aus dem Gesicht gewischt habe nach dem letzten Satz, geht es nun ernsthaft weiter. 

Also wie gesagt, die Erkrankung ist für alle Beteiligten doof, aber sie hält mich trotzdem nicht davon ab, gelegentlich mal zu lachen. Der große rosane Elefant soll also durchaus bemerkt werden, aber soll im Hintergrund bleiben und kein Anlass zum Mitleid werden. Weil nämlich Mitleid kann ich nicht gebrauchen. Die Erkrankung und mein Leben damit sollte öfter im Blog thematisiert werden, so die Forderung. Die Erkrankung wird nur nebenbei thematisiert, weil sie eben nicht Mittelpunkt meines Lebens ist und auch nicht sein soll. Auch wenn dies die Einschränkungen oft erfordern, sollen sie nicht zum Hauptthema werden. Soll nicht heißen, die Krankheit weg zu ignorieren. Aber frei nach Loriot: Ich lasse mir von einem Fernseher nicht vorschreiben, was ich wann zu gucken habe, lass ich mir von meiner Erkrankung nicht vorschreiben, was wie zu sein hat. So! 

Dass meine Frau und mein Sohn viel auszuhalten haben, ist mir durchaus bewusst. Gern würde ich anders zur Verfügung stehen, aber geht nunmal nicht. Was mich dabei am meisten nervt, ist zum Beispiel, dass ich keine Hilfe sein kann, wenn meine Frau (wie heute) ein ganzes Regal durch die Gegend schleppt. Oder ich für meinen Sohn nur bedingt als Sparring-Partner zur Verfügung stehen kann. Ich würde so gerne mehr mit ihm machen können. 

Der rosane Elefant wird dann relativ deutlich und sehr dominant in seinem „Handeln“. Dennoch dürfen einen rosane Elefanten nie von den eigenen Zielen abbringen. Natürlich besteht das übergeordnete Ziel darin, dass diese Erkrankung endlich geheilt werden kann. Solange das nicht so ist, müsst ihr wohl weiter meinen Blog ertragen. 

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Realität vs. Wunschdenken

Ich habe MS. Fakt. Soviel zum Thema Realität. Wie sich das Ganze aber ausgestaltet, ist mir überlassen. Mein Wunschdenken wäre dann also dahingehend von Belang, wie ich mit der Krankheit umgehe, also der Versuch, mit der Krankheit so normal wie möglich zu leben. Das verlangt natürlich auch eine Umwelt, die das freundlicherweise mitträgt. 

Zum Zeitpunkt der Diagnose 2008 war ich am Beginn einer langen Reise, wusste nur noch nicht, ob diese Reise ein Ziel hat oder der Weg das Ziel war. Ich verstand den Sinn meiner Reise zunächst gar nicht. Vielleicht musste ich es aber auch nicht verstehen, sondern lernen, Dinge hinzunehmen. 

Das Verhalten von Mitmenschen wie auch Krankenkassen ist sehr gewöhnungsbedürftig, dabei bin ich dummerweise derjenige, der krank ist. Vielleicht muss man auch als Erkrankter viel Geduld mit seiner Umwelt haben, aber das wusste ich zu Beginn nicht. Ich war und bin nach wie vor, ziemlich überfordert mit dem Umgang mit der Erkrankung, auch wenn es oft nicht so aussieht. Es beruhigt mich nur, wenn Ärzte einem bestätigen und andere am Hirn Erkrankten (also Epileptiker zum Beispiel), dass die Diagnose nicht gleichzeitig ein Todesurteil ist und somit die Hoffnung bleibt, 100 zu werden. 

Ich merke gerade, dass ich bereits zu Beginn meiner Krankheit solche Zeilen verfasst habe. Das ist vielleicht Ausdruck der Hilflosigkeit. Das ist zum einen eine gute Ausrede, zum anderen verdammte Realität, weil ich wirklich noch nicht weiß, wie der Weg beschritten wird. Sandalen wären für den Weg eher unangebracht, Turnschuhe gehen aber auch schlecht, da ich gar nicht mehr laufen kann. In meinem Fall wären das also Slicks für den Rolli . 

Wenn man so vor sich hin erkrankt, denkt man zwangsläufig, dass alle Welt doch wissen müsste, wie es einem geht. Es wäre schön, wenn es so wäre. Leider ist dem aber so nicht, sondern vielmehr muss man sich täglich neu motivieren, um den Weg weiterzugehen, ob nun im Rolli oder in Turnschuhen und immer wieder merken, dass man die Krankheit alleine hat. Stets versucht man zwar, sie mit anderen zu teilen, aber muss immer wieder feststellen, dass die Umwelt genauso überfordert ist, wie man selber. Das doofe an der Erkrankung ist, dass es kein Medikament gibt, das 

alles wieder gut macht und das nervt ganz gewaltig. Man muss sich also Meilensteine / Fixpunkte auf seinem Weg suchen, zum Beispiel eine Frau oder ein Kind oder wie in meinem Fall am besten beides. Ne, ne, ne, das soll keine Schmunzette über mich werden . 

Ich lebe nach wie vor gerne, wenn mir die Krankheit dabei auch unnötiger Weise auf den Keks geht. Das soll kein infantiler Umgang mit der Erkrankung sein, sondern ein steter Versuch, dem Leben etwas abzugewinnen. 

Nach den vorangegangenen Zeilen, die, wie ich finde, sehr treffend formuliert sind, bleibt mir nur zu sagen, dass ich auf der Suche bin nach der Quintessenz des Lebens. Vielleicht ist ein kindlicher Umgang mit der Erkrankung hilfreich. Kindlich soll nicht heißen naiv, sondern unvoreingenommen, ohne zu wissen, wie der Verlauf ist und ohne mich detailliert damit auseinanderzusetzen, was bei mir eher noch mehr Ängste schüren würde. 

Ich bin behindert? Ja, aber das bezieht sich nur auf das körperliche. Ich bin geistig noch fit, aber es ist immer wieder lustig, wie die Umwelt einen behandelt, nämlich als ob ich geistig behindert wäre. Vielleicht kann ich das der Umwelt nicht vorwerfen, aber trotzdem nervt das ganz gewaltig, wenn ich behandelt werde, als sei ich gaga. So sprechen viele Menschen nur mit meiner Frau, obwohl ich anwesend bin und manchmal sogar über mich in meinem Beisein. Auch die Behandlung als Dreijähriger ist nicht gerade zielführend und angeschrien zu werden amüsiert mich zwar, aber bringt leider nichts . Ob aus Unsicherheit oder aus anderen Gründen, für mich ist das oft demütigend. Liebe Leute, ich und meiner Einer wollen einfach nur normal behandelt werden . 

Das Doofste ist die mangelnde Selbstständigkeit, die mit der Erkrankung in meinem Fall einhergeht. Oft würde ich gerne etwas tun, ich weiß nicht genau was und mit welchem Ziel, ich weiß nur, dass es sowieso nicht klappt. Selbst kleine Dinge sind dann riesengroße Hürden auf dem Weg zu einer Selbstständigkeit. In solchen Momenten werde ich dann leider (nur) manchmal ungerecht zu meinem Sohn oder meiner Frau. Das tut mir sehr leid! Dies soll keine Entschuldigung sein, aber eine Erklärung für mein Verhalten. Ich liebe euch sehr! 

Kopfwürmer

Stationen meines Lebens 

Ich war 13. Mama und Papa waren bei der Arbeit. Irgendwie war es ein komischer Tag. Schule war langweilig wie immer. Irgendwie wollte ich was machen mit Menschen, glaube ich. Aber was? Ich war verworren. Also ging ich erstmal zur Stange, aber da war keiner. Und nun? Bleibt mir wohl nichts anderes übrig als mir was Eigenes zu überlegen. Aber was? So ging das noch einige Zeit. Also ging ich weiter zur Schule. 

Große Parallele: ich bin an MS erkrankt, aber darum sollte es eigentlich gar nicht gehen. Ich glaube, meine Erkrankung ist ein bisschen wie mein Leben. Eigentlich dachte ich, mein Leben hört auf mit der Diagnose, aber nö, es ging weiter. Letztlich kann man alles zusammenfassen unter dem Motto: Ihr könnt mich alle mal! Dann muss ich eben mein Leben nach anderen Vorstellungen leben, aber das Dumme dabei ist, dass man oft von Ängsten geplagt wird und somit die schönen Dinge, die man hat, nicht immer als solche erkennt oder Angst hat, sie zu verlieren. 

Apropos verlieren: Meine Frau verliert auch gern Dinge, aber darum sollte es hier nicht gehen, bin ja nicht Mario Barth . 

Wie gesagt, ich war 13 Jahre alt. Sport fand ich cool, vor allem Tischtennis, Basketball und Badminton. Nicht zu vergessen die endlosen und unvergessenen Radtouren mit Janosch! Ich ging also weiter zur Schule mit dem Ziel des Abis. Kurz bevor ich das Abi machte, entdeckte ich die Musik für mich und wurde Schlagzeuger in unserer ersten Band. Wir nannten uns „Dagegen“, weil wir den Namen passend fanden. Unsere damaligen Helden Feldbock und Zabel von der Band Kinski fanden uns gut und versprachen uns, dass wir bei ihrem nächsten Konzert als Vorgruppe auftreten können. Das war für uns natürlich der Ritterschlag schlechthin. 

Nach einem kurzen Intermezzo als Kulturpädagoge brach ich mein Studium ab, um in Braunschweig Lehrer für die Hauptschule zu werden. Das erwies sich als Glücksgriff, weil ich sehr gerne Lehrer war (Gruß an meine Klasse von der IGS Peine – ihr seid mir unvergesslich geblieben!). Unsere coolste Aktion war – fand ich – neben dem Brief an den Passauer Polizeipräsidenten, der von Neonazis überfallen wurde und von dem wir tatsächlich eine Antwort erhielten, die wir dann im Klassenrat verlasen, die Klassenfahrt in der 8. Klasse. Wir sind von Dresden über Berlin nach Hamburg gefahren. In Dresden schauten wir uns die wiederaufgebaute Frauenkirche 

an, in Berlin besuchten wir die Kuppel des Bundestages (Gruß an Hubertus Heil, der uns damals als Landkreisabgeordneter Peines den Zugang ermöglicht hat). In Hamburg beschlossen wir unser Projekt „Süchte, Sehnsüchte“ und tauschten uns über die gravierenden Folgen des Drogenmissbrauches mit ehemaligen Drogenabhängigen auf dem Weg ins Erwachsenwerden aus in einer Betreuungsstation für ehemalige Drogenabhängige. Zuvor unternahmen wir einen Stadtrundgang von Hinz und Kunzt, bei dem wir in beeindruckender Weise das Leben von Hamburger Obdachlosen kennen lernten. Für mich eine unvergessliche Klassenfahrt! 

Was das Leben noch für mich bereit hielt, konnte ich zu dem Zeitpunkt ja nicht ahnen. Ich wurde nämlich Papa – das werden bestimmt alle Eltern über ihre Kinder sagen – von dem coolsten und tollsten Kind der Welt! Zunächst wusste ich überhaupt nicht, wie ich diese Rolle füllen kann und soll. Ich hatte keine Vorstellung, was dann passiert. Mein Sohn war da und Mama und Papa waren da. Als du größer wurdest, unternahmen wir einige Ausflüge. Natürlich mit dem Zug, denn Autofahren war ja nicht so toll beim Fortschreiten meiner Krankheit. Zum Beispiel nach Berlin, wo du (ca. 3 Jahre alt) die coolste Frage an einen Berliner Punker stelltest. Du wackeltest nach meinem Anraten hin selbst zum Punk und fragtest ihn, warum er grüne Haare habe. Stolz wie Bolle kamst du zu mir zurück und berichtetest, dass der Punk antwortete, weil er Bock dazu habe . Deine Entwicklung ging den Umständen entsprechend normal weiter. Du besuchst zum jetzigen Zeitpunkt die 8. Klasse eines Gymnasiums. Die Tatsache, dass ich im Rolli sitze, kannst du wohl besser akzeptieren als ich, vielleicht weil wir immer bemüht sind, dir den Umgang damit leicht zu machen. Ich bin so unendlich stolz auf dich! 

Als Erkrankter sich nicht zu verstecken und so normal wie möglich weiter zu machen, ist nicht so einfach, aber genau das versuchen wir. Nicht immer stoßen wir dabei auf Verständnis bei unserer Umwelt. Aber aufgeben ist keine Option! Auch wenn es manchmal schwerfällt, lebe ich getreu dem Motto: Wenn der Wahnsinn dich anlacht, lach zurück! 

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Gesundheit!

Es kann nicht sein, dass man einen Spezialisten braucht, um sich mit der Krankenkasse auseinanderzusetzen, damit man von ihr notwendige Mittel ohne Probleme bekommen kann, ohne dass einem von der Kasse Steine in den Weg gelegt werden.

In meinem Fall wäre dies zum Beispiel die TATSACHE, dass Hausbesuche eines Therapeuten nicht bezahlt werden, aber Taxifahrten mit dem notwendigen Rollstuhl-Shuttle zum Therapeuten eben auch nicht. Kann mir das jemand erklären? Diese Logik kann ich nicht verstehen! Und der Hinweis, dass diese Hausbesuche nun einmal in meinem von mir abgeschlossenen Tarif nicht vorgesehen sind, gilt bedingt, da ich ja nicht wusste, dass ich diese mal benötigen würde. In letzter Konsequenz hieße das: Würde ich die Hausbesuche nicht selbst zahlen (können) oder auch die Taxifahrten, würde ich keine Therapie wahrnehmen können und somit keine erhalten.

Ein anderes Beispiel: Die Therapie mit dem Lokomaten wird von der Krankenkasse nicht bezahlt, obwohl dies nachweislich zur Erhaltung meines Gesundheitszustandes beiträgt und mein Neurologe der Kasse dies auch schriftlich bestätigt hat. Für euch zur Erklärung: Mit dem Lokomaten kann ich robotergestützt auf einem Laufband laufen. Das Argument der Kasse ist, eine Verbesserung des Zustands sei nicht nachgewiesen… Hä? Eine Verbesserung kann bei MS nicht das Ziel sein, sondern Ziel ist es, das Fortschreiten der Krankheit so langsam wie möglich zu gestalten. Um mal den Finanzjongleuren der Kasse auf die Sprünge zu helfen: Es ist doch erheblich günstiger, jetzt in meine Zukunft zu investieren zur Erhaltung meiner Gesundheit, statt in naher Zukunft erheblich höhere Kosten für meine vermeintliche Genesung zu bezahlen bei Verschlechterung des Zustands.

Nächstes Beispiel: Der Einbau eines Türsummers, um die Tür öffnen zu können und Gäste zu empfangen, wurde nur genehmigt mit meiner Bestätigung, dass ich mich noch selbst fortbewegen kann… Aber dann bräuchte ich ja keinen Türsummer…Und jetzt kommt ihr… Davon gibt es viele Beispiele in meinem Fall, aber auch in unzähligen anderen Fällen.

Wenn also die Erhaltung des Gesundheitszustandes oberste Priorität haben soll, dann muss man so manche Entscheidung der Kasse in Frage stellen. Da wird wieder einmal deutlich, dass Kassen nicht reagieren dürfen, wie reine Wirtschaftsunternehmen.

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Aktuelle Stunde

Die Deutschen und die Pandemie

In Deutschland herrscht wie in allen anderen Ländern angesichts der Corona-Pandemie ein sozialer Lock-Down. 

Wenn man die Deutschen mal etwas mit Distanz betrachtet, hat man das Gefühl, dass dieser soziale Lock-Down eigentlich immer herrscht. Wenn man beobachtet, wie die Deutschen sich zum Beispiel in Supermärkten verhalten – gerade auch in diesen Zeiten, wird Einem ganz anders. Es ist schön, dass jetzt Begriffe wie Solidarität und Beieinandersein wieder eine Rolle spielen sollten, aber warum klappt das nicht einmal in solchen Ausnahmezeiten? 

 Jetzt braucht man nur mal in den nächsten Supermarkt zu laufen und beobachten, wie genau sich das Verhalten der Deutschen darstellt. Man wünscht sich oft einen Hula-Hoop-Reifen um seine Hüfte geschnallt, damit auch der letzte Idiot begreift, was Abstand heißt. Das kann doch so schwer nicht einzuhalten sein. Ihr habt doch vor euch einen Einkaufswagen und um euch herum sollte dieser einmal im Kreis gedreht werden und dann wisst ihr, wie viel Abstand ihr halten müsst. Wenn man jedoch das Verhalten so manches Mitbürgers beobachtet, kann Einem schon anders werden. Da spielen Abstandsregeln keinerlei Rolle mehr. Wichtig scheint nur zu sein, dass die eigenen Bedürfnisse befriedigt werden können und das möglichst schnell. Dass man sich an der Kasse immer wiedersieht und dass die Markierungen nicht nur zur Dekoration auf dem Boden kleben, scheinen viele zu vergessen. 

Komisch ist, dass dies in anderen Ländern auch in normalen Zeiten selbstverständlich zu sein scheint. „Social Distancing“ gehört dort zum Alltag und viele Leute sollten sich mal vergegenwärtigen, dass dies kein Zeichen von mangelndem Miteinander ist, sondern ein Zeichen des Respekts und der Rücksichtnahme. 

Wenn in unseren Breiten alles nur nach Höher-Schneller-Weiter strebt, schließt ihr die Menschen mit Handicap aus, weil wir da nicht mithalten können und auch gar nicht wollen. Für eure mangelnde Reflexionsfähigkeit können wir ja nichts, aber es kann nicht sein, dass wir als gehandicapt gelten und der „normale“ Teil der Bevölkerung gar nicht merkt, dass das eigentliche Handicap bei ihnen liegt. Wie sonst ist es zu erklären, dass Sprichworte wie „in der Ruhe liegt die Kraft“ von den vermeintlich Normalen nur als Floskeln angeführt werden. Wenn ihr eure Sprichwörter ernst nehmen würdet, so ist manches Problem obsolet, um mal ein Fremdwort zu bemühen. Die Ruhe sollte dringend nach dem aufgehobenen Lock-Down einkehren. Vorbilder sind oft doof, aber in diesem Fall sollten sie die Deutschen mal zum Nachdenken über eigenes Verhalten anregen. Es geht nicht darum, hier den moralischen Zeigefinger zu erheben, sondern einfach mal zu fragen: Warum? Warum ist es Ausdruck von Unabhängigkeit, möglichst viel Klopapier zu horten? Liebe Mitbürger, das darf doch nicht wahr sein! Beobachtet ihr euch gelegentlich mal selbst? Dann müssten eigentlich ständig Eimer ausverkauft sein, weil diese dann ständig ob eures Verhaltens vollgekotzt sein würden. 

Nun ein paar versöhnliche Worte zum Schluss: Wir alle sind angesichts dieser weltweiten Pandemie verunsichert. Natürlich gibt es auch bei uns respektvolle, hilfsbereite Menschen, die hier natürlich nicht angesprochen sind. Dass es Menschen in einigen anderen Ländern jedoch besser machen, sollte uns Anlass geben, eigenes Verhalten zu hinterfragen, anstatt anderes zu verdammen. 

Nicht alles hier ist schlecht, und dennoch gibt es einiges zu verbessern. Es wäre schön, wenn damit begonnen werden würde.