
Was wäre, wenn
So manches Mal, wenn ich so vor mich hindenke, kommt mir schon die Frage hoch: Was wäre, wenn es gegen meine Form der MS ein Medikament gäbe, das mich aus dem Rollstuhl aufstehen lassen würde. Es wär schon komisch, weil dann mein ganzes momentanes Leben schon wieder – zum zweiten Mal – komplett umgeschmissen werden würde. Ich habe mich gerade so in meinem Zustand eingerichtet, mich daran gewöhnt, dass ich im Rolli sitze. Daran zu rütteln, erscheint mir schwer, wenn es jetzt hieße, nächste Woche um 3 kommt dagegen ein Medikament. Das wäre schon komisch.
Das erste Mal mein Leben zu verändern, war schon schwer genug, ein zweites Mal sicherlich wünschenswert, aber schon sehr anstrengend, mal von den wegfallenden Ausreden abgesehen. Nächste Woche um 4 würde es mir besser passen, falls das Schicksal nichts vor hat. Nein, aber mal im Ernst: Meine Ungeduld ist in Verbindung mit der Erkrankung wirklich sehr anstrengend. Das Gefühl, eine Belastung für seine Umwelt zu werden, muss immer wieder von mir selbst geäußert, dann aber auch relativiert werden.
Auf dem Gipfel des „hätte, wennte, könnte“-, also des „was wäre, wenn“- Gedankens, fällt mir auf, dass es sicherlich schwieriger ist 1 Million im Lotto zu gewinnen, als endlich ein Medikament für meine Form der MS zu finden. Dabei wird deutlich, dass es recht schnell ging, ein Mittel gegen Corona zu finden. Auch entgegen der Aussagen meiner damaligen Ärzte (2008) dauert es eben nicht nur 10 Jahre bis die Form meiner MS Geschichte ist. Physio, Ergo und Logo sollten dann eher eine Beschäftigungstherapie sein, bis DAS Medikament auf den Markt kommt. Das scheint sich aber leider noch etwas zu verzögern – the wind knows how long.
Angeblich ist das Leben kein Wunschkonzert. Und ich darf nicht vergessen, dass mit der Diagnose auch die Geburt meines Sohnes einherging und das war sicherlich um Lichtjahre schöner und wichtiger als diese doofe Diagnose. Damit will ich die Erkrankung nicht klein reden, aber im Gesamtzusammenhang meines Lebens relativieren. Mit anderen Worten: Wenn das Leben dir Zitronen anbietet, mach Limonade draus! Leicht gesagt und doch ernst gemeint. Oder mit anderen Worten: Jeder ist seines Glückes Schmied, aber nicht jeder Schmied hat Glück. Und ich hatte bisher eine Menge Glück mit einem tollen Sohn und einer tollen Frau. Manchmal hilft es mir, das alltägliche Sein so in größeren Kontexten zu sehen. Das lenkt von der täglichen Beschwerlichkeit ab.
ASo lässt sich der „was wäre, wenn“-Gedanke ertragen.