Magnetismus

Ernestos Fingerboard hatte ich ja schon zur Genüge beschrieben und welche Erleichterung es für Ernesto bei der Fortbewegung spielte. Ein weiteres Tuning erfuhr das Fingerboard von mir durch die Anbringung eines starken Magneten an der Unterseite. Das Gegenstück konnte ich zunächst in meiner Hosentasche tragen und so Ernesto wie an einer unsichtbaren Leine durch die Straßen führen. Später ließ ich das Gegenstück von einem Schneider in unserem Kiez auf Fußhöhe in mein Hosenbein einnähen. Auf diesem Wege konnte ich ihm auch Magnetismus verständlich machen, weil sämtliche Fragen von ihm anhand des Beispiels aus der Praxis von mir erklärt werden konnten. 

Dass sämtliche andere mobile Datenträger davon gestört wurden, spielte ja für unsere Unternehmung keine Rolle. Dabei wollten viele Handybesitzer Fotos davon machen, wie eine Schildkröte einen Menschen rasant verfolgte. Aber leider, leider kamen die ganzen versendeten Fotos von Ernesto und mir erst gar nicht bei ihren Empfängern an. Diese konnten erst im Nachhinein verschickt werden, da waren wir ja aber schon weg. 

Damit wären wir auch bei der Auffassung von mir, dass die Menschen viel zu wenig den Moment leben, weil eben die Fotos nicht unmittelbar geschickt werden konnten. Der Genuss des momentanen Erlebens sollte meiner Meinung nach wieder mehr im Mittelpunkt stehen statt das Bannen von schönen Momenten in Form von Fotos oder sonstigen digitalen Medien. Das direkte Erleben wirkt mehr auf die menschliche Festplatte und wird dort gespickt mit Emotionen nicht nur gespeichert, sondern auch tiefgehend verarbeitet. Na gut, aber das ist ja nur meine Meinung. Das kann ja jeder halten, wie er will oder wie Pfarrer Nolte, der hielt, wie er es wollte. 

Zurück zu Ernestos Skateboard und meinem Hosenbein. Ich wurde also nun, sowie wir gemeinsam das Haus verließen, von einer Schildkröte verfolgt. Das Geschrei von umstehenden Passanten wich nach einiger Zeit der Gewöhnung an unseren Anblick. Schnell wurden Ernesto und ich zur Attraktion und wurden sogar vom ortsansässigen Stadtmagazin interviewt. Aber Ernesto war so viel Trubel um seine Person dann doch zu viel. Der Bekanntheit über die Kiezgrenzen hinweg zog er dann doch das Leben innerhalb seines Kiezes vor und weitere Interviews wurden von uns abgesagt. Ernesto blieb nur der kurze Moment des Ruhmes, das war ihm aber auch genug. 

Dass das Phänomen Magnetismus solche weitgehenden Folgen hat, hätten wir nicht gedacht. 

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