Bohrmaschine
Waltraut brauchte unbedingt ein Regal zur Unterbringung ihrer angesammelten Habseligkeiten. Um selbiges anbringen zu können, musste ich dann wohl oder übel mit der Bohrmaschine hantieren, da Waltraut nicht bohren konnte. Gesagt, getan, griff ich zur Bohrmaschine, stellte aber schnell fest, dass nicht jeder Elektriker die Leitungen senkrecht verlegte, sondern diese auch schräg in den Putz gelegt wurden. Wie zum Beweis bohrte ich eine Leitung an. Da erinnerte ich mich Gott sei Dank an einen Trick, den mir schon mein Großvater gezeigt hatte: Gekautes Kaugummi in das Bohrloch stopfen, um die Isolation der Leitung wiederherzustellen. Nun konnte die Anbringung des Regals weiter vonstattengehen. Nicht bloß einfache Bücher fanden auf dem Regal von Waltraut Platz, sondern auch jegliche Art von „Stehrumchen“, man könnte auch sagen „Staubfänger“, aber so boshaft war hier ja keiner.
Das Regal musste also einiges aushalten und stabil in der Wand befestigt sein. Die Bohrlöcher mussten durch starke Dübel fixiert werden, um dies zu gewährleisten. Die Frage nach der Belastbarkeit von Waltrauts Regal war hier eine entscheidende. Es musste also der Nutzerin sowohl für eine vertikale Belastung als auch für eine horizontale genug Sicherheit bieten. Die horizontale Belastung konnte schnell getestet werden, indem wir viele Bücher nebeneinander aufstellten. Das Regal hielt! Schwieriger war das Testen der vertikalen Belastungsfähigkeit. Waltraut schlug vor, die vertikale Zugfähigkeit durch Umlenkrollen auszutesten. Nur damit Sie sich das vorstellen können: Über Umlenkrollen zogen Gewichte nach unten. Ich kann nur sagen: Das Regal bot auch in diesem Fall die nötige Sicherheit. Stolz über unser Tagwerk, belohnten Waltraut und ich uns mit reichlich Abendessen.
Im Gegensatz zu meinen Mitmietern hielt ich mich ganz genau an die Zeiten, in denen gebohrt werden durfte. Sinnfreies Bohren war schon durch das Vorhaben ausgeschlossen. Wie nervenzehrend sinnfreies Bohren sein kann, kennt wohl jeder, der mal erlebt hat, wie es ist, wenn der Nachbar seine Liebe zur Bohrmaschine entdeckt. Der Trick, den mir Bekannte mal verrieten, nämlich bei den Nachbarn zu klingeln, um sich höflich ihre Bohrmaschine auszuleihen – wenn diese zu den unmöglichsten Zeiten bohrten – half nur bedingt bzw. irgendwann gar nicht mehr, weil mein Nervenkostüm doch zu sehr gereizt war und ich nicht mehr ausgeglichen wirken konnte. Auch Waltraut konnte dem Krach von Bohrern in der Wand nichts abgewinnen, schon gar nicht zu unchristlichen Zeiten.
Ach wären doch alle Menschen wie Waltraut!