Unser Treppenhaus
Diese Woche hatten Ernesto und ich einen festen Termin mit unserem Treppenhaus. Die Reinigung desselbigen stand an. Sie ist einer, wenn nicht DER, Indikator für eine funktionierende Hausgemeinschaft.
Ernesto wurde wie immer von mir, während ich die Treppen fegte, in das Fenster zum 1. OG gesetzt. Von dort aus gab er Anweisungen, wo ich noch zu fegen hätte. Viele Mitbewohner waren belustigt über diesen Anblick. Eine Schildkröte im Fenster sieht man ja nicht alle Tage. Nur wenn Ernesto sie auf ihre verschmutzten Schuhe hinwies, kippte die Stimmung recht schnell. Nach dem Fegen wurde das Treppenhaus natürlich wie immer auch noch feucht gewischt, wobei Ernesto penibel darauf achtete, dass niemand durch das frisch Gewischte lief und er sie im Zweifelsfall zum Stehenbleiben aufforderte. Der Terrazzoboden sollte wie in jeder Woche in der Sonne glänzen.
Verschiedenste Mieter begegneten uns, während wir unsere Hauswoche erledigten. Selbst Herr Kowalski aus dem EG kam mal auf eine Stippvisite vorbei – ich vermute mal, eher um uns zu kontrollieren. Sein Hund konnte ja aufgrund seiner Körperform nicht mehr gut Treppen laufen, daher trug er ihn anlässlich seines Besuches auf dem Arm. Neben der genauen Kontrolle der Fege- und Wischtätigkeiten, stand außerdem der neueste Klatsch und Tratsch der Nachbarschaft auf dem Programm. Ernesto und ich waren eher semi-begeistert von Herrn Kowalskis Ausführungen, da uns der Klatsch und Tratsch nur bedingt interessierte. Nur was es von Ernie und Bert, den beiden Schildkröten aus dem Haus, Neues zu vermelden gab, war für uns von Interesse.
Ich vermutete, Ernesto war ein klein bisschen verliebt in Ernie, ließ sich dies aber nicht anmerken und leugnete dies auch stets. Dennoch bemerkte ich, dass, immer wenn Ernie im Raum war, Ernesto völlig verhalten und ruhig war. Es war schön zu beobachten, wie Ernesto auf Freiers Füßen war und Ernie den Hof machte. Jetzt musste nur noch die richtige Gelegenheit für Ernesto kommen. Ich gab mein Bestes, um ein Zusammentreffen der beiden zu beschleunigen. Gott sei Dank ergab sich in den nächsten Tagen eine Möglichkeit für Ernesto. Mit der Hausgemeinschaft wurde ein kleines Hoffest gefeiert und anlässlich des Kuchenbasars konnten die beiden Kaffee und Kuchen zu sich nehmen und sich näherkommen, ohne dass es auffiel. Nachdem die beiden sich in Kaffee, Kuchen und in ein Gespräch vertieften, beschloss ich, wieder hoch zu uns in die Wohnung zu gehen und den Dingen ihren Lauf zu lassen. Nach 2 Stunden kehrte ich zum Hoffest zurück, aber Ernesto und Ernie waren verschwunden. Auf meine Nachfrage bei den Nachbarn konnte mir niemand über deren Verbleib Auskunft erteilen. Da kamen die beiden plötzlich grinsend aus dem Unterholz und meine neugierigen Fragen wurden anschließend von Ernesto gekonnt ignoriert…