Jalousie
Eigentlich sollten ja Jalousien den Blick von außen in die Wohnung beeinträchtigen. Da wir im Dachgeschoss wohnten, machte das nur bedingt Sinn. Aber sie verhinderten den Blick von Menschen, die in der Wohnung standen, auf die Häuser der Nachbarschaft, denn diese waren unglaublich hässlich. Sie waren ein typisches Beispiel für den 50er Jahre Baustil, geprägt mehr von dem Nutzen als von ansprechender Schönheit. Hohe Decken oder gar Stuck waren damals nicht so angesagt. Im Mittelpunkt stand eher die Zweckmäßigkeit des Gebäudes.
Ernesto betrat diese Gebäude nur, wenn er musste, zum Beispiel um einen Arzttermin wahrzunehmen. Ernesto fand es vor allem gut, dass diese Gebäude oftmals über einen Fahrstuhl verfügten und ihm den Zugang zu den oberen Stockwerken damit erleichterten. Die Fahrstühle waren aber oft in einem technisch grenzwertigen Zustand, da sie häufig sehr stark veraltet waren, sodass ihre Benutzung eher einer Fahrt mit der Achterbahn glich. Fahrten in Achterbahnen oder auch Geisterbahnen waren für Ernesto genauso wie für mich mit sehr viel Spaß verbunden, sodass er die Fahrten im Fahrstuhl als angenehm empfand. Der eigentliche Zweck der Fahrstuhlfahrten geriet dann schnell in Vergessenheit, sodass er jedes Mal überrascht war, wenn sich beim Öffnen der Türen vor seinen Augen ein neues Stockwerk auftat. Der Sesam-öffne-dich-Effekt war um so größer je höher wir mit dem Fahrstuhl fuhren.
Zurück zu den Jalousien: Sie verhindern oft den Blick auf etwas Schlimmeres. Was Schlimmeres wäre, sollte hier klar benannt werden. Die Hässlichkeit von 50er Jahre Bauten muss an dieser Stelle nicht genauer erklärt werden. Jedoch der Blick auf sie muss jederzeit verhindert bzw. eingeschränkt werden können.
Jalousien können den Blick sehr gut lenken, sodass der Betrachter sich mehr mit dem Innenraum beschäftigen muss und weniger durch Blicke nach außen abgelenkt wird. Genau wie Schlafbrillen ist der Effekt mehr auf die Beschäftigung mit dem Inneren abzielend, da äußere Reize ausgeblendet werden. Also wären Schlafbrillen in Räumen mit Jalousien quasi doppelt gemoppelt, da der sowieso schon eingeschränkte Blick durch die Jalousie ein weiteres Mal beschränkt wird. Jalousien sind quasi die Schlafbrillen an Fenstern. Es bleibt zu hoffen, dass Jalousien häufiger mal aufgezogen werden, um die Bewohner nicht in einem Dauerschlaf festzuhalten.
Da kann man nur hoffen, dass der Blick ins Innere Erfreuliches zu bieten hat!