
Amt ohne Schimmel
Nach über 14 Jahren wurde mir mitgeteilt, dass ich Ernesto von morgen an nicht mehr zur Arbeit mitbringen dürfe. Aus hygienischen Gründen, wie es hieß. Nun gut. Was Hygiene mit dem Amt zu tun hat, muss mir bei Gelegenheit mal jemand erklären. Wenn ich so meine Kollegen manchmal essen sehe, da fällt mir auch nichts mehr ein. Aber nun denn, so sei es.
Von heute an muss Ernesto seine Tage also immer zu Hause fristen, während ich im Büro sitze. Keine lustigen Besuche mehr von Frau Meier aus B105, sondern nur kahle Wände in unserer Dachgeschosswohnung. Ich überlegte, wie ich weiter verfahren sollte. Sollte ich für Ernesto einen Spielgefährten oder -in besorgen oder eine Aufsicht? Ich hatte meine Entscheidung noch nicht gefällt, da nahm Ernesto sie mir mehr oder weniger ab, als er mir vorschlug, dass wir doch per Skype permanent verbunden sein könnten. Er würde dann zu Hause am Laptop sitzen und ich könnte mich via Rechner aus dem Büro hinzuschalten. Dabei ergab sich so manche skurrile Begebenheit, weil Ernesto dazu neigte, in Situationen, in denen er sich unbeobachtet fühlte, Dinge zu tun, die man eben macht, wenn man sich unbeobachtet meint, zum Beispiel in der Nase bohren. Immer wenn ich ihn darauf ansprach, stritt er dies ab und fühlte sich ertappt, von daher ließ ich es alsbald.
Einmal musste ich gerade Bürger beraten bezüglich ihres Grundstücks. Gleichzeitig hatte Ernesto aber ein Problem mit unserer Waschmaschine und wollte prompt per Skype darüber reden. Es war gar nicht so einfach, den Bürgern begreiflich zu machen, dass jetzt erstmal meine Schildkröte Ernesto darüber ein Gespräch bräuchte und sie warten müssten.
Richtig gefährlich war neulich eine Situation, in der ein Geldautomat in unserer Nachbarstraße gesprengt wurde und Ernesto voller Panik bei mir anrief ob des lauten Knalles, den er gehört hatte. Die Polizei sperrte daraufhin mehrere Straßen einschließlich unserer und jegliche Durchfahrt war verhindert. Gott sei Dank kam ich kurz danach gegen Feierabend nach Hause. Ich fand einen völlig verstörten Ernesto vor, der erstmal mit Salat und Tomate beruhigt werden musste. Wir sahen uns dann mehrere Folgen von Ernestos Lieblings-Comedy-Serie an und gegen Abend hatte er sich dann beruhigt.
P.S.: Ernesto ist überall.